Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

war das eine schöne Abwechselung. Ihre Hände wurden 
allerdings schrundig, schwielig und rot und rauh, und abends 
war sie so müde, daß sie noch kein einzigesmal auch am 
Abend bei dem Küchengesinde geblieben war. Daß sie 
ursprünglich dem Sänger zuliebe sich der Küchenarbeit zuge⸗ 
wendet hattke, war ihr ganz und gar aus dem Sinn gekommen. 
Da sah sie eines Tages auf dem Boden ein silbernes Kettchen 
liegen. Sie hob es auf und fragte alle Küchenmägde, wer 
es verloren habe. Da sagte Elsabeth, das habe sich gestern 
beim Tanzen gelöst, und dabei lachte sie so verschmitzt, daß 
Lore es nicht lassen konnte, sie heimlich auszuhorchen. Da 
erzählte denn Elsabeth, daß der Fischheiner ihr Schatz sei 
und ihr das Kettlein bei einem heimlichen Kuß entrissen 
und dann wohl verloren habe. Der Prinzessin wurde warm 
und kalt, als sie die Elsabeth so reden hörte, und fragte: 
„Wer macht Euch denn die Musik zum Tanze?“ Da schaute 
Elsabeth die Prinzessin mit großen Augen an: „Ei, weißt 
du das denn micht, Lore? Die macht doch der Fleischhacker, 
der Eberhard!“ And sie deutete ganz leicht mit ihrer Hand 
auf Eberhard, der fröhlich an seiner Arbeit war. Da schaute 
die Prinzessin den Eberhard an, sah, daß er ein schöner 
Bursche war, und fragte so leichthin: „Hat der Eberhard 
auch schon eine von euch als Schatz?“ Elsabeth lachte: 
„Nein, dem ist ja beine schaffig genug; der sucht eine Frau, 
die recht tüchtig arbeiten kann, und wir Küchenmägde haben 
die Arbeit nur gern, wenn sie ein anderer geschafft hat.“ 
Da lachte die Prinzessin und ging an ihre Nrbeit. Als 
nun der Koch zur ihr sagte, sie solle ein bißchen verschnaufen, 
da ging sie in der Küche herum von dem zu jenem und 
sprach hier ein Wort und da eins. And dann ging sie auch 
zu dem Eberhard und sah ihm ernsthaft bei seiner Arbeit 
zu. Der Eberhard beinte gerade einen Schinben aus, und 
die Arbeit ging ihm von der Hand, daß es eine Lust war, 
zuzuschauen. Eberhard war in jeine Arbeit vertieft, wie das 
ein Mensch, der eine Sache richtig schaffen will, schon sein 
muß. Als er auf einmal die Stimme der Prinzessin hörte, 
schaute er erschrocken auf und sagte auf ihre Frage: „Gnädigste 
Prinzessin, das gibt Rollschinkenl!“ Da hob die XL 
scherzhaft drohend den Zeigesinger und sagte leise: „Eber⸗ 
hardchen, Eberhardchen, du hast mich Prinzejsin genannt 
uͤnd nicht Lore, nun komm' ich dir auf den Kopfl“ 
Eberhard beugte sein Haupt, hob seine lachenden, braunen 
Augen zur Prinzessin und sagte: „Lore, wenn du ein echtes, 
rechtes Küchenmädchen wärest, dann dürftest du mir auf den 
Kopf kommen, und ich wollte dir dafür einen Kuß auf deinen 
roten Mund geben.“ Die Prinzessin lachte hell heraus: 
„Eberhard, was du für Augen machst, und wie unverschãmt 
du mit mir, der Prinzessin, redestl“ Eberhard schaute der 
Prinzejsin sest in die Augen: „Nun hast du dich Prinzessin 
genannt, nun werde ich dir deinen Dater auf den Hals 
schicken. weil du mit einem armen Fleischhackerbuben deinen 
Anfug treiben willstl“ Da drehte sich die Prinzessin wie 
in Wirbelwind auf dem Absatz herum und sagte: „Heute 
ibend bleibe ich in der Küche, dann hole deine Laute, spiele 
nir ein Lied, und alles soll verziehen sein!“ Da sagte 
fẽberhard leise und bestimmt: „Für jedes Lied einen Kuß, 
dore, dann soll alles verziehen und vergessen jein!“ „Auch 
ergessen?“ lachte die Prinzessin und war wie ein 
Husch weg. 
