Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Lamen ums Leében oder flüchteten für immer aus der Staͤdt, in 
der niemals Friede und Wohlleben einbehren Lonnten, solange 
hochoben auf stolzem Gipfel die Burg eine bedeutende Kolse zu 
spielen vermochte. Später, als die alten Schutzmauern Hombergs 
ihren Sweck nicht mehr erfüllen Lonnten, bot sich vor den Toren 
zine weit günstigere Siedlungsmöglichkeit und vor allen Dingen 
Eillbogenfreiheit, wie sie einer geregelten Bewirtschaftung der 
Ländereien zugute Lommen mußte. 
Tun wir heute noch einen Blick in die Pfarrstraße (Abb. 4), 
und zwar auf eine Gruppe allerliebster, zum Teil mit Schindeln 
bekleideter Häuschen hinter der Kirche. So wie sie sind, möchte 
man sie hinter dem Vorhang einer größeren Bühneé aufstellen, 
eh für das nächtliche Straßenbild vor Gretchens Türe im 
„Faust I“. — 
Ganz geheuer ist's übeigens in diesem äußerst idyllischen Klein- 
tadtwinkel nicht. Noch heute soll in mitternächtlicher Stunde, 
venn der Sturmwind um Tuem und Giebel pfeift, in einem 
er alten Gebäude eine grau verhüllte Frau im Treppenhaus 
uhelos umherwandern. Türen werden aufgestoßen und geräusch— 
oll wieder zugeschlagen. Den eigentlichen Grund für die 
nächtlichen Wanderungen weiß jedoch niemand recht anzugeben. 
Sönnen wir dem ruhelosen Geist sein harmloses Vergnügen. Es 
n halt jeder versuchen, nach seiner eigenen Fasson selig zu 
verden. 
VDom Pulsschlag der Heimat. 
Die Sage vom Goldberg. 
Auf der linben Seite des Goldbergs ist oder war eine Mulde; 
dort liegt der Goldbessel begraben, mit Goldstücken gefüllt bis zum 
Kand. Einmal im Jähre bänn man ihn sehen, in der Walpurgis- 
nacht, wenn die Kobolde, die den Kessel bewachen, und alles andere 
unholde Hexenvolk nach dem Blocksberg ziehen, zwischen elf und 
zwölf, in der Geisterstunde. Das ist auch die Stunde, in der er 
gehoben werden bann. Aber die ihn heben wollen, starbe Männer 
mühsens sein, handfest und herzhaft; denn der Kesjel ist schwer, und 
der, Böse hat in jener Nacht die Wacht, und der läßt das Gold 
so leicht nicht holen. Und sprechen dürfen sie Lein Wort, wenn 
auch noch so heimlich und leis — sonst ist's geschehen , und der 
Kessel vorschwindet in der Tiefe. — Einmal haben's Drei gewagt, 
aber dann niemand mehr, nicht um die Welti — 
Also die Drei, urwüchsige Mardorfer, handfeste, verwegene 
Goesellen, machen sich in der Geisternacht auf zum Goldberg, mit 
starben Steicken versehen, beiner speicht ein Wort. Schlag elf 
treten sie an den Rand der Mulde. vVor ihnen liegt ein offener 
Schacht und darin in mäßiger Tiefe der Kessel voll gleißenden 
Goldes. Das Fieber erfaßk sie; sie zittern vor Erregung. Mit 
den Nugen sich verständigend wird einer in die Tiefe gelassen; 
der bnüpft die Seile an die Gsen des Kessels und wired herauf⸗ 
gezogen. Und nun gilt's zu heben aus Leibesbräften, denn 
das Gold ist schwer, sehr schwer. Auf das Kommando der 
Augen ziehen sie an; der Kessel bewegt — 
die Arme krachen, und der Schweiß tritt ihnen auf die Stiene. 
Da verbriecht sich der Mond, und es umgibt sie rabenschwarze 
Nacht. — Was ist das? Ein jäher Windstoß fährt in den 
nahen Tann und reißt den nächsten Baum um, daß er mit 
furchtbarer Wucht niedersaust, hart an den entsetzten Männern 
vorbei. Ein wütender Sturm rast durch den Wald mit Wimmern, 
Pfeifen und Heulen, als sei die Hölle mit allen Teufeln los, und 
dazwischen das Krachen der stürzenden Foöhren“! Die Orei stehen 
starr, der Schrecken hat sie gelähmt, und der Kessel zittert 
und schwebt über der Tiefe; fast bönnen sie das Gold mit den 
Händen reichen. Sie raffen den letzten Kest von Kraft und 
Mut zusammen und ziehen wieder; merblich bewegt sich der Kessel. 
— Da kommt den Weg herab, gerade auf die Mäuner los, ein 
riesiges Fuder Heu angefahren, haushoch, schief geladen und 
schwankend — und wie es, die Männer fast streifend, vorbeizieht, 
senbt sich'ss oben über, alle zu begraben. Diejen steht der Atem 
still, sie stieren sich an in Todesangst, und der eine läßt iocher. „Halt 
fest!“ flüstert ihm der andere zu, nicht wissend, was er tut. — 
Da fährt ein DVonner durch den Berg, der Kessel ist in die Tiefe 
gestürzt, und die Drei halten die leeren Stricke in Händen. — 
Der Wagen ist verschwunden, der Sturm hat sich gelegt, und der 
helle Mond steht am Himmel. Schick. 
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„SHölle“ und „Heilige“. 
VDor vielen, vielen Jahren war ein Mann aus Mühlhausen 
auf dir Schofhängel (auf den Schafhändeln) gewesen. Ails er auf 
dem Heimwege Caßdorf erreicht hatte, brach die Nacht herein. 
