Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

cungen, um die Mitglieder des Hofmedizinalkollegiums zu- 
sammenzurufen. Derweil trat der Hofnarr vor den König, 
nachte einen fiefen Diener und fragte: „Herr König, warum 
itzt Ihr da und denkt so scharf nach?“ Der König sah den 
lustigen Kumpan mit einem ernsten Blicke an und kblagte ihm 
sein Leid. Der Hofnarr sagte: „Herr König, die Sache 
liegt ganz einfach! Lassen Sie der Prinzessin ihren Willen, 
denn es ist eine alte Geschichte: wenn man Kindern und 
ungen Mädchen den Willen tut, dann weinen sie nicht!“ 
Der König wurde um eine Spur fröhlicher und entgegnete: 
„Ja, mein lieber Hofnarr, ich glaube, du hast wieder den 
Nagel auf den Kopf getroffen.“ Nach einer Weile aber 
jetzte er leise hinzu: „Ich will doch abwarten, was das Hof- 
nedizinalkollegium jagt!“ Damit stützte er wieder den Kopf 
in die Hände und dachte nach. Der Narr aber jetzte sich 
ins Fenster, sing Fliegen und sah dem Gärtner zu, der im 
Harten Kosen schnitt. 
Kurz vor dem Mittagessen kam der Hofarzt wieder. 
Auf seiner Stirne standen große Schweißtropfen, und sein 
Scheitt war schwer und müde. Der König winkte ihm, sich 
zu setzen. Nun begann der Hofarzt zu erzählen über das, 
was im Hofmedizinalbollegium gesprochen worden war. Er 
machte das schön umschweisig, und der König hörte auf- 
merksam zu. Als er am Schlusse seiner Kede angekommen 
var, da stellte es sich heraus, daß das Hofmedizinalbollegium 
zu keinem wirblichen Bescheid gekommen war, denn die 
Meinungen der Mitglieder gingen weit auscinander. Als 
der Hofarzt seinen Bericht beendet hatte, lachte der Narr 
so laut, daß der König ihm einen zornigen Blick zuwarf. 
Der Narr aber ließ sich nicht beirren und lachte noch einmal. 
Da wurde auch der König fröhlich, und er sagte: „Es ist 
gqut, mein lieber Hofarzt, ich habe mir die Sache schon 
überlegt. Die Prinzessin wird in der Hofküche Anterricht 
'n der Kochkunst erhalten.“ Der Hofarzt machte drei tiefe 
Buchlinge, der Narr schüttelte seine Schellenkappe und war 
wie der rasche Wind draußen vor der Türe, während der 
Hofarzt mit würdigem Schritt hinter dem König dreinging, 
der sich sofort nach der Küche aufmachte. 
Au dem Tage gab es im Schlosse gerade Huhn mit 
Keis, und der Koch hatte seine liebe Not. Schon dreimal 
war ihm der Keis angebrannt, und ein furchtbar brenzliger 
Geruch erfüllte den Küchenraum. Da purzelte auf einmal 
— 
und Küchenbuben, der Kuchenbäcker und Metzger: „Der 
König kommt!“ Es war, als hätte ein Donnerwetter ein- 
geschlagen, so standen einen Augenblick die ganzen Küchen- 
seute da. Dann aber griff jeder nach irgend etwas. Der 
Koch erwischte einen großen Staubbesen und wutschl fuhr 
er damit in seinen vierten Keis hinein, denn er dachte, er 
hätte einen großen KRührlöffel. Lisa, die flinkste Küchen- 
nagd, hatte ein Hackemesser gepackt und wollte damit den 
Boden fegen, Anna, die alte Köchin, schüttete in der Auf- 
regung Sucker an die Hühnerbrühe, Susanna, die Zuköchin, 
warf die Klöße anstatt in die Suppe in den Keis, Kasper, 
der Ofenbub, ließ einen ganzen Eimer Kohlen mitten in die 
Küche fallen, kurz und gut: die ganze Küche war wie ver— 
dreht. Nur Eberhard, der Fleischhacker, stand gleichgültig 
hinter jeinem Fleischklotz und sah vergnügt auf das tolle 
Treiben. Munter lachte er dem Hofnarren zu und rief: 
„Sag' einmal, Kamerad, was will denn der König hier ?* 
Der Hofnarr war einen Augenblick erbost, daß ihn einer 
Kamerad nannte. Dann aber sah er sich den Sprecher 
genauer an, und als er sein fröhliches, unbebümmertes Ge— 
sicht sah, da ging er auf ihn zu und sagte leise: „Ansere 
schöne Lore soll hier das Kochen lernen, und da will sich 
zer Herr König einmal die Lehrstube und die Lehrmeister 
nsjchauen.“ Eberhard fuhr lustig erschrocken zurück: „Anjere 
Deinzejsin?“ Dann machte er mit dem Seigefinger der rechten 
dand eine drehende Bewegung am Kopf und lachte hellauf. 