Am Abend war in der Küche ein Trubel wie nie. 
ẽberhard war so singerig aufgelegt und hatte immer neue 
Ztũcklein parat. Und immer zählte er sie und rief mit lauter, 
bermütiger Stimme: „Das neunte Lied!“ oder: „Das 
wanzigste Liedl“ Die Prinzessin aber wurde immer stiller 
ind immer stiller, denn sie bekam Angst vor so vielen Küssen 
ind dachte, am nächsten Morgen kbönne es jeder von ihren 
dippen ablesen, wie sehr sie der Eberhard gebüßt habe. 
Um Mitternacht trennte sich die lustige Gesellschaft. Leise 
sing die Prinzessin die Treppe hinauf. Da hörte sie hinter 
ich einen Schritt. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen 
ind flüsterte: „Eberhard, bist du das?“ Ein Schatten huschte 
‚eran und sagte: „Lore, bist du das?“ Da sagte die Prinzessin 
janz leise: „Jal“ Dabei aber zitterte und bebte sie jo, daß 
fẽberhard ihre Angst wohl merkte. And weil er ein ordent⸗ 
icher Kerl war, sagte er: „Lore, du brauchst Leine Angst 
zu haben; wenn du meine Küsse nicht haben willst, dann 
Jehe ich wieder still fort und schweige still über unser gegen- 
eitiges Ausmachen.“ 
Nun merbte die Prinzessin, daß Eberhards Stimme 
itterte, sie fühlte auf einmal auf ihrer Hand einen heißen, 
euchten Tropfen und bekam Mitleid mit dem jchönen Buben, 
der da so jammervoll weinte. Sie schlang ihren Arm um 
xẽ4erhards Nacken und sagte: „Komm, Eberhard, büjse 
nichl“ Da neigte sich Eberhard mit seinem Munde auf 
hre Hand und küßte sie lange und innig. Lore aber zog 
lötzlich die Hand zurück, verhüllte ihr Angesicht und weinte. 
Da fragte sie Eberhard leise: „Ei, Lore, warum weinst du 
enn?“ And auf, einmal kam es, daß ihr Kopf an seiner 
Zrust lag, er küßte ihre Stirn, dann ihre Augen und zuletzt 
hren roten Mund. Lore aber gab die Küsse sorgfältig und 
ichtig zurück und blieb dem Eberhard keinen einzigen 
chuldig. Da schlug auf einmal irgendwo eine Ahr, Lore 
uhr erschrocken zusjammen, gab Eberhard noch einen letzten, 
angen Kuß und war huschl! huschl in ihrem Simmer ver—⸗ 
Hwunden. Als sie in ihrem Bette lag, seufzte sie so kief und 
hwer, daß die alte Kammerfrau wach wurde und mit 
chläferiger Stimme fragte: „Prinzessin, was ist? Seid Ihr 
rank geworden?“ Da kicherte Lore in die Kissen: „Ja, alte 
Mummelmusche, ich bin herzkrank, ich bin eberhardkrank, 
ch bin fleischhackerbubenkrankl“ And sie Luschelte sich be⸗ 
zaglich in ihre Kissen und schlief fröhlich und jelig bis zum 
ellen Tag. Schluß folgt.) 
Das Volkslied õ Von Sophie Nebel von Türkheim. 
Es war einmal vor grauer Seit, 
Der Königsohn büßte die BSettelmaid, 
Da blangen alle Bronnen. 
Das hat der Wanderwind erlauscht 
Und hat die Weise nachgerauscht 
Liedselig und versonnen. 
Des Weges bam ein brauner Knab', 
Sein Hab' und Gut ein Wanderstab: 
Der sang mit hellem Munde. 
Was Born und Wanderwind gewußt 
Aus bannerlöster Spielmannsbrust, 
And heilig war die Stunde. 
Vildrosen, Myrten, Abelei, 
Keseden, Nelken, auch dabei 
Ein Swoeiglein von Sypressen, 
Hab er dem Liedlein mit als Strauß — 
Nun wandert's ktraut von Haus zu Haus, 
And keiner Lann's vergessen.
	        
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