Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

aber nahm seine beiden Kinder an der Hand, ging mit ihnen 
in die Küche und flüsterte dem Hofnarren ein paar Worte 
zu. Der nickte, lachte und sprang mit gleichen Füßen auf 
Eberhards Hackbloß und rief: „Hört an, ihr Köche, 
Köchinnen und Küchengesinde! Der König will Euch das 
aeue Fleischhackerehepaar vorstellen: die Küchenmagd Lore 
und den Fleischhackerbuben Eberhard!“ Eine Weile war 
alles mäuschenstill. Dann aber brach ein gewaltiger Jubel 
los. Alles Küchengesinde umdrängte das junge Paar, und 
als der Oberhofprediger kam, da gab es einen Hochzeits- 
zug, der war schöner als je einer. Voran gingen zwei 
Küchenjungen, die mit Kupferdeckeln eine schöne Musik 
nachten, dann kamen Küchenmädchen mit Keibeisen, Koch- 
öffeln und allerhand Gerät, und hinterdrein humpelte der 
dicke Koch und trug einen eben fertig gewordenen Kuchen 
uuf einer großen Platte. Die eigentliche Hochzeit wurde 
n der Küche gefeiert, und der König war so fröhlich wie 
in jeinem Leben. Als dann alles six und fertig war, 
igte er: „So, nun hat der Scherz ein Ende. Mein Schwieger- 
ohn zieht natürlich ins Schloß und wohnt bei mir, und 
enn ich einmal sterbe, dann wird er König. Einer, der 
as Hackebeil so tüchtig geschwungen hat, wird wohl auch 
in Schwert führen lernen, und einer, der sich die Liebe 
iner Königstochter erwerben bann, wird sich wohl auch die 
diebe eines Volkes erwerben bönnen!“ Die Trompeten 
liesen Tusch, Mützen flogen in die Höhe, und endloses 
zurra und Hoch erktönte. 
Eberhard und Lore aber lebten vergnügt und glücklich, und 
das Band der Liebe, das sie zusammenfesselte, brach ebenso⸗ 
penig, wie das Seil, das Eberhard einst vom Fenster herunter⸗ 
eholfen hatte; ihre Lleinen und großen Schwächen aber trugen 
je huckepack. wie Lore ehedem ihren Eberhard getragen hatte. 
Slaue Stunde õ DVon MAdolf Häger. 
Da bommt ein Sitronenfalter, 
Ein sonnentrunbener Sommervogel, 
Schwebt und schwebt 
UÜber dem goldenen Strauß 
zwei Spannen vor unsern Wimpern. 
Meines Kindes Augen staunen 
Das Wunderding an 
So nah, so groß und seltsam fremd! 
Und wie ich schaue und schaue, 
Ist's meine Seele! 
Die schwebt, ein trunkener Sommervogel, 
Uüber dem goldenen Strauß 
Dieser seligen Frühlingsstunde ... 
Mein Kindchen und ich, 
Wir liegen im silbernen Vorjahrsgraje, 
Das von tausend jungen Häimchen durchsprießt ijst. 
Slinzelnd liegen wir da, 
Hon junger Sonne ganz vollgesogen. 
Swei Spannen vor unseren lichtschweren Lidern 
Holdet ein Strauß von Anemonen und Himmelsschlüsseln. 
Ein Mässerlein singt sein silbernes Frühlingslied. 
Das Fink und Amsel vom Waldrand 
Mit hellen Cadenzen verzieren, 
Der Specht lacht klingend darein —: 
Du blaue Stunde! 
⸗ 
Aus alter Seit. 
Aus einer Dorfschronib. 
VDon A. Albrecht. 
Es ist schön, wenn die Eller erzählt von alten Seiten, was 
hre Großmutter einst zu berichten wußte von vbergangenen Tagen. 
Da hört jeder gern zu, und Leinem wird die Seit lang. Aber die 
erzählenden Großmütter sterben leider 
mmer mehr aus, und Lbeiner hat es 
aufgeschrieben, was er einst gehört. 
