auf der Wetterseite geweißt. Die störrigen Ginsterbüsche sind
vundersame Gebilde geworden, wie sie beine Tropenzone gleich-
chön hervorbringen mag.
Es öffnet sich der Wald zur Rechten und gibt einen weiten
ao frei. Eine steile Waldschlucht stürzt sich zum Gelstertal
inunter.
Drüben kauchen Hirschberg und Meißner auf, beide noch lief
in Wolben gehüllt. Aber schon bricht über uns die Sonne durch
und glastet auf weißen Flächen nah und fern.
Da ist auch der tose Wald lebendig geworden. Der Specht
lacht im Grunde, die Meisen zwitschern, und der Schrei des Habichts
gellt über die Wälder. Nun ist der Kamm des Gebirges erreicht.
üÜber ihn hin zieht einer der schönsten Wanderwege des Hessen-
landes. Von Witzenhausen steigt er über niedrige Vorberge bald
auf 500 Meter Höhe auf. Vom Roggenberg ab bietet er bald
lints bald rechts liebliche Ausblicke und endet bei Bransrode am
Meißner.
Heute wär da ohne Schneeschuhe nicht gut wandern. Wenn
auch gestern Frühlingsanfang im Kalender stand, dies Jahr be—
hauptet der Winter sein Kecht und besonders hier oben. Meter-
tiefe Schneewehen haben den Weg ganz ausgefüllt. Die Bäume
kragen glitzernden Rauhreif. Besonders schön hängt in den Jung-
buchen sein Flitterkeam. Keizende Christbaumbugeln sind die
tacheligen Fruchtbecher
er Samenbuchen.
Drüben über demstillen
Oberrieder Tal wächst
das mächtige Massiv
des Roßlopfs auf.
Seinen Gipfel hüllt
mmer noch grauer
Dunst ein. Auch der
Meißner schaut bei
einer Wegbiegung
herüber. Seine breiten
Flanken gleißen in der
Morgensonne; aber
einen ehrwürdigen
Scheitel deckt noch
immer dunbles Gewölb.
Wir gleiten lautlos
und unendlich sanft
durch verschneites
Stangenholz, das
hundertfach feine go—
tische Bogen über uns
schließt. Kauhreif und
Neuschnee haben diesen
Bogen alle Erden—
schwere genommen.
Eine unirdische Heiter⸗
deit liegt in diesem
Janz von Sonne er—
fülltem Kreuzgang.
Ferne Kirchenglocken erinnern daran, daß wir noch auf dieser Welt
ind. Sonst ist Lein Halt und Laut. — Nie ist das Gefühl des
Erdentrücktseins so lebendig in mir gewesen, als auf solch schwei—
genden Schneeschuhfahrten durch sonnigen weißen Winterwald.
Tief unten liegt Dudenrode in einem einsamen Talkessel. Der
onntãgliche Herdrauch steigt feierlich gerade empor über den
Hãauschen. Das ganze verschneite Dörfchen lieat wie in einem
Dornröschenschlaf.
Diel Wildspuren kreuzen unsern Weg und reden von harter
Winternot. Da bommt aus der Fichtendickung eine Hasenspur.
Hart daneben winzige Tappen: Das Junghäschen, das mit der
Mutter über den Kamm gewechselt ist, um drunten im Gelstertal
settere Asung zu suchen. Dort die grobe Spur einer Muttersau,
die Streiche haben den Schnee gefurcht. Daneben die zierlichen
Spuren der Frischlinge. Weiter ab sind die Hirsche zu Tal ge—
tiegen. Alle Spuren laufen hinab zu tieferen Talgegenden. wo
die Felder schneefrei sind.
Nach einer Wegbiegung liegt wieder der Meißner vor uns,
jetzt aber in Sonne bis zur höchsten Kuppe. Swei scharfe Kalb-
eippen ziehen sich nach Bransrode hinauf. Sonne hat hier draußen
den Schnee schon weich werden lassen, es klebt. So beschließen
wir die Heimfahrt. Wir gleiten durch Weißenbach, ein entlegenes
Hochdörfchen mit ganz stattlichen Gehöften. Nun wieder hinein
in den Wald. In der Sonne wird es ungemütlich warm. Es ist
bald wie in St. Woritz. Wan könnte getrost ein Sonnenbad nehmen.
Wir blettern am Steilhang des Ibergs hinunter im Treoppen—
schritt. Endlich ist eine schmale Wiese erreéeicht. die sich hoch hinein-
chiebt in den Wald. Da gehts hinunter in sausender Fahrt. An
er Schattenjeite des Waldrands liegt noch weit hinunter Schnee.
