Durch Eichbusch und ũüber Graswege gehts aus der sonnen-
durchglänzten Waldeinsambeit hinab zum Tal, hart an dem
schweigenden Schloß mit den Dutzenden geschlossener Fenster-
läden vorüber, dann quer über die große Landstraße, auf
der ratternde Kraftwagen ostwärts und woestwärts fahren,
und dann wieder hinauf am nächsten Hang, der steil und
ahl emporsteigt und zu anderen Bergwäldern führt. Im
Steigen weitet sich schnell der Blick, Höhen drüben wachsen
mit empor, weit breitet sich das Tal des bleinen Flusses,
Dörfer, Städtchen mit weißen Häusern und roten Dächeren
im Nachmittagssonnenschein leuchtend, werden sichtbar, blar
und scharf zeichnen sich die Umrisse ferner Höhenzüge ab,
weit hinaus dehnt sich die Ebene. Das Wandern in der
warmen Luft hat Lippen und Sunge trocken und durstig
gemacht, und hier, in halber Höhe
des Berges, springt leise rauschend
und klar ein Quell aus dem Gestein,
rine natürliche Höhlung wie eine
Schale füllend, über deren Kand
sein Wasser bergabwärts läuft.
Hier kniet sichs weich im Moos,
unter blauem Himmel im warmen
Sonnenschein, die Hände stützen
sich auf, und mit langem Suge
trinben die trockenen Lippen die
Herrlichkeit des kLlaren Wassers.
Und mit dem köstlichen Trunb
geht etwas von der großen Ar⸗
reinheit der Natur in den Menschen
ein, kreist lebensspendend und er⸗
frijchend in den Adern, und die
reine Luft der Höhe weht her—
nieder und füllt die Lungen, als
wollten die Elemente, einander
suchend, zujammen in Herz und
Ader wirken und am Leben des
Lebendigen mitschaffen.
Aufwärts gehts dann durch
den hohen Dom eines Waldes
mächtiger Tannen; in Tälchen und
Falten, in Mulden und Senben,
überall Fließen und Kinnen, hie
und da ein bleiner Tümpel bristall
klaren Wassers. Vorüber an dem
bleinen, altertümlichen Försterhause.
Wie oft hat der Förster dort den
VODorübergehenden oder bei ihm
Einkbehrenden begrüßt; jetzt schläft er seit Jahren den ewigen
Schlaf irgendwo im Argonnenwald. Der Witwe hat man
hier die Wohnung gelassen, die zweĩ Buben wachsen stämmig
heran und nie, nie mehr wird der Dater heimkommen ins
Forsthaus, in seinen lieben Wald. Wer kbann die Größe,
den unbegreiflich tiefen Sinn des Opfers ausdenben, das
Hingeben des Lebens für die Nächsten? Das große Heil-
geheimnis, in dem Gott selbst herniederstieg, litt und starb?
Hüter des Geheimnisses, Walter des Heils, Sucher und
Bote des Grals zu sein, Opfer zu leben und zu sterben,
werden immerdar Erwählte berufen in mancherlei Gestalt.
Die Sonne steht im Westen, die Schatten werden länger.
Ein letzter steiler Aufstieg führt zu dem Gipfel, der, breit
und massig aus der Ebene sich hebend, weit und hoch über
sie hinschaut. Große geschichtete Tafeln von Quarzitschiefer
liegen oben frei, Urgestein, das noch nie in den Kreislauf
des Lebendigen eingetreten war, das schon fertig gebildet
in den fernvergangenen Seiträumen sich gefügt hatte, wo
roch bein lebendes Geschöpf auf dem Rücken der Erde
vohnte. Stumm und wuchtig ruht der Seuge urältester
dergangenheit, der harte Fels, Wind und Regen singen
died und Sang ewiger Bewegung über ihn hin, und gleich-
srmig unbewegt und starr liegt seine Masse bis tief hinunter
n den Kern der Erde. In Fernen dehnt sich der Ausblick
om Gipfel. Sahllose wellige Linien der Berge und Berg-
ãmme, Einschnitte der Täler, nähere und entferntere Höhen,
unkle Wälder und braune Hochflächen, scharf gegen den
hʒoriʒzont stehende Amrisse einzelner mächtiger Bäume und
veiche Masjen niederen Waldes, alles überflutet von warmem
Abendlicht und hier und da mit tieferen Schatten geschieden,
o steht das Gebirge zur einen Seite. Sur andern dehnt
ich die weite fruchtbare Ebene, jetzt noch Grau in Braun
und Braun in Grau, VDörfer,
Städte, Waldstücke, Ackerland
uind gerade Linien der Landstraße
und Schienenwege durch sie hin.
Fin paar hundert Meter unter
dem Gipfel, an den Fuß des
Serges geschmiegt, mit grauem
Schiefer und roten Siegeldächern,
nit Kirchtürmen und umwoben
bon einem feinen bläulichen Dunst,
der aus Schornsteinen und Essen
aufsteigt, liegt das Heimatstädtchen.
Der King der Wanderung schließt
ich — aus der Höhe geht der
Slick nieder zur Welt des All-
ags, in die dort drunten Leben
und Sein des Wanderers heimisch
und heimlich verknüpft und ver—
slochten sind. Freiheit — Not—
wendigkeit. Auch in diesem Bilde
stehen wieder still und unergründlich
die großen Fragen. Wenn auf
der Höhe dieses Berges, von dem
du über Lande und Gebirge und
in die unendlichen Weiten des
Himmels schaust, der Versucher
zu dir träte, dir hinabwiese zur
Stadt, von den eisernen Klammern
dir redete, in die du dort mit
all deinem Dasein gefügt bist,
bon zwingendem Swang, damit
du gebunden bist, von dem un—
erbitterlichen Muß, zu dem du
viederkehren willst aus dem Tag der Freiheit, wenn er dir
Angebundenheit und Schrankenlosigkbeit, alle Schätze des
Vissens und Erbkennens verspräche, so du ließest von der
Veit da drunten, in der du deine Stätte und dein
Virben hast und liebhast, du würdest ihm in die listige Fratze
achen und wissen: Fest und unlöslich gefügt sind alle Kinge
es Seins, einer in den andern, und Schaffen und Wirben,
deben und Weben ist frei und gebunden zugleich; wo die
ausend Wurzeln deines Seins im Boden des Lebens dir
aften, wo du der Teil wardst, der du im Ganzen bist,
voo du wuchsest und wo du wirkbst, da allein bann dein
*ein voll Sinn, voll Inhalt sein. — Leid, Liebe und Tat
aß in Eins, aus ihnen schmiede dir Wehr und Werkzeug
ind webe dann getrost unerfüllbarer Sehnsucht goldene Fäden
n das Gewand deines Alltags, daß ein heimliches Leuchten
n ihm sei. Dort, wo des Lebens Mächte dich führten,
vo sie dem Großen dich einfügten, da wirkel Und Sonnen-
rufgang, Sonnenuntergang und Sternenhimmel gibts dort
Studentenheim. (Zum Aujsatz: Studentennot und Selbsthilfe.)