gehört, und der Kückmarsch zur Arbeit sind die einzigen Seiträume,
wo der Bergmann der Welt gehört. Die übrige Fent ist er ihr
begraben. Wohl dem, der derb genug organisiert ist, um das
erfragen zu können. Jedem aber, den noch kbein Hauch sozialen
Verstaͤndnijsses und Mitkempfindens berührt hat, und manchem viel⸗
leicht, der mit dem Munde sozial schwätzt, wäre es nur zu empfehlen,
eine einzige neunstündige Schicht im Ostfelde des Bransroder
Stollens zuzubringen.
Wir nehmen von den Bergleuten daselbst wieder Abschied
und treten den Rückweg an. Unheimlich umlauert fühlt man sich
hier von den Dämonen der Tiefe, dem Felsdruck, dem Wasser,
dem Feuer. Trotzdem kbönnen wir es uns nicht verjagen, hier noch
einige jeitwärts gelegene Orte aufzusuchen. wo prachtvolle Glanz⸗
kohle gebrochen wird, die sich durch Einwirkung der Basalthitßze
einerzeit aus der gewöhnlichen Braunbohle veredelt hat, wobei
auch merkwürdige Stengelbildung der Kohle vorgebommen ist,
bon der ich vor dem Kriege in Bransrode Muster gesehen habe.
Aber an diesen Orten, zu denen man sich auf zusammengepreßten
Hängen unter knickenden Hölzern hindurchzwängen muß, ist die
Luft so heiß und sauerstoffarm, daß unsere Lampen nur noch mit
kleinen blauen Flämmchen brennen. Gern ziehen wir uns wieder
zurück und streben, müde und gesättigt von den empfangenen Ein—
drũcken, dem Stollenausgange zu.
Endlich nähern wir uns der Oberwelt, endlich bönnen wir uns
wieder ungehindert aufrichten, und endlich begrüßen wir wieder
aufatmend zwar nicht das Tageslicht, wohl aber die helle, schöne
Mondnacht mit dem schattenhaft verschwimmenden weiten Lande und
den Lichtlein in den Fernen. Feine Nebelschleier spinnen sich ũber
die Täler, und wenn uns etwas in dem Genujsse des Friedensbildes
stört, so ist es lediglich der Kohlendunst, den der Wind vom Ent-
lüster herüberträgt, und ohne den Bransrode selten zu finden ist
Es ist doppelt schade bei der herrlichen Lage in den Höhen des Berg⸗
valdes, aber die Anwohner scheinen es gar nicht mehr zu spüren
Inzwischen entledigen wir uns unserer Ausrüstung zur unter-
irdijschen Keise und stellen mit Entsetzen fest, daß wir, trotzdem
wir beinen Schlag getan und nur Grubenbummler gespielt haben,
dennoch so schwarz geworden sind, daß eine gründliche Waschung
not tut. Diejse d dann, und wir folgen unserem Führer
unters gastliche Dach, voll Dank gegen ihn für die reichen und
bemerkenswerten Eindrücke und — Auswüchse, die sich in Gestalt
verschiedener Beulen am Hirnbkasten abtasten lassen, — die er
uns vermittelt hat, und die geeignet sind, Dank und Einbildungskraft
noch lange in Schwingung zu erhalten. Unser alter, geliebfer und
verehrter Meißner aber scheint uns noch einmal so vertraut nahe
zu stehen, seit wir, vorwitzig, wie es Menschenart ist, auch in seinem
innersten Eingeweide umhergebrochen sind.
Der Bär oder Todstein bei Abterode.
HOon Helene Brehm, Kinteln a. d. Weser.
Ein eigenartiges Naturdenkmal befindet sich am nordöstlichen
Ausgang des Dorfes Abterode am Wissener, in der Nähe des
alten Friedhofes, mit seiner malerischen, leider dem Untergang
eweihten Kirchenruine. — Dies Naturdenkmal ist ein mehrere
Neter hoher. sich senkbrecht aus dem Abhang eines Hügels
rhebender Felsblock, der einem aufrecht stehenden Bären sehr
ihnlich sieht. Der Block heißt denn auch „Der Bär“, während
er DVolksmund den Feljen als „Todstein“ kennt. — In früheren
jahren zog das junge Volk am Schluß der Kirmesfeier mit Musib
um Todstein hinaus, um hier die Kirmes in Gestalt eines Siroh⸗
nannes oder einer Flasche Schnaps zu „begraben“. Dabei wurde
om Felsvorsprung am Halse des Bären von einem Burschen eine
herzhafte Trauerrede gehalten.
Der althergebrachte Brauch des Kirmesbegrabens und des
ẽ ntzündens des Osterfeuers an dieser Stelle, sowie die volks-
nundliche Bezeichnung „Todstein“ dürsten ein Hinweis darauf
zin, daß sich hier eine altheidnijche Opferjtätte befand.
Abrigens besitzt der Bär noch einige wunderbare Fähigkeiten:
Venn man ihn dreimal hintereinander umgeht, so hat man beinen
Zopf mehr; hört er es in Abterode elf Uhr läuten, so dreht er sich
reimal herum, und fragt man ihn: „Bär, mas machst du?“ so
mtwortet er: „Gar nichts.“
Weg durch die Winterdämmerung.
Auch im Winter seid ihr schön, ihr mancherlei Bäume am
Vege! In der Abenddämmerung steht ihr wie tröstlich geleitende
dũter, bnorrig und wetterfest, und ich grüß euch mit herzlichen
Blicken wie Brũder.
