Heimat · Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst
Nr. 6/ 10280Epeme Donatch Vrguptais l2 Du im icgtelsahen eimoh orte rahere
5. Jahrgang
Vorfrühlingy õ DVon Carl Hacberlin.
Vor drei Tagen hatte in der Abenddämmerung unter
ief graublauem Himmel der Wald in Dusft und Dampf
gestanden. Die schnell nach der langen, harten Frostzeit
eingetretene Wärme hatte die großen Schneemassen geschwind
zum Schmelzen gebracht, und nur an den Nordhängen lagen
noch größere, zusammenhängende Schneefelder; nach Morgen,
Mittag und Abend zu hatte die Sonne fast alles weg-
geschmolzen, und reichlich verdunstende Wassermassen hatten
sich als Nebel emporgehoben und zu Wolkben wieder zu—
sammengefügt. Überall in Wald und Busch war ein Kinnen
und Kieseln, ein leises Gurgeln und Glucksen, ein Fließen
und Tropfen; kleinste Kinnsale zogen durch Moos und
Gras, weich und schlammig war die Erde auch unter den
dichten Massen der braunen Buchenblätter, überall lockerte
ich der Boden, und Graugrün, Grau und Braun erschienen
wieder, wo vorher all der lichte Glanz von Schnee und
Kälte leuchtend gestanden hatte. Noch ein paar Tage
rüher, und unter einer dichten Schneedecke schien alle
Natur tief zu schlafen; eisiger Ostwind hielt Luft und Himmel
tlar, und vom reinen Firmament flossen ungeheure Mengen
wveißblauen Lichts durch die Atmosphäre und über die
schweigenden schneeigen Felder und Wälder hin, eĩin Glänzen
und ein Strahlen, das das Auge kaum zu ertragen ver—
mochte und das ein Gefühl unsagbarer Keinheit der ganzen
Natur weckte. In blarem, scharfem Licht stand Näheres
und Ferneres; der einzelne Baum und ganze Berge warfen
blaue Schatten, und in ein auf Erden fast nie erschautes
Leuchten war die Ferne verblärt. Atherreine Luft wehte
dem Berganstrebenden aus den Höhen entgegen, und es
war, als ob eĩin heiliger Hauch, ein Hagion Pneuma, in
ihn einginge, wenn die in der Arbeit des Steigens sich
Aus Carl Haeberlin: Blätter aus meinem Lebensbuche, HeimatschollenVDerlag.
veitenden, luftverlangenden Lungen den sonnendurchfluteten
Vind voll in sich einsogen. Und wer in nächtiger Stunde
inausging über leise lirrenden Schnee, auf dem das sanfte
ꝛicht der Gestiene im dämmernden Widerschein träumte,
er sah in den unermeßlichen Fernen des Weltenraumes
uf schwarzem Grunde ein strahlendes Funkeln und Leuchten
ngezählter Sonnen und Lichtnebel zu seinen Häupten —
as urewige Lied vom Werden, Sein und Vergehen in
er Flammenschrift weltenschöpferischer Gestaltungsbräfte mit
en Bahnen still wandelnder Sterne und Sternhaufen in
ie unendlichen KRäume eingezeichnet — sah über sich die
dacht, die schweigende Urmutter des Seins, aus deren tief-
unkbein Mantelfalten hier und da Welt und Leben, Tag
nd Licht hervorquellen, die wieder in ihr ewig welten⸗
hwangeres, geheimnisreiches Dunkel in nie endendem Nuf
ind Nieder, im Sternentanze eines bosmischen KRhythmus
eimbehren und ewig gewandelt aufs neue aus ihm ausfluten.
All die hehre Herrlichkeit des Wintertages und der
Vinternacht ward dann dem menschlichen Auge entrückt.
der Wind sprang um, föhniges Wehen blies mit warmer
duft aus West und Süd, der Schnee begann zu schmelzen,
ind aus dampfenden Tälern, Wäldern und Wiesen hoben
ich Nebel, und bald barg sich der Sonne und der Sterne
dicht hinter dichtem Gewölk; Nebelregen schwebte in der
duft, von Baum und Busch troff und floß feines Geriesel,
ind zu Schlamm ward das Erdreich. Alles Leuchten, alle
zchönheit des Winters mußte weichen und schwinden, graue
ässe und feuchter Morast mußte bommen, damit die große
Vandlung sich vollziehen und dem Leben neu die Stätte
ereitet werden bönne, dem Leben, dem seit dem Wechsel
es Windes und dem Wehen wärmerer Lujst in Grund und
Zruch, in Hecke und Baum, in Wald und Feld, in Ge—