Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Verehrer gehabt hat, denn niemand anders ist gemeint mit der 
„lieben Frau“. 
Das sind nur einige bleine Sũge aus den reichen Schäßtzen 
der Dergangenheit. AUerall sind wir umgeben von Erinnerungen 
in die Väter und ihr Tun, auch wenn wir nicht einmal mehr ihre 
Ramen und die Stätte kennen, wo ihr Leib gebettet liegt. Viel- 
eicht achtet der eine oder andere hinfort besser darauf und geht 
den Spuren nach und lernt so Heimatgeschichte und Heimatliebe. 
Auf Heimatweqen. 
Frankfurt im Frühling— 
Oon Hede Linemayer. 
Sonnige Frühlingstage hängen ũber der alten Wainstadt. 
In den prächtigen Anlagen rings um die Stadt wogt ein Meer 
bon lila Fliederbũüschen. Die Kastanien mit ihren weißen und 
eotlichen Kerzen stehen in flammender Blũte, — eine Duft- und 
Farbensymphonie. 
Nicht viele Großstädte weisjen soviel Blüten und Grün auf 
wie Frankfurt am Main. 
Da liegt im Ring der Stadt eingebettet nächst dem herelichen 
Opernhaus, tief versteckt, das sogenannte „Schweizerhäuschen“, 
ein niedliches Café im Schweizer Stil, mitten in einer Koniferen- 
gruppe und umgeben von gepfiegten Blumenrabatten und Lauben- 
Jangen aus wildem Wein. Eine Jdylle im Herzen der pulsenden Stadt 
Wir wandern weiter, an dem kleinen lilienumsäumten, völlig 
mit Grün überzogenen See und am, Lachhannes“, dem berühmten 
Srunnen, vorbei und gelangen an das AUer des Maines. Seine 
Wellen flimmern und gleißen und tanzen mit den Sonnenfunben 
um die Wette. Weit jpannen sich die hohen Brücken über den 
Strom, von denen der irunkene Slick über das Häusergewirr und 
die Türme des Doms und des historischen Rathauses schweift, 
während unter den tiefen Brückenbogen schlanke Paddelboote 
hindurchflißen, breite Kähne und wuchtige Lastschiffe gemächlich 
dahingleiten. Hier am Main finden wir die reizende NlzzaAnlage 
mit dem bekannten „Grindbrunnen“, zu dessen heilkräftigem Wasser 
allerdings ein ganz besonderer Appetit gehört. 
Durch die Altstadt schlendernd, deren bunt angestrichene 
Häufer mit den originellen Malereien einer entzückenden Spiel- 
ʒzeugschachtel gleichen, die Seil, jene altberühmte Geschäftsstraße 
iberquerend, gelangen wir wieder in die schattige Anlange. Plõotzlich 
stehen wir vor dem verträumten Bethmann -Weiher, in dessen 
dunkles Wasser die alten Weiden ihre melancholischen Sweige 
tauchen. Geigentöne umzittern nachmittags und abends diesen 
Miniatursee, denn ũber einen burzgeschorenen, lichten Kasen hinweg 
erhebt sich urplötzlich aus den Bäumen Café und Kursaal Milani. 
Wohin der Fuß auch wandert, überall blüht und duftet es in 
dieser Stiadt. Magnolien schũtteln ihre Blütenblätter wie einen 
weißen Teppich hin, dichte Rhododendronsträucher leuchten da und 
dort, blaue und gelbe Dolden hängen schwer an den Balkons, 
jchaukeln im sanften Luftzug, Rotdorn umfriedet die Gartenzäune 
der Dillen. 
Eine wundervolle Landschaftspartie tut sich am Hohenzollern- 
platz auf, gegenũber dem statilichen Polizeigebãude und dem weiten, 
jtilvollen Messegelände. Langhin zieht sich diese interessante Anlage 
mit dem felsartigen Charabter; still ist es hier, ab und zu nur 
springt ein Frosch blafschend ins Wasser, ein Vogelruf lockt, — 
am liefblauen, mit bleinen weißen Wöllbchen durchsehzten Himmel 
aber surren die Motore der tapferen Flieger, die steil aufschießen 
und im nächsten Augenblick, sich überschlagend, jäh wieder herab⸗ 
stoßen. — ein scheinbar munteres Treiben am Himmelszelt. Seit 
Franbfurt Flughafen geworden ist, gehört das Spiel der Ein- und 
Doppeldecker in den Lüften zum typischen Gepraͤge der Stadt. 
Der Palmengarten in seinem bräutlichen Gewand feiert 
Triumphed' Ein Spaziergang auf den vielverschlungenen bunst- 
hollen Wegen ist eine Köstlichkeit sondergleichen, und die Gewächs- 
häuser mit dem schier unũbersehbaren rötlichgetönten Azalienflor 
um nur eine Sehenswürdigkbeit herauszugreifen — sind vollends 
ein Märchen voll Poesie. 
Auch der Soo prangt im Frühlingsschmuck. Die Tierhäuser 
ind frijch und lebhaft gestrichen; ihre Bewohner liegen träge in 
der Sonne. Nur die Störche und Flamingos stolzieren gravitätisch 
n den besonnten Wiesen umher. John Hagenbecks große Völber- 
chau hat sich ein indisches Dorf aufgebaut: Fabire, Abrobaten, 
Seiltãnʒer, Handwerber, ODresseure, ein seltsamfarbiges Gemisch 
rus jenem geheimnisvollen Erdteil, um den unsere Sehnsucht 
lattert je und je. 
