Lamen ums Leében oder flüchteten für immer aus der Staͤdt, in
der niemals Friede und Wohlleben einbehren Lonnten, solange
hochoben auf stolzem Gipfel die Burg eine bedeutende Kolse zu
spielen vermochte. Später, als die alten Schutzmauern Hombergs
ihren Sweck nicht mehr erfüllen Lonnten, bot sich vor den Toren
zine weit günstigere Siedlungsmöglichkeit und vor allen Dingen
Eillbogenfreiheit, wie sie einer geregelten Bewirtschaftung der
Ländereien zugute Lommen mußte.
Tun wir heute noch einen Blick in die Pfarrstraße (Abb. 4),
und zwar auf eine Gruppe allerliebster, zum Teil mit Schindeln
bekleideter Häuschen hinter der Kirche. So wie sie sind, möchte
man sie hinter dem Vorhang einer größeren Bühneé aufstellen,
eh für das nächtliche Straßenbild vor Gretchens Türe im
„Faust I“. —
Ganz geheuer ist's übeigens in diesem äußerst idyllischen Klein-
tadtwinkel nicht. Noch heute soll in mitternächtlicher Stunde,
venn der Sturmwind um Tuem und Giebel pfeift, in einem
er alten Gebäude eine grau verhüllte Frau im Treppenhaus
uhelos umherwandern. Türen werden aufgestoßen und geräusch—
oll wieder zugeschlagen. Den eigentlichen Grund für die
nächtlichen Wanderungen weiß jedoch niemand recht anzugeben.
Sönnen wir dem ruhelosen Geist sein harmloses Vergnügen. Es
n halt jeder versuchen, nach seiner eigenen Fasson selig zu
verden.
VDom Pulsschlag der Heimat.
Die Sage vom Goldberg.
Auf der linben Seite des Goldbergs ist oder war eine Mulde;
dort liegt der Goldbessel begraben, mit Goldstücken gefüllt bis zum
Kand. Einmal im Jähre bänn man ihn sehen, in der Walpurgis-
nacht, wenn die Kobolde, die den Kessel bewachen, und alles andere
unholde Hexenvolk nach dem Blocksberg ziehen, zwischen elf und
zwölf, in der Geisterstunde. Das ist auch die Stunde, in der er
gehoben werden bann. Aber die ihn heben wollen, starbe Männer
mühsens sein, handfest und herzhaft; denn der Kesjel ist schwer, und
der, Böse hat in jener Nacht die Wacht, und der läßt das Gold
so leicht nicht holen. Und sprechen dürfen sie Lein Wort, wenn
auch noch so heimlich und leis — sonst ist's geschehen , und der
Kessel vorschwindet in der Tiefe. — Einmal haben's Drei gewagt,
aber dann niemand mehr, nicht um die Welti —
Also die Drei, urwüchsige Mardorfer, handfeste, verwegene
Goesellen, machen sich in der Geisternacht auf zum Goldberg, mit
starben Steicken versehen, beiner speicht ein Wort. Schlag elf
treten sie an den Rand der Mulde. vVor ihnen liegt ein offener
Schacht und darin in mäßiger Tiefe der Kessel voll gleißenden
Goldes. Das Fieber erfaßk sie; sie zittern vor Erregung. Mit
den Nugen sich verständigend wird einer in die Tiefe gelassen;
der bnüpft die Seile an die Gsen des Kessels und wired herauf⸗
gezogen. Und nun gilt's zu heben aus Leibesbräften, denn
das Gold ist schwer, sehr schwer. Auf das Kommando der
Augen ziehen sie an; der Kessel bewegt —
die Arme krachen, und der Schweiß tritt ihnen auf die Stiene.
Da verbriecht sich der Mond, und es umgibt sie rabenschwarze
Nacht. — Was ist das? Ein jäher Windstoß fährt in den
nahen Tann und reißt den nächsten Baum um, daß er mit
furchtbarer Wucht niedersaust, hart an den entsetzten Männern
vorbei. Ein wütender Sturm rast durch den Wald mit Wimmern,
Pfeifen und Heulen, als sei die Hölle mit allen Teufeln los, und
dazwischen das Krachen der stürzenden Foöhren“! Die Orei stehen
starr, der Schrecken hat sie gelähmt, und der Kessel zittert
und schwebt über der Tiefe; fast bönnen sie das Gold mit den
Händen reichen. Sie raffen den letzten Kest von Kraft und
Mut zusammen und ziehen wieder; merblich bewegt sich der Kessel.
— Da kommt den Weg herab, gerade auf die Mäuner los, ein
riesiges Fuder Heu angefahren, haushoch, schief geladen und
schwankend — und wie es, die Männer fast streifend, vorbeizieht,
senbt sich'ss oben über, alle zu begraben. Diejen steht der Atem
still, sie stieren sich an in Todesangst, und der eine läßt iocher. „Halt
fest!“ flüstert ihm der andere zu, nicht wissend, was er tut. —
Da fährt ein DVonner durch den Berg, der Kessel ist in die Tiefe
gestürzt, und die Drei halten die leeren Stricke in Händen. —
Der Wagen ist verschwunden, der Sturm hat sich gelegt, und der
helle Mond steht am Himmel. Schick.
* —2 —711 —2
„SHölle“ und „Heilige“.
VDor vielen, vielen Jahren war ein Mann aus Mühlhausen
auf dir Schofhängel (auf den Schafhändeln) gewesen. Ails er auf
dem Heimwege Caßdorf erreicht hatte, brach die Nacht herein.
