war das eine schöne Abwechselung. Ihre Hände wurden
allerdings schrundig, schwielig und rot und rauh, und abends
war sie so müde, daß sie noch kein einzigesmal auch am
Abend bei dem Küchengesinde geblieben war. Daß sie
ursprünglich dem Sänger zuliebe sich der Küchenarbeit zuge⸗
wendet hattke, war ihr ganz und gar aus dem Sinn gekommen.
Da sah sie eines Tages auf dem Boden ein silbernes Kettchen
liegen. Sie hob es auf und fragte alle Küchenmägde, wer
es verloren habe. Da sagte Elsabeth, das habe sich gestern
beim Tanzen gelöst, und dabei lachte sie so verschmitzt, daß
Lore es nicht lassen konnte, sie heimlich auszuhorchen. Da
erzählte denn Elsabeth, daß der Fischheiner ihr Schatz sei
und ihr das Kettlein bei einem heimlichen Kuß entrissen
und dann wohl verloren habe. Der Prinzessin wurde warm
und kalt, als sie die Elsabeth so reden hörte, und fragte:
„Wer macht Euch denn die Musik zum Tanze?“ Da schaute
Elsabeth die Prinzessin mit großen Augen an: „Ei, weißt
du das denn micht, Lore? Die macht doch der Fleischhacker,
der Eberhard!“ And sie deutete ganz leicht mit ihrer Hand
auf Eberhard, der fröhlich an seiner Arbeit war. Da schaute
die Prinzessin den Eberhard an, sah, daß er ein schöner
Bursche war, und fragte so leichthin: „Hat der Eberhard
auch schon eine von euch als Schatz?“ Elsabeth lachte:
„Nein, dem ist ja beine schaffig genug; der sucht eine Frau,
die recht tüchtig arbeiten kann, und wir Küchenmägde haben
die Arbeit nur gern, wenn sie ein anderer geschafft hat.“
Da lachte die Prinzessin und ging an ihre Nrbeit. Als
nun der Koch zur ihr sagte, sie solle ein bißchen verschnaufen,
da ging sie in der Küche herum von dem zu jenem und
sprach hier ein Wort und da eins. And dann ging sie auch
zu dem Eberhard und sah ihm ernsthaft bei seiner Arbeit
zu. Der Eberhard beinte gerade einen Schinben aus, und
die Arbeit ging ihm von der Hand, daß es eine Lust war,
zuzuschauen. Eberhard war in jeine Arbeit vertieft, wie das
ein Mensch, der eine Sache richtig schaffen will, schon sein
muß. Als er auf einmal die Stimme der Prinzessin hörte,
schaute er erschrocken auf und sagte auf ihre Frage: „Gnädigste
Prinzessin, das gibt Rollschinkenl!“ Da hob die XL
scherzhaft drohend den Zeigesinger und sagte leise: „Eber⸗
hardchen, Eberhardchen, du hast mich Prinzejsin genannt
uͤnd nicht Lore, nun komm' ich dir auf den Kopfl“
Eberhard beugte sein Haupt, hob seine lachenden, braunen
Augen zur Prinzessin und sagte: „Lore, wenn du ein echtes,
rechtes Küchenmädchen wärest, dann dürftest du mir auf den
Kopf kommen, und ich wollte dir dafür einen Kuß auf deinen
roten Mund geben.“ Die Prinzessin lachte hell heraus:
„Eberhard, was du für Augen machst, und wie unverschãmt
du mit mir, der Prinzessin, redestl“ Eberhard schaute der
Prinzejsin sest in die Augen: „Nun hast du dich Prinzessin
genannt, nun werde ich dir deinen Dater auf den Hals
schicken. weil du mit einem armen Fleischhackerbuben deinen
Anfug treiben willstl“ Da drehte sich die Prinzessin wie
in Wirbelwind auf dem Absatz herum und sagte: „Heute
ibend bleibe ich in der Küche, dann hole deine Laute, spiele
nir ein Lied, und alles soll verziehen sein!“ Da sagte
fẽberhard leise und bestimmt: „Für jedes Lied einen Kuß,
dore, dann soll alles verziehen und vergessen jein!“ „Auch
ergessen?“ lachte die Prinzessin und war wie ein
Husch weg.