Aljo links ran! Hart an der Schneegrenze, bald vor der Gelster—
albahn, kommen die Schneeschuh zum Stehen. Handlanges Korn
juckt neugierig hervor, und die goldenen Sonnen des Huflattichs
anzen Kingelreihn am Grabenrand. Über Wald und Wiesen
teigt eine Lerche zur blauen Himmelskuppel auf und füllt das Tal
nit ihrem singfrohen Liede
Frühling im Lahntal..
VDon Werner Sunkbel, Marburg
Sonnabendmorgen. Im Beruf. Ein Geschäftszimmer mit
rbeitenden Beamten, die auf gleichen Stühlen än gleichen Tischen
tzen und lesen, rechnen, schreiben. Telefongeblingel, Schreib-
naschinengerassel. — Durch die offenen Fenster dringen von draußen
ie schrillen Rufe der hastig die Häuser des alten Marburg über—
jiegenden Mauersegler, die man auch als Turmschwalben bezeichnet.
Dogel Wupp“ hat Hermann Löns den Segler genannt, und er
neinte, dieser rastloje Vogel müßte das Wappentier von den Wupp-
o»uppmenschen der amerikanischen Börse sein: Wupp Telefon, wupp
Auto, wupp Börse, wupp Kontor, wupp Hochzeit, wupp Scheidung,
»upp Herzschlag. So ähnlich treibts auch unser Wupppogel: wupp
ägyptische Phramiden,
wupp Wettergasse in
Marburg; er ist der
modernste Vogel, er
hat nie Muße, teilt
peinlich seine Seit ein
wie ein Geschãftsmann.
Schon früh morgens
sausen die schwarzen
Oõgel, die wie flie-
gende Anber aussehen,
uͤber die Dächer, und
bis abends 9 Uhr ist
die Luft erfüllt von
ihrem Geschrei. Pünkt-
lich am J. Mai kLehren
die meisten Turm—
schwalben von ihrer
Afrikareise heim, um
2benso genau am 1.
August wieder zu ver-
ichwinden. Das Lurze
Hiersein benutzt der
Segler zur Fortpflan-
zung; aber er baut
bein kunstvolles Nest
wie andere Vögel,
nein, auf so etwas
legt er beinen Wert.
Unter Dachziegeln er-
brütet er jeine Jungen,
lngetüme, die nur aus Rachen, Kropf und Bauch zu bestehen
heinen. Kaum sind die bleinen Wupppvögel flügge, so sausen sie
ille über Spanien, Maroblbo, Sahara nach Südafrika, wo sie über
er Steppe genau so hasten und schrillen wie im Sommer bei uns
ber den Städten mit hohen Häusern und alten Türmen.
Wuppwuppvögel — Wuppwuppmenschen! Schnell arbeiten!
Bald ist's Mittag. Sonnabend-Mittagl Der Plan für die
ineinhalb dienstfreien Tage ist schon fertig: heute Gang um
Marburg, morgen hinaus in die Natur. woit weg vom Wupp-
vuppgetriebe!
Meine Nachmittagswanderung beginne ich auf der „Ludwig
Zũcking⸗Promenade“, die wir Marburger alle den „Dammweg“
ennen. Wo hier jetzt in einem Garten Kartoffeln und Gemüse
achsen, erfreute früher den Naturfreund ein Tieridyll: der
Schützenpfuhl“, den man im Kriege mit Schutt und Erde aus—
illte. Die meisten Vorübergehenden und natürlich auch die Gäste
er Schützenpfuhl-Wirtschaff, des (wie das Schild ausdrücklich
eststellt) „Historijschen Wirtshauses an der Lahn“, merlkten vom
ierleben des Tümpels höchstens das Quaben der vielen Frösche;
er Tierfreund aber entdeckte auch im Erlengezweig herumturnende
Zlaumeisen und grüune Erlenzeisige, gewahrte das winzige, aus
lühenden VDergißmeinnicht gebaute Stieglitznest in der Weide und
ꝛeute sich an dem grünfüßigen Teichhuhnpärchen: wie drollig
hwammen dessen Junge neben ihren tauchgewandten rotstirnigen
zItern, die oft ohne Scheu auf dem deckungslosen Dammweg
erumliefen. Heute noch Lönnen wir das anmutige Familienleben
es Teichhuhns auf der Lahninsel“ beobachten, die auch von
Aufnahme von F. Kahm