Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

wie starb und geschickt! Seine Käder rollten 
zu Tale, erreichten das Siel, daß ich mich 
schämte und zornig wurde. Doch er lachte 
er verstand's.“ — Einprägsam ist auch die 
Szene zwischen Eberhard und Sunhild, die 
Eberhards hochherzigen Entschluß des VDer⸗ 
zichts besiegelt und Heinrichs Kommen be 
deütungsvoll vorbereitet. Eberhard dankt der 
Ahne: „Dank, Ahne! Es gibt so böse 
Träume. Sur Klarheit hast du mich geweckt, 
zur Treue mich zurückgerufen gegen den 
SBruder, zur Treue gegen ein Herz, das 
traurig ward. Hatte des Besten vergessen: 
Den Schild der Ehren hochzuhalten mit dem 
alten Spruch: Hesjjen sind treul“ In 
unserem borüussifizierten Hessen mögen heute 
gelinde Sweifel an der sprichwörtlich gewor⸗ 
denen Hessentreue berechtigt sein. Auf der 
Bũhne sloriert sie noch; doch im Leben scheint 
sie erstorben. 
In dem vortrefflichen Spiel stört nur die 
allzuhãufige Anwendung der Inversion, die 
alteriüũmeind wirken sjoll, aber durch ihre 
Häufung das Gegenteil bezweckt und den 
runstlerijjchen Genuß beeintrãchtigt. Alle Per 
sonen des Stückes, sogar die Hunnensendlinge 
bedienen sich diejer Umkehrung der Wort 
folge, gegen deren sparsamen Gebrauch durch⸗ 
aus nichts einzuwenden wäre. 
Die Darsieller geben in nachempfindender 
Oerlebendigung ihrer Rollen, in klarem Ausdruck und straffem 
Zusammensoiel gute Leistungen. Herrliche Bühnenbilder, deren 
Herweilen man wünscht, bieten sich den Blicken. Rauschender 
Beifall lohnt zum Schluß Darsteller und Dichter. Dieje Seijalls- 
bezeugungen find zugleich auch ein Danb an den Kegisseur des 
Festjpiels Direbtor Scheurmann aus Cassel. 
Ser Abend sieht die alte Stadt mit ihren Plätzen, Gassen 
und Winbeln in strahlender Beleuchtung und die Menschenmenge 
in froher Erwartung des Sonntags. Das 18. Kurhessische Bundes⸗ 
schießen in Cassel, das leider mit Fritzlars Jubelfeier zujammenfäallt, 
scheint, nach dem Fremdenzustrom beurteilt, bLeine Beeinträchtigung 
herbeizuführen. So kann der Bürgermeister auf dem Warkbtplatz 
uͤnabjehbare Scharen der Festgäste begrüßen, die dann durch Gesang 
und Musikvorträge auf dem Festplah bewillkommt werden. 
Ochsengejspann mit dem Stumpf der Donareiche. 
Hofphotograph Eberth, Cassel. 
Zeiner der hohen Erschienenen nimmt zur Ehre der Jubilarin das 
Vort, wie vielfach erwartet wurde. Deshalb werden sie uns auch 
n diesem Festbericht die Nennung ihrer hohen Ramen gern erlassen. 
Buhne und Vorbühne tragen reichen Flaggenschmuck. Nur 
ie Reichsfarben fehlen. Dafür prangen Schwarzweißrot und die 
ßanner des Jungdeutschen Ordens ũber der Schar der Erlesenen 
iuf der Bühne. Um halb elf beginnt die Feier. Die Kegiments- 
apelle des 5. Art. Kegts. (Fulda) unter Leitung des Musikmeisters 
»ewers setzt ein. Feierlich und getragen schwellen die Klänge des 
Fanget an!“ aus Kichard Wagners Meistersingern durch die 
erãumige Halle. Ein Männerchor bringt der Heimatstadt einen 
nachtvoll blingenden Gruß: „Traͤute Stadt am Edderfluß!“ dar, 
jedichtet von Kiedel und Benl, vertont von Carl J. Altmann. 
Nun fehjelt Dechant Jestädt die lautlos lauschenden Festgäjte 
zurch eine Kede, die in Gedankenreichtum, Aufbau, poetischer 
raft uünd Feinheit der Oiktion ein rhetorisches Meisterwerb ist. 
æurzlebig ist der Mensch, so führt er aus, langlebig sind seine 
zchoͤpfungen: Stãdte und Keiche. Doch auch sie sind dem Wandel 
interworfen und erleben versonnene Jugendzeit, tatkräftige Mannes- 
eit, schwunglose Greisenzeit. Dieser Rhythmus des Geschehens, 
her sich im Heben und Senken, Kommen und Gehen auswirbt, 
ist auch in der Geschichte Fritlars und des 
deutschen Reiches zu erbennen. Beide sind 
denjelben Abwandlungen des Werdens, 
Slühens und Verblühens unterworfen. Mit 
dem Keich und durch dieselben Männer, die 
es schufen, geworden, darf Fritzlar, diese 
alteste Stadt Hessens, füglich als ein Kind 
des Keiches bezeichnet werden, das dessen 
Herrlichkeit und Erschütterungen miterlebt 
und Sinnbild des Glanzes und der Not, 
doch ebenso hoffnungsvolles Wahrzeichen 
eünftigen deutschen Aufstiegs ist. Fritzlar 
in seinem Werden und in seiner 
geschichtlichen Entwicklung ein Sinn— 
bild und Wahrzeichen des Reiches im 
wleinen — das ist der Kern der Kede. 
An Fritzlars Wiege stehen drei Männer: 
Bonifatius, Karl der Große und Heinrich J. 
Sonifatius fällt die Donareiche und 
gründet 124 Kirche, Kloster und Klosterschule 
zu Fritßzlar. Fritzlar ist die erste Schule, 
St. Wisbert der erste Lehrer Hessens. Fritzlar 
jt der große Lichtherd, von dem sich die 
Strahlen christlichen Glaubens, christlicher 
Sitte und Kultur ins Land ergießen. Von 
Feitzlar aus werden in den buchonischen 
Väldern Hersfeld und Fulda gegründet. 
Karl der Große nimmt 182 die Fritz 
arer Kirche in böniglichen Schutß und begabt 
sie mit reichen Schenkungen. 
Festgottesdienste aller Bebenntnisse und Ehrungen der gefallenen 
Helden durch Kranzniederlegung an den Kriegerdenkmãlern leiten 
den Hauptfesttag ein, dessen Höhepunkt der Festabt mit der Rede 
des Bechanten Mjgre. Jestädt bildet. Der Festabt vollzieht sich 
in Gegenwart hoher und höchster Behörden oder ihrer Vertreter. 
Kaiser Otto J. mit Gefolge 
»photograph Eberth, Cassel.
	        
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