Am Abend war in der Küche ein Trubel wie nie.
ẽberhard war so singerig aufgelegt und hatte immer neue
Ztũcklein parat. Und immer zählte er sie und rief mit lauter,
bermütiger Stimme: „Das neunte Lied!“ oder: „Das
wanzigste Liedl“ Die Prinzessin aber wurde immer stiller
ind immer stiller, denn sie bekam Angst vor so vielen Küssen
ind dachte, am nächsten Morgen kbönne es jeder von ihren
dippen ablesen, wie sehr sie der Eberhard gebüßt habe.
Um Mitternacht trennte sich die lustige Gesellschaft. Leise
sing die Prinzessin die Treppe hinauf. Da hörte sie hinter
ich einen Schritt. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen
ind flüsterte: „Eberhard, bist du das?“ Ein Schatten huschte
‚eran und sagte: „Lore, bist du das?“ Da sagte die Prinzessin
janz leise: „Jal“ Dabei aber zitterte und bebte sie jo, daß
fẽberhard ihre Angst wohl merkte. And weil er ein ordent⸗
icher Kerl war, sagte er: „Lore, du brauchst Leine Angst
zu haben; wenn du meine Küsse nicht haben willst, dann
Jehe ich wieder still fort und schweige still über unser gegen-
eitiges Ausmachen.“
Nun merbte die Prinzessin, daß Eberhards Stimme
itterte, sie fühlte auf einmal auf ihrer Hand einen heißen,
euchten Tropfen und bekam Mitleid mit dem jchönen Buben,
der da so jammervoll weinte. Sie schlang ihren Arm um
xẽ4erhards Nacken und sagte: „Komm, Eberhard, büjse
nichl“ Da neigte sich Eberhard mit seinem Munde auf
hre Hand und küßte sie lange und innig. Lore aber zog
lötzlich die Hand zurück, verhüllte ihr Angesicht und weinte.
Da fragte sie Eberhard leise: „Ei, Lore, warum weinst du
enn?“ And auf, einmal kam es, daß ihr Kopf an seiner
Zrust lag, er küßte ihre Stirn, dann ihre Augen und zuletzt
hren roten Mund. Lore aber gab die Küsse sorgfältig und
ichtig zurück und blieb dem Eberhard keinen einzigen
chuldig. Da schlug auf einmal irgendwo eine Ahr, Lore
uhr erschrocken zusjammen, gab Eberhard noch einen letzten,
angen Kuß und war huschl! huschl in ihrem Simmer ver—⸗
Hwunden. Als sie in ihrem Bette lag, seufzte sie so kief und
hwer, daß die alte Kammerfrau wach wurde und mit
chläferiger Stimme fragte: „Prinzessin, was ist? Seid Ihr
rank geworden?“ Da kicherte Lore in die Kissen: „Ja, alte
Mummelmusche, ich bin herzkrank, ich bin eberhardkrank,
ch bin fleischhackerbubenkrankl“ And sie Luschelte sich be⸗
zaglich in ihre Kissen und schlief fröhlich und jelig bis zum
ellen Tag. Schluß folgt.)
Das Volkslied õ Von Sophie Nebel von Türkheim.
Es war einmal vor grauer Seit,
Der Königsohn büßte die BSettelmaid,
Da blangen alle Bronnen.
Das hat der Wanderwind erlauscht
Und hat die Weise nachgerauscht
Liedselig und versonnen.
Des Weges bam ein brauner Knab',
Sein Hab' und Gut ein Wanderstab:
Der sang mit hellem Munde.
Was Born und Wanderwind gewußt
Aus bannerlöster Spielmannsbrust,
And heilig war die Stunde.
Vildrosen, Myrten, Abelei,
Keseden, Nelken, auch dabei
Ein Swoeiglein von Sypressen,
Hab er dem Liedlein mit als Strauß —
Nun wandert's ktraut von Haus zu Haus,
And keiner Lann's vergessen.