Darum geht vieles verloren, was 
uns Kunde geben böonnte von der Der⸗ 
gangenheit unserer Heimat. Schrijt- 
liche Nachrichten ũber unsere bleinen 
Dörfer aus alter Seit finden sich 
raum. Es ereignete sich ja nichts 
Besonderes, was des Aufschreibens 
wert gewesen wäre. Berũühmte 
Männer und Frauen, Kriegshelden 
vie Blücher, oder Gelehrte wie 
Luther, und Dichter wie Paul Gerhard 
oder Schiller sind auch nicht in unsern 
Oörfern geboren; deshalb hat die 
große Welt von uns beine Notiz 
jenommen. Troßdem wüßten wir 
gern auch von denen, die hier so 
gleichsam im Verborgenen gelebt 
haben, weil es ja unsere Däter waren 
uͤnd ihr Blut noch in unsern Adern 
sließt. Da werden uns die wenigen 
Zeugen, die von den vergangenen Geschlechtern und ihrem Leben 
unde geben, doppelt wertvoll, und wir sehen einmal alles, was 
uins umgibt, daraufhin an, ob es uns nicht etwas erzählt aus der 
Dergangenheit. Es gibt doch mancherlei, auf das man nur noch 
nicht so recht geachtet hat, weil einen noch beiner darauf aufmerk- 
jam gemacht.“ Da sind die Namen der Häuser und Fluren, die 
ins schon manches künden, was in beinem Buche geschrieben steht, 
Namen, deren Bedeutung man vielfach gar nicht mehr weiß und 
persteht. Es finden sich ja nicht mehr ũberall, wie in der Glasdelle 
die Glasscherben, Seugen, die uns den Namen erklären und seine 
KichtigbLeit beweisen. 
Wo die Schneidemũhle ist, das weiß jedes Beenhäuser 
Kind. Wer aber jetzt die Schneidemühle betritt, der jucht vergebens 
ach einem Mühlrad und einer Schneidjsäge; er sieht nur noch das 
Vaßer durch den ehemaligen Mühlgraben am Hause vorbeifließen. 
die Alten wisen noch, daß dieses Haus einst Glmühle gewesen 
st, in der sowohl die Bucheckern aus den umliegenden Wäldern 
als auch der Kaps, der früher auf 
unsern Ackern gezogen wurde, zu Gl 
und Glbuchen verarbeitet wurden. 
Dor zweihundert Jahren wurde dort 
auch noch Holz geschnitten, wobei 
es ohne Unfälle nicht abgegangen 
ijt. Im alten Totenbuch von Been— 
hausen steht: „Im Jahre 1136 am 
J. Juli ist Johann Henrich, Johann 
Hermann Hahns von Mühlbach 
Söhnlein, so auf hiesiger Schneide⸗- 
mũhle von einem Schneidglotz getötet 
worden, begraben worden, alt 11 Jahr 
weniger 3 Monathe.“ Der Namen 
Vl· und Schneidemühle ist haften 
geblieben und wird bleiben, wenn 
auch nichts mehr auf Beruf und 
Arbeit der früheren Bewohner hin⸗ 
weist und auch der Mũhlgraben noch 
perschwunden jein wird. 
Nicht weit von der Schneidemũhle 
Photoge. W. Muhr. liegt die Pulverwiese; die jahr⸗ 
hundertelang, bis zur Verkboppelung 
n Jahre 1912, zur Pfarrei gehörte. Nun haben die Beenhäuser 
ojarrer weder das Pulver erfunden, so bluge Leute auch manche 
on ihnen gewesen sind, noch haben sie auf ihrer mageren Pfrũünde 
as Pulvermachen als lohnenden Nebenverdienst betrieben, soweit 
e alten Schriften darüber Kunde geben. Auch hat wohl beine 
hulverfabrik dort einst geblũht oder ein Pulverturm dort gestanden, 
n dem man Pulver verwahrte; wohl aber ist die Wiese einst im 
Zesitz eines Pulvermachers gewesen. Wann er gelebt und wie 
r geheißen hat, wird sich nicht mehr feststellen lassen. In dem 
Kegister der heiligen Sinsen von Beenhausen vom Jahre 1685 
ehl. daß „Haus KRoßings Erben an ablößlichen Geltzinsjen 23 KRthle. 
Burg Hanstein.
	        
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