n den Weltanschauungen der Denber, in den Keligionen der
Oölker sind des Menschen Antworten zu Formen der
ODerfestigung geworden, denen ein ganz Neues nicht mehr
zugefügt werden kann, weil alle dem Menschengeist möglichen
Vege auch von ihm schon eingeschlagen sind. Neue Oer⸗
znotungen, Verknüpfungen und Verflechtungen mögen sich
sügen — dem Wesen nach hat der Mensch schon alles gesagt
und gedacht, was zu sagen und zu denken er fähig ist.
Merkwürdige Einsichtl Ja, der Gelehrte vermag wirkblich,
venn er sich müht, alles zu besitzen, was in den Denb⸗
nöglichkeiten des Menschen liegt — und so könnte er dem
Wesen nach am Ende alles Wissens angelangen? Am Ende
des Menschenwissens — jal Keine Neugier, kbeine Sucht
nach Nichtdagewesenem wird den mehr quälen, der das
erkennt; fast könnte man glauben, daß alle Philosophie
ausgerungen hätte, daß das Drängen der Geister in diesem
Wijssen sich zu stillen vermöchte. Aber da gehen von der
einförmig geraden Straße des Wissens all die Wege und
Pfade ab, die in die Wiesen und Wälder, zu den Hõhen
und in die Abgründe des Lebens und Erlebens führen,
wo im unendlichen Wandel und Wechsel ewig neu sich
schaffend die Schöpfung immer wieder das einmal Einzige,
nie Gewesene, nie Wiederbehrende in quellendem UÜber⸗
strömen dem Urgrund alles Seins enttauchen und wieder
in ihm schwinden läßt; vom Wissen führt dem Lebendigen
der Weg zum Schauen, und im Leben selbst gestaltet sich
hm alles ewig neu.
Die Höhen schieben sich näher zusammen, das Tal, in
dem die Straße emporsteigt, wird schmäler. Graubraungrün
träumen im Lichte der Mittagssonne die Wiesen im feuchten
Grunde, zahlreiche feine Wasseradern und kleine Kinnsale
fügen sich zu einem stärker abwärtsströmenden Sachlauf
zusammen, und an vielen Stellen haben sich bleine Soeen
gebildet, die das Wiesenland überschwemmen, und in denen
sich die tiefe Bläue des Himmels spiegelt. Der Name des
Dorfes, durch das eben der Weg führt, erzählt davon, daß
hier voreinst ein Kloster gestanden hat. Seine Spuren sind
bom Erdboden verschwunden. Aber es ist, als ob der stille
Ort, die Gesamtheit der Umgebung, die nahe sich heran-
schiebenden Wälder, der leise rinnende Bach, die sanft-
uisteigende Berglehne, von der aus über vielgestaltige
Kuppen und Hügel und über die sich dehnende Talmulde
der BSlick ruhig in eine weite, himmelüberspannte Ebene
geht, als ob in all dem noch etwas wie ein unvergessenes
Erinnern daran lebte, daß hier in .längst entschwundenen
angen Jahren Hunderte von Menschen in stiller Abwendung
oon der rauschenden Welt da draußen Frieden und Kuhe
gesucht und nach, wer weiß wieviel Not und Kampf, wohl
uch manchmal gefunden haben. Vergangen und versunken
auch dies, die Klostermauern abgetragen, vergessen die Namen,
verschwunden die Gräber, und doch an dieser Stätte, in
diesem Tal ein Erinnern, das wie ein feiner Hauch über
dem Bilde des Ganzen schwoebt.
