UÜber der Lebenopforte Fritzlars glänzt auch der Name
Heinrichs J. und verleiht der Stadt auf Jahrhunderte hinaus
röniglichen Glanz.
Diejelben drei Männer stehen auch an der Schwelle des
deutjchen Reiches. Je nach der religiös-birchlichen Einstellung
wvird der Deutsche Bonifatius und sein Werb verschieden einschätzen.
Der Historiker aber wird ihm das Verdienst zuerkennen, daß er
durch die religiös-birchliche Einigung der deutschen Stämme die
Grundlage für die spätere politische Einigung des deutschen Volkes
geschaffen hat. Diese politijche Einheit schuf Karl der Große.
Sein unermeßliches Keich, ein buntes Gemisch vieler Nationen
und Sprachen, wurde durch die ũberragende Persönlichbeit des
großen Karl gewaltsam zusammengehalten. Von Bestand bonnte
eine jolche Schöpfung nicht jein. Besonders die deutschen Stämme
im großen Karolingerreich drängten nach Selbständigkeit, die sie
durch Heinrich J. exrangen. Er löste Deutschland von dem Riesen-
reich Karls los und bewirkte unter der Oberhoheit der Sachsen
eine innige Verschmelzung von Germanentum und Christenfum.
Nun tritt das Keich in die goldne Jugendzeit. An seiner Spitze
steehen die Reckengestalten der Kaiser. Die Grenzen dehnen sich.
Im Inneren blühen Handel und Gewerbe. In Walter v.d.
ODogelweide, im Nibelungenlied, in den deutschen Domen drängt
die Kunst nach höchster DVollendung. Das Leben der Nation
Die Sünfte im Festzug.
offenbart sich in einer Einheit und Geschlossenheit der inneren und
üußeren Kultur, wie sie die Geschichte nur einmal gesehen hat—
in der griechischen Antikbe.
Fritzlar ist reich an Seugen aus dieser goldnen Jugendzeit.
In jeiner Kaiserpfalz schlug das Herz des Keiches. Die Ottonen
und Heinriche zogen hier ein und aus. Reichs- und Kirchen—
persammlungen wechselten in bunter Folge. Oft standen sich hier
die Gegner in Kampfhandlungen oder Friedensverhandlungen
gegenüber. Die Kunst, besonders die der Goldschmiede, schuf
wundersame Werbe. So bennt man sogar eine „Fritzlarer Kunst—
schule Rogerscher KRichtung“. Noch heute birgt der Domschatz
Löstliche Kleinodien aus den Meisterhänden jener Seit. NAus
religiösem Schwung heraus entstanden große, segensreiche Stiftungen.
Zwischen 1216 und 19 schrieb Herbolt von Fritzlar sein „Lied von
Troye“, das den Trojanischen Krieg besingt. Und Hermann von
Fritzlar gab ein „Heiligenleben“ heraus, das gosammeite Prediaten
deutscher Mystiker enthält.
Doch Jugend hat auch Schatten. Und Schatten fallen auch auf
Fritzlars Jugend: die Stadt liegt mit dem Stift, die Sünfte liegen
mit der Stadt im Streit. Su diesem inneren Unfrieden bommen
äußere Kämpfe. König und Gegenbkönig befehden sich. Stadt und
Dom fallen den Scharen des Gegenkönigs Rudolf v. Schwaben
zum Opfer (1079). 1232 gehen sie durch die Truppen des Land—
grafen Konrad von Thüringen abermals in Flammen auf. Fritzlar
ersteht wieder aus der Asche. Doch in den 150 jährigen Kämpfen
zwischen Mainz und Hessen hat die Stadt als Mainzer Vorposten
piel Drangsal zu erdulden. Ansäaliches erleidet sie auch im
Dreißigjährigen Krieg. Im Siebenjährigen Krieg wird Fritzlar
o hart mitgenommen, daß es aufhört, eine feste Stadt zu sein.
