Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

jeinem Fensterchen und sagte mit einer jämmerlichen Stimme: 
„Meine liebe, gute Lore, ich kann ja nicht hinunterkommen, 
nan sieht ja im Schnee meine Spuren!“ Da lachte die 
Peinzessin, wie sie seit langer Seit nicht mehr gelacht hatte. 
Komm nur herunter, du Hasenfuß, du wirst schon sehen, 
wie wirs machen!“ Und da ließ sich denn der Eberhard am 
Seil hernieder. Ehe er aber die Füße auf die Erde setzte, 
schob Lore ihren Rücken hin und nahm den Eberhard hucke⸗ 
pack und trug ihn bis zu einem bleinen Gartenhäuschen. Da 
standen sie nun, unterhielten sich und redeten von ihrer Liebe. 
ind wie sie einst heiraten wollten. Lore dachte, der Eber- 
hard könne ganz gut König 
woerden, Eberhard aber meinte, 
Lore würde sich als Fleisch- 
hackersfrau auch ganz gut 
machen. Als sie ausgeschwatzt 
hatten, nahm Lore den Eber⸗ 
hard wieder auf den Rücken, 
trat sorgfältig in ihre Fußtapfen 
und krug ihn bis zu dem Seil. 
Da bonnte er denn ohne Not 
hinaufklettern und lachte und 
freute sich nachher in seiner 
Kammer über die Schlauheit 
seiner schönen Lore. 
An demselben Tage aber 
hatte die Kammerfrau argen 
Husten. Sie dachte: „Ach, 
ich gehe in den Kosengarten 
und klaube mir ein Händchen 
voll Isländisch Moos unter 
dem Schnee hervor und boche 
mir einen küchtigen Tee.“ 
Da sah sie auf einmal, wie der 
Eberhard am Seil herunter⸗ 
eletterte, wie Lore ihn hucke⸗ 
pack nahm und dann mit ihm 
im Gartenhäuschen stand und 
Zwiesprache hielt. Da wurde 
es ihr mit einem Male klar, 
warum die Lore in der letzten 
Zeit wieder so munter und 
fröhlich war, und sie lief, so 
schnell sie ihre alten Beine 
trugen, zum König. Sie hätte 
ihm die Neuigkeit gar zu gerne 
brühwarm gebracht, aber der 
König ließ sie nicht ein. 
Der Hofnarr hatte nämlich 
ein Eichhörnchen gefangen und 
zu allerhand lustigen Künsten 
abgerichtet; das führte er ge- 
rade dem König vor, und das war wichtiger als die Mär 
einer alten Frau. So mußte sie ihre Weisheit bis zum nächsten 
Tage behalten, stand aber schon in der Frühe auf und wartete 
zwei volle Stunden, ehe sie zum König bommen konnte. Der 
König empfing sie mit einem erstaunten Blick, als sie so geradezu 
heraussprudelke, was sich Furchtbares begeben habe. Dann 
aber sagte er: „Das muß ich einmal meinem Hofnarren jagen!“ 
lief fork und ließ sie stehen. Die Kammerfrau raufte ihre 
Haare. „Ja, ja, die WMannsleut, die sind noch jchlimmer 
wie die Weibsleut!“ sagte sie und bonnte sich nicht beruhigen. 
Da war aber der König auch schon wieder zurück und sagte: 
„Komm mit, ich will die Geschichte einmal ansehen!“ Sie 
stellten sch nun hinter ein Fenster. so daß sie von den Gar— 
inen ganz verdeckt wurden, und spannten, bis die Prinzessin 
n den Kosengarten ging. Dann schlupften sie hinterdrein. 
der König Lauerte sich hinter einen Baum, und die alte 
Zammerfrau kauerte sich hinter den anderen Baum. Der 
hofnarr aber verbroch sich im Gartenhäuschen hinter ein 
Zündel Erbsenstroh. Sie brauchten nicht lange zu lauern. 
Das Turmfensterchen klirete, das Seil wurde herunterge— 
afjen, Eberhard kletterte hernieder, und Lore trug ihn hucke- 
äck ins Gartenhäuschen. Da trat der König zornig hinter 
einem Baum hervor, ging geradeswegs auf Eberhard los 
ind sagte: „Aha, mein Bürschlein, da hätten wir dich jal“ 
Eberhard sah nur seine Lore 
an, und als er merbte, daß 
ihre Augen tapfer leuchteten, 
da sagte er beck: „Ja, lieber 
Dater, da hättest du mich!“ 
und machte die Arme weit, 
als wolle er den König um— 
armen. Der Hofnarr hatte das 
gesehen, sprang hinter seinem 
Erbsenstrohbündel heraus, gab 
Eberhard einen Schupps und 
bums, flog er dem König 
gerade um den Hals. Da 
prang auch die Lore fix zu und 
drückte ihren Dater so lieb, daß 
der sich der beiden gar nicht 
erwehren bonnte. Er rief nur 
mmerzu: „Seid doch einmal 
»ernünftig, ihr Kindsköpfe! 
Seid doch einmal vernünftigl“ 
Da sagte der Hofnarr: „Herr 
König, sagt Ja und Amen, 
dann ist die ganze Geschichte 
im Lot!“ Die alte Kammer— 
srau bam hustend herbeige- 
reucht: „Herr Königl Herr 
Königl!“ schrĩe sie, „Ihr werdet 
»och Eure einzige Tochter 
nicht einem Fleischhackerbuben 
geben?“ Das gab dem König 
zinen argen Stoß. Er machte 
sich frei, zog ein sehr, sehr 
eenstes Gesicht und sagte: 
Lore, sag einmal, willst du 
virklich Frau Fleischhackerin 
vperden?“ Lore neigte ihr 
Köpfchen und flüsterte: „Da⸗ 
ter, ich will den Eberhard 
zum Mann. Was er ist und 
treibt, das soll mir ganz 
einerlei sein. Sag einmal, 
vas hätte ich von der schönsten Krone und von dem herr— 
ichsten Prinzen, wenn ich ihn nicht lieb haben Lönnte?“ Da 
ickte der Hofnarr und sagte: „Herr König, Eure Tochter 
at recht!“ Die alte Kammerfrau aber schrie: „Die Prinzessin 
st krank, Herr König, die Prinzessin ist Lrank! Sie redet 
m Fieber!“ Da lachte Eberhard so herzhaft heraus, daß 
ruch der König lachen mußte, und sagte: „Nein, liebe, alte 
Mummelmusche, diesmal brauchen wir kbeinen Hofarzt, dies 
nal brauchen wir den Pfarrer.“ And er steckte die beiden 
finger in den Mund und pfiff einen hellen lauten Pfiff. 
Da kam ein Kammerdiener angerannt und fragte nach des 
Zönigs Begehr. Der König sagte: „Hole mir schnell den 
ZoerrR Oborbofprediger.“ Dor Diener eilte fort. der König 
α (SCE CDOCOCACOCC... 
Forsthaus Heide im Habichtswald 
Von Heinrich Ruppel. 
Wo sich Halm und Holz berühren, 
Waldesgrün und Ahrengold, 
Wo die Pfade bergwärts führen, 
Auf der Halde, blumenhold, 
Unter winddurchrauschten Kronen 
Muß des Waldes Heger wohnen. 
Sonne, Nebel, Stürme, Sterne, 
Heide, Fels, des Wildes Bahn, 
Wunderwelt in Näh' und Ferne 
Ist den Sinnen aufgetan. 
Und die Einsambkeit singt leise 
Ihre dunkle Märchenweise. 
ü
	        
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