Der Wald tritt zu beiden Seiten an die Straße heran,
und in Windungen und Biegungen führt sie weiter. Hoch-
ragende Tannen tragen den Schmuck ungezählter Tannen-
zapfen, die im Sonnenschein in leuchtendem Gelbbraun
zwischen dem Grün der Wipfel und dem Himmelsblau stehen,
zwischen Buchenstämmen und Eichbäumen fließt über kahles
Gezweig lichter Sonnenschein zum feuchten Boden, und das
zroße Schweigen des hellen Mittags ist über Wald und
Sergland gebreitet. Die langgedehnte Waldwiese, die hier
in einem schmalen Tal abwärts zieht, und auf der im Früh—
ling alle Herrlichkeiten eines Blütenmeeres sich enthfalten,
liegt noch schläfrig im Halbschatten, und über sie und durch
ie hin fließt es und rinnt es, weicht es den Boden und
sckert in ihn hinein. Wie wäre es, wenn in dem Dickicht,
as überall an die Straße grenzt, einer oder ein paar
Zerle warteten, einen wehrlosen Wanderer zu überfallen,
uszuplündern und still zu machen? AUnmöglich ist's nicht,
ind seit den Tagen des Ibikus ist es ja bekbannt, daß der
Zaubmord im Walde für die Käuber sich zunächst lohnen
ann, und die Triebentfesselung unserer Tage hat ja auch
iese plumpste Form des Faustrechts wieder ordentlich in
en Schwung gebracht. Es ist aber ja nicht nur hier, in
er großen Waldeinsambeit, daß in aller Herrlichbeit der
datur gemeine Gefahr lauern kann — üũberall umgeben uns
zedrohungen, Vernichtungsmöglichkeiten, den Einen wie den
Indern. Wie Lommt es, daß der Eine, den Aberlegungen
olcher Möglichbeiten hingegeben, Furcht und Grauen emp-
ndet, während der Andere, auch um die Möglichbeit der
Zefahren wissend, ruhigen, blaren Blickes, heiteren Herzens
nd sicheren Schrittes durch sie geht, ganz einerlei, ob er
hnen zum Opfer fällt oder nicht? Da steht wieder einer
ner Widerstreite, den kein Grübeln und bein Sinnen be⸗
itigen, Leine Vernunft lösen kann: Sestimmung und Frei⸗
eit Der eine denknotwendige Satz sagt: Aus der Ge—
imtheit aller Urjachen ergeben sich unentrinnbar alle Folgen
n ihrer Gesamtheit, und wenn in den Oerbnüpfungen des
ßeschehens, in Ursache und Wirkung eine bestimmte Folge
egründet ist, dann tritt sie ein — mit anderen Worten:
du kannst dem nicht entrinnen, was als dein Schickjal be⸗
immungsgemäß in der Gesamtlage der Welt für dich fest
elegt ist. And andererseits fühlst du mit Gewißheit: es ist
twas in dir, was wählen bann, was beine andere Sindung,
ls dein eigen Wesen hat, das sich für oder gegen etwas
u entscheiden und in der Entscheidung frei zu jein vermag.
tie wird ein Wissender hier die Lösung finden. Eines nur
ann alles Beklommensein, alle Furcht überwinden, bann
en Menschen ruhig und sehend in jede Gefahr gehen lassen:
er Glaube an den Sinn des Seins. Hätte ohne diesen
zlauben irgend ein Opfer nur den geringsten Wert? Hätten
hne ihn im Weltkrieg Millionen Männer auf allen Seiten
laren Sinnes in die Hölle der Großbämpfe ziehen können?
Vas dir bestimmt ist, darin erfüllt sich ein Sinn, der dein
zelbst überschreitet und dich damit unlöslich mit den wirken-
en und schaffenden Kräften des Weltengrundes verbnüpft.
Iin diesem Glauben kannst du beides sein: furchtlos und treu;
r bann dir helfen, das Ich und die Welt zu überwinden.
Schon hat die Sonne die Mittagshöhe überschritten.
zwischen hohen Stämmen dunbkbler Tannen wird es licht,
ind es schimmert freies Gelände durch. Aus dem Dunbel
wischen Jungtannen flattert ein leuchtend gelber Sitronen-
alter im schwanbenden Fluge vorüber, ein goldbrauner Lauf⸗
äfer kreuzt den Weg. Wo werdet ihr Frũherwachten die
dahrung finden, die ihr braucht? Der Wald endet, freies
dand, äckertragende Hügel, Talmulden liegen vor dem
Zlick, und jenseits steigen wieder bewaldete Höhen empor.
feucht schimmert das Erdreich, silbrig fließt das Sonnenlicht
ber Ackerschollen hin, die der Pflug in den letzten Tagen
ewendet hat, ein leises Atmen haucht durch den —R
essen herber Duft mit feinstem Dampf zusammen aus den
zurchen aufsteigt; und das Sonnenlicht saugt den Dampf
mpor und löst ihn in warmer, lichter Luft auf. Auf andern
Ackern steht im hellen Grün die Wintersaat, ihre Hälmchen
einken sich satt aus dem Boden, der vom Schmelzwasser
urchtränbk ist, und schnellwachsend schieben sich gleichzeitig
hre Würzelchen im sanft gelockerten Erdreich weiter. Hier
edet und raunt alles vom Geschehen in der Natur und
einem ewigen Ineinandergreifen. Lebendiges Werden ist.