Es war so eine richtige Frühjahrsnacht mit Sturm und Kegen,
und dunbel war's wie im Sach.
Der Bauersmann überlegte: „Geh' ich am rechten Efzeufer
hinunter oder am linlen? Kechts hab' ich besser gehen, beieg' aber
bei dem Hochwasser vor dem Dorf nasse Füße.Links behalt' ich
krockene Füße, muß aber gehörig auf den Weg aufpassen“.
Er stieß seinen Stachelstock in die Erde, stopfte seine Pfeije
neu und schlug Feuer. Als der erste Tababsrauch hervorquoil,
*) Die Sage habe ich inhaltstreu wiedergegeben, wie ich sie als Knabe von
ilteren Leuten in Mardorf, die längstens kot sind, gehört habe.
var er mit sich im reinen: „Ich gehe links runter. BSin schon
nehr als einmal bei Nacht dahergegangen!“ Sprach's, zog seine
„childkappe fester über die Ohren und stapfte los.
Zuerst ging's noch leidlich. Bald aber war's so arg, daß er
n den Bart brummte: „Ich wolltke, ich wäre bei meiner Alten!“
VDon einem ordentlichen Wege war beine KRede. Durch Wald
uind Trift ging der gewundene Pfad. Nun muß ich mich links
alten sonst gerate ich in den Sumpf am Wahsser!“ Langsam tappte
er weiter.
„Donnerlettee! Verdammter Baum ...!“
Funben sprühten ihm aus den NAugen; die Kappe lag irgend⸗
wo im Dunkel.
Na, sie fand sich dann wieder und weiter ging's. Der Regen
trätschte“ nur so herunter. Der Sturm zauste die Kronen der
alten Eichen, daß sie ächzten und stöhnten. Alle seine Sünden
iielen dem einsamen Wanderer bei diesem Wetter ein. So war
r endlich mit Mühe und Not dahin gekommen, wo jetzt „Piffersch
Mäldchen“ am Hange sich hinzieht.
„Wenn mire jetzt in der „Hölle“ der Böse selber begegnete,
ollte mich's nicht wundern“, ging's ihm durch den Kopf.
Doch was war das? Feuerschein! Jetzt hatte er die Stelle
*xreicht. Anter einem knorrigen Weidenstumpfe glomm ein dürftiges
feuerchen. Dabei stand ein bleiner Mann nt bohlschwarzem
Bart. Ein Kapuzenmantel hüllte ihn ein. Unserm Freunde war's
»och wunderlich zu Mute, als ihn der Kleine schaef betrachtete,
»hne sich vom Feuͤer zu entfernen, über das er seine Hände hielt.
„Wo willst du hin, runter oder rauf?“ fragte der Swerg mit
rächzender Stimme.
„Kunter!“ entgegnete der Gefragte und zeigte mit seinem
Stock nach Mühlhausen hin.
„Dann viel Glück!“ murmelte der kleine Mann höhnisch und
eachtete den andern nicht mehr.
Kopfschüttelnd machte sich unser Mühlhäuser wieder auf den
Veg. VBas Anwetter tobte weiter. Baid streifte der Kittel an
Tannenzweigen her.
„Hier muß die „Hölle“ anfangen!“ Da — schon wieder ein
dicht! Aber diesmal ein merkwürdiges: seltsam blau und gelb
semischt. Waren das nicht Stimmen, die dort aus dem Tannen—
ickicht herüberklangen? Wahrhaftig! —
Dem Lauschenden standen alle Haare bolzengerade. Das
derz blopfte unterm blauen Kittel wie Lräftig gehandhabte Dresch-
egel auf der Tenne beim „Sechstenschlag“. Denn das war ihm
etzt blar: hier hielt der Teufel Hof, und alle feine Helfershelfer
varen um ihn versammelt.
Grinsend hörte der Böse gerade den Bericht eines gehörnten
Senossen an, der mit rostig klingender Stimme meldete Dem
ilten George seine Seele bannst du in drei Tagen in Empfang
iehmen. Bis dahin hat ihm der liebe Schnaps übergeholfen?“.
Während johlender Beifall der unsauberen Gesellschaft erscholl,
annte unser zu Tode erschrochkener Bauersmann zurück. Daß
er im Buschwerb erst die Mütze und dann die Pfeife verlor, merkte
zr nicht. Dorngestrüpp zerriß ihm Gesicht uͤnd Hände, einerlei:
ort! nur fort! Atemlos hielt er endlich an.
Da — stand dort nicht wieder der bleine Mann? „Wärst du
inauf gegangen, wär dir das nicht begegnet. Aber ihr Menschen
eid ja zehnmal gescheiter als wir!“ so dnurrte der Swoerg, indes
r mit dem burzen Arm nach der Höhe zeigte. Sprach's und war
erschwunden samt dem Feuer.
Ohne recht zu wissen, was er tat, folgte der Ermattete dem
Vinb. Allmählich lichtete sich der Wald. Der Kegen ließ immer
nehr nach. Sterne blinbten hervor. Der Sturm erstarb. Langsam
vanderte unser Freund weiter. Bald fand er sich auch zurecht:
berhalb der „Hölle“ war er jetzt, an der Stelle, die noch heute
ie „Heilige“ heißt. Da stand ja auch der mächtige Baum der
im Tage von weither zu sehen war