Das ist die Leidensgeschichte Fritzlars, zugleich auch die des
Zeiches in seinem Niedergang und Serfall. Nach Jahren jsehn-
üchtigen Harrens erstand das Reich wieder in Glanz und Herrlich-
eit, um dann wieder in Staub zu fallen. Ein Deutschland
tarb — das Deutschland nicht. Es stirbt nicht; es lebt und wird
höner und herrlicher leben. Auch dafür ist Fritzlar Sinnbild und
Vahrzeichen. Es hat sich erhoben und steht nun geschmückt wie
n jeinen bräutlichen Tagen, da die Kaijer zu ihm bamen; es schaut
tolz auf seine glanzvolle und sturmbewegte Dergangenheit zurück
ind mit festem Gottvpertrauen in die Lommende Seit. Eine geheime
Traft hat Fritzlar in Not und Tod erhalten und immer wieder
ur Höhe geführt: der Idealismus, der Gott als den fruchtbaren
Quellgrund alles Seins anerbennt, Welt und Ich seinen Gesetzen
interwirft, das Ich zum Du erhebt und zum Wir macht, zum
ebendigen, starken, opferfreudigen Wir der Heimat- und Daterlands⸗-
iebe. Liebe zur Heimat, Liebe zur Religion sind die Heilkräfte,
ie Deutschland Genesung bringen werden. So sei auch Fritzlar
n dieser Beziehung Mahn- und Wahrzeichen: Der deutsche Adler
vird sich wieder vom Boden erheben, getragen von den Flügeln:
Keligion und Vaterlandsliebe. —
Das war die Festrede, die alle Hörer wie mit starken Armen
emporriß und umso höher trug, als sie es mit
bewundernswertem Geschick vermied, Tren—
nendes ankblingen zu lassen, wofür sie das alle
deutschen Christen Einigende und Gemeinsame
umsomehr betonte. Es wird den Festredner
gewiß nicht kränken, wenn einer von der
anderen Seite, ein Protestant, dieses sein
Bestreben und dessen volliges Gelingen frohen
Herzens anerbennt.
Die höchste Anerbennung fũr die stille und
erfolgreiche Forscherarbeit eines Lebens sollte
dem Kedner ganz unerwartet aus berufenerem
Munde werden. Am Schluß der Redoe erstieg
zur Überraschung aller der Rektor der Uni—
versität Marburg, Prof. Dr. Bornhäuser,
in vollem Ornat die Bühnenstufen, um nach
einer Ansprache Migre. Jestädt vor großer
Zeugenschar zum Doktor der Philosophie zu
promovieren, indem er das Dobtordiplom
perlas:
„Unter dem Vorsitz des Rebtors Prof.
Dr. Bornhäuser verleiht die Philosophische
Fabultät der Universität Marburg durch ihren
Dekan Osbar Weigel Monsignore Prälat
Jestädt, dem Sammler und Erhalter der
Kunstschãtze des Kreises und der Stadt Fritzlar,
—* Hüter und Verschönerer ihres Domes,
dem Führer der Wissenschaft und dem tat—
kräftigen Manne, ehrenhalber Titel, Kechte
und Würden eines Dobtors der Philosophie
„cum lauda“.
Vollzogen zu Marburg am 11. Mai 1025.
Der Deban der Philosophischen Fabultät
Osbar Weigel.“
Ergriffen dankte der neue Ehrendobtor in geistvollen, wohl⸗
jeseßten Worten. Er halte sich nicht wert dieser hohen Aus—
eichnung. Da jedoch eine höhere Instanz ihn nach reiflicher Prũfung
ür würdig befunden habe, nehme er die hohe Ehre an. Uber
die Pforten der deutschen Hochschulen könne man schreiben: Dem
Wahren, Schönen, Guten! Dieser Dreiheit habe auch jein Leben
ind Schaffen gegolten, und ihr wolle er fürderhin noch mehr als
isher sein Leben in Wort, Schrift und Tat weihen. — Lebhafter
Seifall gab die Freude der Festgäste über die wohlpordiente Aus-
zeichnung des Geehrten bund.
Das traumhafte Schwalbengezwitscher unter dem Dach der
Festhalle versank in den rauschenden Khythmen eines Kärassier-
narsches, der, von einer deutschen Prinzessin bomponiert,. diese
Feier des Friedens mehr laut als sinnig beschloß.
hotoqgraph Eberth, Cassel.
Nachmitkags 2 Uhr bewegt sich vom Kasernenhof her der
ulturhistorische Festzug, dessen kLünstlerische Leitung Prof.
5autter und Kunstmaler Lewerenz aus Cassel übertragen war,
zurch die Straßen der Stadt, von Sehntausenden begrüßt und
ewundert. Das Programm hat nicht zuviel versprochen. Der
festzug ist eine Sehenswürdigkeit. Farbenprächtige Gruppen sind
nit künstlerischem Blick und mit historischer Treue zusammengestellt.
Jede einzelne ist in ihrem bunten oder einfarbigen Gewand wie