Keges Leben und Treiben herrscht auch draußen im Ostpark, 
der vom Winterschlaf erwacht, wieder sein festliches Blũtenkleid 
rãgt. Taäglich bildet er das Siel vieler Hunderte von Natur- 
chwärmern. Der Botaniker sucht dort Stoff für seine Studien, 
die Jugend huldigt mit Feuereifer dem Fußballsport, die Kleinsten 
ahen langschwänzige Papierdrachen steigen, indes die Musikkapelle 
hee Märsche dazu schmettert, — — der abgearbeitete, nerven⸗ 
ibrierende Berussmensch aber sitzt unter einem blühenden Baum 
im See und trinkt Frühlingsodem in seine verstaubten Lungen 
und Lebensfreude in sein bekümmertes Gemüt. 
Ja, auch die Großstadt hat ihren Frühlingl — 
Has aber ist das Geheimnis des harmonischen Lebens: Sonne 
und Frühling im Herzen. 
Surg Hanstein. 
Eine der schönsten und am besten erhaltenen Höhenburgen im 
Umbreis unserer Heimat ist unstreitig Burg Hanstein. Swar nehmen 
ie Bewohner des benachbarten Eichsfeldes die stolze Burg als 
ie ihrige in Anspruch, und tatsächlich gehört sie auch politisch wie 
eographisch betrachtet zu ihrem Bereiche. Aber die Grenzen 
er hessijchen Gaue treten so nahe an ihren Bannbreis heran, und 
je Geschichte der Burg wird so stark von der hessischen beeinflußt, 
aß auch dem Hessenland unbedingt ein gewisser Anteil an ihr 
ugestanden werden muß. Ist doch als Trutzveste gegen die räube⸗ 
ijchen Überfälle der Hansteiner schon im Jahre 1415.auf hessijchem 
Zoden der Ludwigstein erbaut worden, der bebanntlich seit einigen 
Jahren dem Wandervogel als Hort dient. 
Aberaus malerisch liegt die schon im 11. Jahrhundert erbaute 
Zurg Hanstein auf einem zum Werratal steil abfallenden Höhen- 
ucken, umgrenzt von den hohen, den Burggraben umstehenden 
chattigen Saumgruppen und den rotgedachten Häusern des Dorfes 
Kimbach, das sich wie ein Schwalbennest dem Burgberge anschmiegt. 
don der hohen SZinne des Bergfrieds schweift der Blick weit in 
ie Ferne zum stolzen Rusteberg hinüber und weiter zu den Göttinger 
Zergen und dem Brocken oder zur anderen Seite hinab zu den 
ieblichen Gefilden des schöngeschwungenen Werratals und darũber 
inaus auf die buchengrünen Wälder des nahen Roßlopfs. des 
Meißners und des Kaufunger Waldes. 
And wenn dann die Frühlingslüfte durchs Land wehen und 
Fal und Höhen sich mit frijchem Grün schmücken, dann ziehen die 
5charen wanderfroher Menschenbkinder zu diesem selten schönen 
ẽrdenfleckchen hinauf, und Rittersaal und Burghof hallen wider 
on Liedersang und Becherblang der fahrenden Gesellen. Besonders 
im Himmelfahrtstage ist der Hanstein das Siel der weiten Um— 
jebung. Dann eilen die Göttinger Musensöhne auf grüngeschmückten 
deiterwagen über die blumigen Felder des Eichsfeldes herbei, und 
ius dem“' Tale von Allendorf und Witzenhausen Lommen die 
ungen Mädchen und Burschen, von Frühling und Liebe singend, 
urch die weißblũhenden Kirschalleen des Werratals heraufgewandert 
zum burggekrönten Gipfel des alten Hansteins. W. M. 
VDom Pulsschlag der Heimat. 
Schnurrpfeifereien.⸗ 
Der verschmähte Pudding. 
Hannjörgs Bärbchen war in der Stadt gewesen und hatte 
Bildung gelernt. Sein Bräutigam freute sich darüber, denn nun 
ponnte ja das Freien bald losgehen. Und es gab eine große 
Hochzeit. Da bonnte die Braut ihre Kochbünste zeigen. Und das 
tat sie denn auch gerne. 
Nach dem Essen kamen große Schüsseln mit einer roten und 
gelben Speise auf den Tisch. „Was eß dann das fser Sejg?“ 
ragten die Alten. „Das oß che so datterig!“ — Die Kinder reckten 
die Hälse: „Hm, das moß god schmeck“, weil es so schön rot und 
gelb aussah. Die Gewitzten meinten: „Ich glaub', s eß Pudding.“ 
Pudding, Pudding! — was eß dann das fer datterig Sejg?“ 
Ve probiert's doch emoll Das hat de Bruut en d'r Staadt 
gelernt.“ 
Sesondere Tellerchen und Löffelchen gab es nicht. Dafür 
riegte jeder Hochzeitsgast einen dicken Löffel voll auf jeinen Teller. 
Mißtrauisch beguckt man die neue Speise. Keiner will anfangen. 
Ddenn was der Bauer net bennt, das ißt er net. „No, wann Deij
	        
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