Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

zrwähnt ist, darf man annehmen, daß Fritzlar schhon vor der Seit 
des hl. Bonifatius als eine hessisch-fränkijche Ansiedlung bestanden 
at. Als Skadk wird es zum erstenmal in einer Urbunde des 
Jahres 836 erwähnt, der Seitpunkt, wann ihr das Stadtrecht 
yeriiehen worden isi, konnte noch nicht festgestellt werden. Das erste 
Frißlarer Kathaus wird schon im Jahre 1109 als „Pretorium“ 
ind als Sitz des Mainzer Vogteigerichts erwähnt. Nach neueren 
Feststellungen war ihm eine nach drei Seiten offene Gerichtshalle 
iach Wesien vorgebaut. Das neue, im 15. Jahrhundert erbaute 
Kaihaus enthält noch die Keste des alten „Pretoriums“ von 1100, 
o daß in diejsen Kesien Frißlar das älteste deutsche Kathaus 
besitzt. Das zweite Kathaus wendete seine mit einer Freitreppe 
und drei Sieriũrmen geschmückte Giebelseite dem Dom zu. Als es 
im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts baufällig geworden 
war, begnügte sich die Stadt mit einer notdürftigen Wieder- 
herstelluñg, die jeßige Stadtverwaltung plant die Wiederherstellung 
es Kathauses in der mittelalterlichen Schmuckform. — Mit der 
Oerleihung des Stadtrechts waren die Befreiung von dem 
»esjischen Grafengericht, 
die Erwählung eigener selbst- 
tändiger Kichter- und Der— 
waltungsbeamten, das 
Markt und Münzrecht 
berbunden. Das Rolands— 
tandbild auf dem Warbtplatz 
ist das Sinnbild der eigenen 
tãdtisjchen Gerichtsbarbeit. Die 
Städtische Münze befand 
ich nach einer Mitteilung 
aus dem Jahre 1331 in dem 
ehigen Lambert'schen Hause 
am Warbt. 
Die Stadtverwaltung 
ag in den Händen von zwei 
Bürgermeistern und dem 
Kat, dessen zwölf Mitglieder 
5choffen, auch Konsuln, 
genannt wurden. Später setzte 
her Erzbischof von Mainz die 
Zahl der Katsschöffen auf 28 
fest, von denen die eine Hälfte, 
der „neue Rat“, von Lichtmeß 
bis Lichtmeß den abtiven Dienst 
ersah, während die andere 
Hãlfte, der „alte Rat“, die be— 
atende Behörde bildete. Da⸗ 
u wählte die Bürgerschaft 
wei Vertreter: „Worte“ *), 
„Gemeine-Worte“ genannt, 
die ebenfalls ein Jahr lang 
Sitz im Kat hatten. Su den 
Pflichten der Bürger 
zgehörten: die ODerteidigung 
der Stadt und ihrer Feldmark 
unter dem Oberbefehl des 
Amtmanns (des Mainzer 
Statthalters). Das städtische 
Zeughaus war mit Geschützen 
ind sonstigem Kriegsgerät wohl 
usgerũüstet; zur Herstellung 
der Geschũtze und des Pulvers 
hatte die Stadt später zwei 
Bũchsenmeister. ¶ Andere Büũrgerpflichten waren: Mitarbeit 
an städtischen Bauten, Wegen usw., und die Entrichtung von Ab- 
gaben an die Stadt, an den Landesherrn und an den Kaiser. 
Der üũberwiegende Teil der Einwohner Fritzlars lebte 
wie heute von Gewerbe und Handel. Im Jaähreé 1453 finden 
vir folgende zwölf Sünfte in Fritzlar: die Brauer, die Michels- 
»rũder (Tuchhãndler und Walber), Bäcker, Schneider, Schuster, 
Schmiede, Metzger, Leinweber, Wollweber, die Krämer, Böttcher 
und Simmerleute. Nur wenige trieben Ackerbau, dagegen blũhten 
Obst- und besonders der Weinbau. Von dem unterhalb des 
Domes gelegenen Benediltinergarten, wo St. Wigbert die ersten 
Keben anpflanzte, hatte sich der Weinstock an dem ganzen sũdlichen 
Berghang entlang rund um die Stadt ausgebreitet. Das Stijst 
und der Mainzer Erzbischof waren die reichsten Weinbergsbesißzer. 