Es war so eine richtige Frühjahrsnacht mit Sturm und Kegen, 
und dunbel war's wie im Sach. 
Der Bauersmann überlegte: „Geh' ich am rechten Efzeufer 
hinunter oder am linlen? Kechts hab' ich besser gehen, beieg' aber 
bei dem Hochwasser vor dem Dorf nasse Füße.Links behalt' ich 
krockene Füße, muß aber gehörig auf den Weg aufpassen“. 
Er stieß seinen Stachelstock in die Erde, stopfte seine Pfeije 
neu und schlug Feuer. Als der erste Tababsrauch hervorquoil, 
*) Die Sage habe ich inhaltstreu wiedergegeben, wie ich sie als Knabe von 
ilteren Leuten in Mardorf, die längstens kot sind, gehört habe. 
var er mit sich im reinen: „Ich gehe links runter. BSin schon 
nehr als einmal bei Nacht dahergegangen!“ Sprach's, zog seine 
„childkappe fester über die Ohren und stapfte los. 
Zuerst ging's noch leidlich. Bald aber war's so arg, daß er 
n den Bart brummte: „Ich wolltke, ich wäre bei meiner Alten!“ 
VDon einem ordentlichen Wege war beine KRede. Durch Wald 
uind Trift ging der gewundene Pfad. Nun muß ich mich links 
alten sonst gerate ich in den Sumpf am Wahsser!“ Langsam tappte 
er weiter. 
„Donnerlettee! Verdammter Baum ...!“ 
Funben sprühten ihm aus den NAugen; die Kappe lag irgend⸗ 
wo im Dunkel. 
Na, sie fand sich dann wieder und weiter ging's. Der Regen 
trätschte“ nur so herunter. Der Sturm zauste die Kronen der 
alten Eichen, daß sie ächzten und stöhnten. Alle seine Sünden 
iielen dem einsamen Wanderer bei diesem Wetter ein. So war 
r endlich mit Mühe und Not dahin gekommen, wo jetzt „Piffersch 
Mäldchen“ am Hange sich hinzieht. 
„Wenn mire jetzt in der „Hölle“ der Böse selber begegnete, 
ollte mich's nicht wundern“, ging's ihm durch den Kopf. 
Doch was war das? Feuerschein! Jetzt hatte er die Stelle 
*xreicht. Anter einem knorrigen Weidenstumpfe glomm ein dürftiges 
feuerchen. Dabei stand ein bleiner Mann nt bohlschwarzem 
Bart. Ein Kapuzenmantel hüllte ihn ein. Unserm Freunde war's 
»och wunderlich zu Mute, als ihn der Kleine schaef betrachtete, 
»hne sich vom Feuͤer zu entfernen, über das er seine Hände hielt. 
„Wo willst du hin, runter oder rauf?“ fragte der Swerg mit 
rächzender Stimme. 
„Kunter!“ entgegnete der Gefragte und zeigte mit seinem 
Stock nach Mühlhausen hin. 
„Dann viel Glück!“ murmelte der kleine Mann höhnisch und 
eachtete den andern nicht mehr. 
Kopfschüttelnd machte sich unser Mühlhäuser wieder auf den 
Veg. VBas Anwetter tobte weiter. Baid streifte der Kittel an 
Tannenzweigen her. 
„Hier muß die „Hölle“ anfangen!“ Da — schon wieder ein 
dicht! Aber diesmal ein merkwürdiges: seltsam blau und gelb 
semischt. Waren das nicht Stimmen, die dort aus dem Tannen— 
ickicht herüberklangen? Wahrhaftig! — 
Dem Lauschenden standen alle Haare bolzengerade. Das 
derz blopfte unterm blauen Kittel wie Lräftig gehandhabte Dresch- 
egel auf der Tenne beim „Sechstenschlag“. Denn das war ihm 
etzt blar: hier hielt der Teufel Hof, und alle feine Helfershelfer 
varen um ihn versammelt. 
Grinsend hörte der Böse gerade den Bericht eines gehörnten 
Senossen an, der mit rostig klingender Stimme meldete Dem 
ilten George seine Seele bannst du in drei Tagen in Empfang 
iehmen. Bis dahin hat ihm der liebe Schnaps übergeholfen?“. 
Während johlender Beifall der unsauberen Gesellschaft erscholl, 
annte unser zu Tode erschrochkener Bauersmann zurück. Daß 
er im Buschwerb erst die Mütze und dann die Pfeife verlor, merkte 
zr nicht. Dorngestrüpp zerriß ihm Gesicht uͤnd Hände, einerlei: 
ort! nur fort! Atemlos hielt er endlich an. 
Da — stand dort nicht wieder der bleine Mann? „Wärst du 
inauf gegangen, wär dir das nicht begegnet. Aber ihr Menschen 
eid ja zehnmal gescheiter als wir!“ so dnurrte der Swoerg, indes 
r mit dem burzen Arm nach der Höhe zeigte. Sprach's und war 
erschwunden samt dem Feuer. 
Ohne recht zu wissen, was er tat, folgte der Ermattete dem 
Vinb. Allmählich lichtete sich der Wald. Der Kegen ließ immer 
nehr nach. Sterne blinbten hervor. Der Sturm erstarb. Langsam 
vanderte unser Freund weiter. Bald fand er sich auch zurecht: 
berhalb der „Hölle“ war er jetzt, an der Stelle, die noch heute 
ie „Heilige“ heißt. Da stand ja auch der mächtige Baum der 
im Tage von weither zu sehen war
	        
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