All eure Kräfte schlafen in euch, tief in den Wurzeln. Und
zurchs kahle Gezweig, das fein sich abhebt vom Himmel, tropft
zas kũhle silberne Sternenlicht. Tief und erquickend ist euer Schlaf.
And ich weiß, was ihr träumt. Vom Erwachen im Frühling, wenn
hr wieder die grüũnen, flatternden Fahnen aufsteckt, wenn euch die
zonne wieder den weiß und rosa schimmernden Krönungsmantel
es Lebens leicht um die Schultern haͤngt, und die Võglein
ruchzen in euer Blühen. Glüũckhaftes Keisen und Spenden mag
hon in euern Winterträumen sein, ihr Bäume am Wegel Schlaft!
hlaft und laßt aus den Quellen des Schlafes schaffende Kräfte
usammenrinnen, kböstliche Früchte des Sommers zu bilden.
.
Unter dem dämmernden Winterhimmel breist lautlos ein
trähenvolk, schwenkt und wendet mit zuckendem Schwingenschlag
iber dem Talgrund wie eine finstere Wolbe, schnelljegelnd am
lanken, frostklaren Himmel. Fernher brächzt es mit heiserem
S5chrei durch die Stille. Sechs Versprengte sind's, die zurück-
treben zum breisenden Volke. Das nimmt sie auf und entschwindet
om hellen Dezemberhimmel, daran schon ein Stern blinkt. Und
er große, schweifende Kraͤhenschwarm taucht unter den dämmernden
doriʒzont. Die finstere Ferne verschluckt das wandernde Volk, wie
as Schicksal Völker der Menschheit hinwegnimmt.
Sterne enttauchen den Tiefen des Himmels, zahllos und
veihnachtlich leuchtend. Heineich Kuppel.
VDom Pulsschlag der Heimat.
Eine hessische Hochzeitssitte.
ODom „Hemmen;, einer alten hessischen Hochzeitssitte, schreibt
die „Kasseler Post“ (Nr. 56 im 48. Jahrg.): „Eine seltsame Hoch-
ʒeitssitte hat sich in Hessen bis in den Anfang des 190. Jahrhunderts
hinein erhalten. Wenn eine Braut zur Kirche ging, dann hatte
edermann das Recht, sie zu „jemmen“, d. h. er durfte ihr in den
Weg treten, und sie hatte sich dann von ihm durch ein Geldgeschenk
los zukaufen. Kinder trieben das „Hemmen“ gewöhnlich in der
Weise, daß sie einen Faden über den Weg zogen. (Die Dreähte,
um Automobile abzufangen, sind also nichts absolut Neuesl) Da
sich aber nicht nur Kinder und Arme daran beteiligten, sondern
jogar wohlhabende Leute, nahm das „Hemmen“ bald so überhand,
daß das Hochzeithalten eine bostspielige Sache wurde. Da nahm
sich die Behörde der Angelegenheit an, und im Jahre 1811
erschien eine Verordnung, die das „Hemmen“ verbot. „Personen,
die eine Braut fangen oder hemmen, sollen, wenn es Kinder sind,
mit KRuten scharf gestrichen, wenn es Erwachsene sind, mit acht-
tägiger Turmstrafe bei Wasser und Brot unnachläßlich belegt
werden“, so lautete die Verordnung. Die Sitte hat sich aber
trotzdem noch viele Jahre hindurch erhalten. Sogar heute soll sie
in Dörfern noch vorkommen.
Diceser durch behördliche Oerordnung verbotene Brauch bestand
im Haungrund und in der Gegend des Süllingswaldes noch bis
um Weltbkrieg und wird wohl auch heute noch nicht ganz erloschen
ein. Freilich wurde hier der Brauch in anderer Form geübt.
Venn ein Mädchen heiratete, wurde der Brautwagen etwa zwei
der drei Tage vor der Hochzeit gefahren. Das war eine große
zache, besonders dann, wenn das Mädchen nach auswärts freite.
die Braut hatte ihren Platz auf dem hochgetürmten Brautwagen,
inter dem Spinnrad; ihr zur Seite saßen die Brautjungfern.
inter dem Brautwagen ging die Brautkuh. In kurzer Entfernung
olgte das Beiwägelchen oder Beischeeschen, das die Brauteltern
ind allernächsten Verwandten trug. In letzter Seit saß manchmal
uch die Braut im Beischeeschen und nicht mehr auf dem Braut—
hagen. Hinter dem Brautwagen hatte auch der Bräutigam zu
ehen. Der mußte eine ordentliche Tasche voll Hänselgeld und
ine Flasche Schnaps haben. Die Flasche wurde jedem am Wege
tehenden zu einem herzhaften Trunk aus dem Stammende gereicht.
in allen Vörfern, durch die der Brautwagen bam, wurde eifrig
ehãnjselt. Dieses Hänseln bestand darin, daß Kinder und Erwachsene
in Seil oder eine Bohnenstange über den Weg hielten und dem
Vagen Halt boten. Nicht nur geringe Leute taten das, auch
vohlhabende machten sich einen Spaß daraus, den Brautwagen
ufzuhalten. Dann griff der Bräutigam in die Tasche und löste sich
ei ärmeren Leuten mit einem Nickelstück aus, bei der Kinderschar
urch einige Hampfeln Kupfergeld, worunter wohl auch einige
nickelstũcke waren; diesen Kleingeldsegen warf er wie einen Körner-