In einer Stiftsrechnung von 1515 finden sich die Namen von 126 
perschiedenen BSüũrgern, die den Sehnten aus ihren Weinbergen 
n naiura entrichteten. Der Fritzlarer „Galberger“ war in ganz 
Hessen geschãtzt und das Tafelgetrãnk am landgräflichen Hofe in Cassel. 
xWorthalter. Wortführer 
Ein malerisches Bild des mittelalterlichen Fritzlar 
ibt die Abbildung auf S. 65 nach Bruyn-Hogenbergs Stich v. J. 1516. 
em Vordergrunde des Bildes jührt die im Jahre 1221 erbaute, 
ait einer Doppelkapelle geschmückte zwölfbogige Steinbrücke 
iber die Eder und ihre Nebenarme. Über den mit. Weinpflanzungen 
edeckten Bergabhang erhebt sich terrassenförmig aufsteigend in 
hrem Mauerkranze die vieltürmige Stadt, gekrönt von der 
5t. PetriStiftstirche. Der basaltene Mauerring jchließt 
eute noch — 'bis auf eine bleine Lücke am Haddamartor — 
einer Lange von A Kilometer die ehrwũrdige Stadt ein. Die 
ztadimauer hat heute noch an manchen Stellen eine Höhe von 
oMeser uͤnd eine Dicke von A/bis 3 Meter. Die mit 
S„chießscharten versehene Brustwehr war etwan Meter hoch. 
Sie Stadtmauer war von sieben stark befestigten Toren 
urchbrochen, die leider im ersten Deittel des vorigen Jahrhunderts 
Is Verkehrs⸗Hindernisse“ beseitigt worden sind. Aber die Stadt- 
nauer ragten in Entfernung von 80-200 Schritten 14 stattliche, 
neist noch erhaltene Mäuertürme empor, unter denen der 
„Graue Turm“? (iehe 
Abbildung „Grauer Turm“ 
Seite 61) mit 834,5 Meter 
Höhe alle anderen über— 
trifft. Er diente vor allem 
als Signalstation für die 
sieben in der Feldmark er⸗ 
eichteten Warten, die bis auf 
eine noch erhalten sind. Außer⸗ 
halb der Mauern war die 
Stadt — mit Ausnahme der 
steil abfallenden Südseite — 
noch mit einem etwa 0 Meter 
hreiten Doppelwall und Graben 
geschũtzt; die Stadttore waren 
noch durch Vorburgen 
gesichert. Die Stadtmauern 
sassjen deutlich zwei Bauperio⸗ 
den unterscheiden: die Unteren 
aus Sasaltblöcken erbauten 
Teile sind wahrscheinlich auf 
Anordnung Heinrichs J. und 
Ottos des Gr. erbaut. Bei 
der Serstörung Fritzlars durch 
die Sachsen 10719 und durch 
die Thüringer 1232 wurden 
auch die Mauern teilweijse 
zerstört, aber von dem Stift 
und den Bürgern gleich 
vieder aufgebaut: diese neuen 
Teile sind aus Sandsteinen 
erbaut. Im Wittelalter führte 
Fritzlar mit Kecht die Bezeich⸗ 
iung „turmreiche Stadt“: 
ragten doch damals neben den 
10 Kirchtürmen noch 28 Stadt 
ürme, also im ganzen 33 
Tũürme, ũber die Stadt empor. 
Die im Mittelalter entstandene 
Neustadt zeigt in dem Stadt 
dild ihre eigene Befestigung 
mit dem Bleichentor im Sũden. 
Als die Franzosen, die im 
Siebenjährigen Kriege 
fritzlar lange besetzt hielten, 1761 die Stadt räumen mußten, haben 
e dor ihrem Abzug die Mauern und Türme nach Kräften durch 
5prengung zerstört. Aber trotzdem ist uns in den Resten ein 
nleresantes mittelalterliches Stadtbild erhalten geblieben! Die 
chönsien Silder der Innenstadt zeigen neben dem Dom der 
cizbosle Marktplatz und die Haddamarstraße. 
Das frühere Kathaus (aus dem 15. Jahrhundert). Hofphotograph Eberth, Cassel 
Gründungen und Bauten im Mittelalter. 
Wie das Jahr 1019 war auch das Jahr 1232 ein Un— 
lücksjahr für Fritzlar: In einem Kampf zwischen dem Erz 
ischof von Mainz und dem Landgrafen Konrad v. Thüringen 
roberte dieser Frihlar: Stadt und Stift, der, Dom und die 
brigen Kirchen wurden geplündert, dann wurde Feuer angelegt, 
odurch der größte Teil der Stadt zum drittenmal in 
rümmer ging. Aber mit ungebrochenem Mut begannen Bürger⸗ 
haft und Suͤft die Wiederhersteilung der Stadt. AUnter Mitwirkung 
Vormser Bauleute und mit Hilfe von weit und breit wurde in 
en Jahren von 1282 bis 1240 der Petersdom glänzend 
Aederbergestellt in der Form, wie wir ihn jetzt vor uns sehen. 
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