Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Aus alter Seit. 
Das Rathaus und das Kaufhaus 
zu Eschwege. 
Das äãlteste Kathaus hatte noch verjchiedenen Swecken gedient. 
In ihm wurde Gericht gehalten. Kats gepflogen, geschmaust und 
etanzt. Auch das gesamte Geschäftsleben spielte sich hier ab. 
Als die Stadt immer größere Bedeutung gewann, und der Handel 
edeutender wurde, hai man gewiß aus Raumbedürfnis im Jahre 
431 die Wage und die Weckebuden errichtet. Auch für Handels- 
wecke mußte man größere KRäume haben. Man begann deshalb 
m Jahre 1452 mit dem Bau eines großen massiven Gebäudes, 
es Kaufhauses. Diese Jahreszahl befindet sich auf, einer noch 
ꝛttt vorhandenen Tafel von 60)103 em mit der Inschrist: 
Anno X dni Xx moxx 
ccce X L I) ist x dit 
werk X an-gericht 
Zur Ausführung kam zunächst aber nur der Anterstock, welcher 
nach Osten zu, vom alten Kathaus durch das Katsgäßchen getreunt, 
en Stadtweinkbeller in zwei Gewolben ũbereinander und im Westen 
die stãdtijche Garbüche enthielt. Der 
Oberbau, das Kaufhaus, bam erst 
pãter im Jahr 1588 zur Ausführung. 
Suerst diente das Gebãude wohl all⸗ 
gemein dem Handel, später jedoch 
diente es nur den Gewandschneidern 
als Verkaufsraum, weshalb das 
Kaufhaus nur noch als „Tuchboden“ 
bezeichnet wurde. 
Sas Gebãäude hatte eine hervor⸗ 
ragend schoöne Westfassade, wie wir sie 
nur noch an dem Eschweger Schloß 
und dem neuen Haus antreffen. 
Aber eine zweiläufige Freitreppe 
jelangte man vor ein Kenaissance⸗ 
bortar mit dem hessischen und dem 
Ejchweger Wappen unter dem Giebel 
und der Jahreszahl 1588. Der Raum 
des Kaufhauses ging durch zwei Ge—⸗ 
chojje und hatte jedenfalls Emporen. 
Der Giebel ist besonders reich aus⸗ 
gestattet und erinnert an das Rat- 
haus zu Münden und zu Hersfeld, 
vährend man die schreitenden wappen⸗ 
halienden Löwen in gleicher Aus— 
ũhrung an dem landgräflich hessischen 
Marstall zu Cassel auf den Siergiebeln 
ieht: Die Bekrõnung bildete auch 
dier eine Kolandsfigur. 
Die Uhr wurde 1760 angebracht, 
ie war für ihre Seit ein bostspieliges 
Kunstwerb, sie zeigte die Stunden auf 
der West- Nord- und Güdseite an. 
Im Jahre 1862 erhielt Hof⸗ 
Kammerräat von Feckenhofen den 
Auftrag, für eine an Stelle der 
Freitreppe anzulegende Hauptwache 
inen Grundreiß anzufertigen. Für Keijekosten und Aufnahme 
ines Teiles des aiten Tuchhauses, für Seichnung und Kosten- 
inschlag wurden ihm 40 Taler 16 Albus gezahlt. 
Voͤr dieser Zeit befand sich die Hauptwache in dem Kathaus, wo 
ie 1799 an Stelle der alten Apothebe eingerichtet worden war. 
die neue Hauptwache bestand aus dem Wachtlobal, einer Offizier⸗ 
ube und der Arrestantenstube. Auf einem alten Steindruck von 
Kobling vom Jahre 1826 sieht man das höchst unschön wirbende 
Vachthaus an Stelle der abgebrochenen Freitreppe, vor dem Wacht- 
aus einen erhöhten Platz mit Gewehrstũtzen, Aber der Haupt⸗ 
pache waren zwei Eisenplatten angebracht mit einem von KHebtor 
Kabanus Lukbas Ende des 16. Jahrhunderts verfaßten Distichon: 
Das älteste Rathaus der Stadt Eschwege stand mitten auf dem 
großen Marbt, seine erste Erwähnung geschieht als pretorium seu 
onsistorium im Jahre 1303. Alber sein Aussehen und die Seit 
eines Abbruches weiß man nichts. Nach Banges thüringischer 
Lhronik wurde im Jahre 14831 nach dem Kohlmarkbkt zu in westlicher 
Kichtung ein hölzernes Gebäude errichtet, das die Stadtwage und 
ie Weckebuden im Untergeschoß enthielt. Das Gebäude war 
ehr eng und niedrig. Auch dieser Bau ist verschwunden. Er 
rannte bei dem großen Stadtbrande im Jahre 1031 ab. An 
einer Stelle wurde im Jahre 1660 ein Neubau aufgeführt, der 
noch heute steht. Gleich wie sein Vorgänger enthielt dieser Bau 
m Antergejchoß die Stadtwage und die Weckebuden. 
