Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Auf Heimatwegen. 
Homberg an der Efze. 
Mit Aufnahmen von Walther Goebel. 
dinde steht, die in der heißen Jahreszeit fröhlich spielender Jugend 
hre Schatten spendet. Dieser breite Plan dient gleichzeitig mehreren, 
inter ihm eingebauten Wohnungen, die jedoch seit einer Keihe 
»on Jahren nicht mehr bewohnt werden, als gemeinsames Dach. 
Fin paar vergitterte, burze Schornsteine deuten auf die darunter— 
iegenden, an Höhlenwohnungen erinnernden Behausungen hin. 
5tfufen führen hinab zu dem erheblich tieferliegenden Marbtplatz, 
em eigentlichen Mittelpunkt des Kreisstädtchens 
Er bietet ganz beson- 
dere Reize und mannig- 
ache Motive, an denen der 
Finheimijche infolge Macht 
»er Gewohnheit zumeist 
iemlich achtlos vorüber- 
geht. Der Großstädter weiß 
ie ganz anders zu würdigen 
venn er den toten, gleich 
õrmigen, schier endlosen 
Steinhaufen vorübergehend 
)»en Räücken gebehrt hat. 
im sich hier, wo die Sonne 
hiel goldener lacht und sich 
her blaue Himmel vie' 
vpeiter und tiefer wölbt 
ejund zu baden nach 
angen Wintermonaten, die 
iur Lampen-Licht und 
zimmerluft bieten bonnten 
Weoenn mild die Abend 
uft durch junge Blättchen 
er alten Kirchplatz-Linde 
treicht, wenn traulich hinter 
leinen, halboffenen Fenstern 
die Lampen brennen, wenn 
ben am Schloßberg fröh⸗ 
iche Lenzlieder klingen, und 
er Mond mittelalterlicher Dächer und Giebel mit bläulich weißem 
zchimmer und groteskben Schatten überzieht, — die noch nicht wieder 
ingeführte Straßenbeleuchtung der Vorkriegszeit raubt nichts von 
iejsem Stück Komantikl — wenn Käuzchen und Ahu ihr Nacht- 
uett beginnen und manch flüsterndes Pärchen der rinnenden Seit 
Stilljstand gebieten möchte, dann ist die Stunde da, in der nicht 
aur Phantasten und Träumer, sondern alle innerlichen Naturen, 
die trotz aller Herbheit unserer Tage ja noch recht zahlreich zu 
inden sind, ganz besonders auf ihre Kosten kommen. 
Winbkelige Straßen, enge, steile Gassen mit zum Teil recht 
inheimelnden Namen und winzige Gäßchen, in denen sich die oberen 
Stockwerbe so nahe bommen, daß sie sich fast berühren, führen vom 
Marbkt aus in alle Himmelsrichtungen. 
Ganz heimlich und verschwiegen liegt Dithmars Gäßchen 
Abb. 8) z3wischen Marktplatz und Kreuzgasse. Rechts im 
Horderagarunde sieht man auf alfem Gemäuer über einem VKellor 
Fremde, die mit sehendem Auge auf der Bahnstrecke Treysa— 
Malsfeld das Efzetal durchreisen, heften jedesmal bezaubert den 
Blick auf das malerische Städtchen am Bergesfuß, trinken sich satt 
an den Farben, die je nach Jahreszeit und Beleuchtung in buntem 
Wechsel das Bild immer wieder neu und eindrucksvoll gestalten. 
Abb. 1: Pfarrlirche. 
Schön ist es im Winterbleid, wenn es verschneit vor uns liegt, 
wenn Baum und Strauch bis hinauf zum Wipfel bereift dastehen; 
schön, wenn Tauwetter eingetreten ist und sich die alten, bemoosten 
Ziegeldächer über den weißen Tupfen und Streifen, zwischen 
jschwarzen Ackerschollen herausheben; schöner. noch und fröhlicher, 
wenn Sturmwind dicke Wolkenballen und schleierhafte Kegenschauer 
vom Kellerwald her über Berge und Ebenen treibt und Sonnen- 
lichtblicke plötzlich die Stadt golden verklärt aus ihrer bläulich— 
duftigen Umgebung herausheben; am allerschönsten jedoch, wenn im 
Maien all die Hänge und Gäerten, Hecken und Wälder bis hinauf 
zum alten Schloßgemäuer grünen und blühen. Aber auch Sommer 
und Herbst mit ihrer Fülle von Farben und Lichtern lassen das 
Bild niemals vorblassen und locken alliährlich viele Besucher heorbei. 
Abb. 3 Difhmors Gußchon. 
Abbh. 2 Kirchplak. 
Aus zahlreichen alten, winzigen Giebeln bleiner und kleinster 
Häuschen reckt sich hoch der breite, charabteristische Turm der 
Pfarekirche (Abb. 1) heraus. Er ist schon im 14. Jahrhundert 
erbaut, und manch wilder Sturm hat ihn seitdem umtobt. In den 
Wierren des Dreißigjãhrigen Krieges wurde sein oberer Teil gesprengt. 
Seine alte Höhe hat er dann nicht wiedererlangt. Im Februar 1648 
diente er sogar hessischen Langrohrgeschützen als Feuerstellung. 
um die Befestigungen oben auf der Burg, die von den Kaiserlichen 
zäh verteidigt wurden, sturmreif zu machen. Ein interessanter 
Kupferstich von Merian, von dem eine wohlgelungene Reprodubtion 
als Postkarte am Ort käuflich ist, hat erwähnfte Belagerund des 
Schlosses im BSilde festgehalten. 
Vor dem Südportal der Kirche breitet sich der mit Gitterwerk 
ꝛinagefaßte Kirchplatßz (Abb. 2) aus. in dessen Mitte eine uralte 
Aphb. 4: Pfarrstroßo. 
in Gärtchen. Die gleiche Erscheinung finden wir im Ort an 
nehreren andern Stellen. Es handelt sich wohl um Reste alter 
däujser, die uns von vielen verhecrenden Bränden und Plünderungen. 
on Kriegsstürmen fernster Tage erzählen Lbönnen. Manch ein 
Z3ebäude ist wiederbholt eingeäschert worden. Seine Bewohner
	        
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