Ja“, jagte der Hofnarr, „bei ihr ist eine Schraube los! 
du hast recht, Kamerad!“ UAUnd lachend schüttelte er die 
schellenkappe und setzte sich hinter einen Korb Birnen, der 
mbeaufsichtigt dastand, und eine nach der anderen von den 
echeren Früchten verschwand hinter seinen Sähnen. 
Und nun bam der König selbst. Der Koch rief mit 
ruter Stimme: „Achtung, der Herr König kommt!“ Da 
ichtete sich alles von seiner Arbeit auf und sah den König 
nit einem ehrfurchtsvollen Blicke an. Nur der Eberhard 
ah nach dem Hofnarren hinüber, mußte lachen und vergaß, 
as Hackbeil still zu halten. Da klang denn in die ehrfurchts- 
olle Stille das laute Geblapper des Hackbeils, und der 
Zönig sah mit einem erstaunten Blick auf Eberhard. Eber— 
ard bemerkte das gar nicht, blapperte ruhig weiter und 
ãchelte fröhlich dazu. Da ging der König zu ihm, lobte 
einen Fleiß und sagte: „Aber gucken darfst du schon einmal, 
nein lieber Bursch, wenn dein König in die Küche kommt!“ 
ẽberhard wurde über und über rot und deutete, ohne ein 
Vort zu sprechen, auf den futternden Hofnarren. Da mußte 
er König lachen und sagte: „Ja, ja, nun verstehe ich die 
anze Geschichte. Wo mein lieber Hofnarr ist, da müssen 
lle vernünftigen Leute lachen!“ Als das der Koch hörte, 
achte er, daß ihm der Bauch wackelte. Der König runzelte 
ie Stirne und sagte: „Laß das, Koch, ich will mit dir 
eden!“ Da schwieg der Koch ganz bedebbert still, machte 
ieben tiefe Bücklinge und hauchte mit leiser, demütiger 
z5timme: „Herr König, redet, Euer Diener hörtl!“ Da 
agte ihm denn der König, daß seine Tochter, die Prinzessin, 
on heute ab als Lehrmädchen in der Küche sein solle und 
aß jeder vom Küchenvolk ihr beizubringen habe, was nur 
rgend zur edlen Kochbunst gehört. Der Koch machte noch 
inmal sieben Bücklinge und neunzehn Kratzfüße, die 
Zöchinnen und Beiköchinnen dienerten und bnixten, und 
iur unser Eberhard stand steil und steif hinter seinem Hack- 
lotz. „Nun, Eberhard,“ redete ihn da der König an, „was 
virst du denn meiner lieben Lore beibringen?“ Eberhard 
uckte die Achseln. „Herr König,“ sagte er dann, „ich bin 
in armer Fleischhackerbub, das Fleischhacken ist Leine Frauen- 
beit, was soll ich da der Prinzessin beibringen?“ Der 
rönig nickte bedächtig mit dem Kopfe. Dann aber sagte 
r leise: „Mach', daß mein liebes Kind das Lachen nicht 
erlernt, denn hier das Küchengesinde gefällt mir nicht 
esonders gut.“ Da nickte Eberhard tapfer mit dem Kopfe, 
er Koch rief: „Achtung, der Herr König will gehen!“ 
Alles stand stramm da, auch Eberhard ließ sein Hackebeil 
n Ruhe, der König verließ die Küche, und jeder ging 
vieder an seine Arbeit und schüttelte den Kopf darüber, 
aß er so verdattert und verwirrt gewesen war. Der Koch 
hüttete seinen vierten Keis noch einmal in den Spülstein 
ind sagte befriedigt: „Schadet nichts, dann bann unsere 
fräulein Prinzessin gleich das Reisbochen aus dem Effeff lernen.“ 
Es dauerte beine Viertelstunde, so war die Prinzessin 
a, der Koch stellte ihr alles Küchengesinde vor, und jeder 
nachte seinen Knix und seinen Diener vor ihr. Dann aber 
agte die Prinzejsin: „So, von nun an wird nicht mehr 
jeknixt und nicht mehr gedienert, von nun an bin ich die 
Züchenmagd Lore, und wer mich anders ruft, dem komm 
ch auf den Kopf und hetze ihm auch meinen Dater auf den 
hals!“ And so wurde es denn gehalten. 
Der Prinzessin gefsiel das Küchenleben ganz gut. Nach 
all der Langweiligkeit mit Kammerjungfern und Hofdamen
	        
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