Wenngleich das Rathaus durch 
leine Umbauten verändert worden 
st, bLann man noch die alte Ein— 
eilung der Geschosse erkbennen. Su 
ebener Erde betrat man vom Marbt 
aus durch eine breite hohe Tür den 
Vageraum, wo eine Balbkenwage 
nit 3wei Holzschalen an der Decke 
»ing. Links davon lag, wie auch 
roch jetzt, das Simmer des Wiege⸗ 
neisters, der von hier aus in seine 
Uleine Wohnung gelangen kbonnte. 
Auf der anderen Seite des Wage— 
raumes zog sich ein langer Raum 
mit einer langen Reihe Fenster hin, 
in welchem die Bäcker ihre Ware 
eil hielten, daher der Name „Wecke- 
uden“. Nach der Stadtkämmerei- 
Kechnung vom Jahre 1799 wurde 
im Untergeschoß des Rathauses eine 
Apotheke betrieben. Jetzt enthält 
das AUntergeschoß die Brückenwage, 
die Simmer des Eichmeisters und 
einen Kaum für eine Feuerspritze. 
Das Inventar vom Jahre 1884 
peist als zur Wage gehörig z3wei 
Magebretter auf mit Ketten und 
Hewichte von ein Sentner, 56, 54, 
12, 21, 21, 11, 4, 21/2 und 1/ Pfund. 
Auf der Wessjseite führte die 
Treppe zum Obergeschoß, welches in 
rinen großen Vorplaßtz, eine Stube, 
owie einen Saal eingeteilt ist. Die 
gleiche Anordnung zeigt auch das 
zweite Stockwerb. 
Die Käume des ersten Stochk- 
werbes bildesen die Arbeitsstube 
des Stadtschreibers, jowie die Repositur, während im obersten 
Stockwerke die große Ratsstube mit zwei Vorgemachen und die 
Kämmerei sich befanden. Auch befand sich dajelbst ein leichteres 
Befängnis, das sogenannte Jokskämmerchen, das Schreckgejpenst 
aller unartigen Kinder. 
Bemerbkenswert an dem Kathaus ist die Tür zur Wage mit 
der Inschrift: ESCHVEGIAM 1660 zu beiden Seiten des Stadt- 
vpappens. Uber dem Eingang zur Treppe befand sich die Inschrift: 
a Fra XI neae le X sae Va VI ae 
Desolationis Annus Cons VM serat aedes 
Reparationis Aedes gparci hon 
— A 
DVrch Ra VCh und RacCh In 
AsCh WVeg EsCh weg Ist gebracht 
In LIeber FrleDenszelt Ist 
Rathha Vs steht geMacht 
Sum Bau des Rathaujses hatten nach einem Ratsbeschluß von 
i650 jeder Brauer] Taler, andere Bürger, die beine Brauerei 
hatten, !/ Taler, andere je nach Vermögen 1, 6 oder weniger 
Albus zu zahlen. 
Die ehedem von der Stadtverwaltung benußten Käume waren 
zuletzt der Kreissparbasje eingeräumt. 
Consulibus binis Schefiero lloretis arte, 
Daedalus et Schreiben Curia fixa stetit. 
uminibar faustis Heroldo Judice Taurus 
7t Stango aedili molnia prima locat 
Distichon ut nosoas, lector prins occulit annum 
dignatur mensis posteriore tibi. 
sRabenus Lucas, Rector scholar secit. 
Debetur soli gloria, cuncta/Deo. 
IJ. 
Der Tuchboden, dessen Decke im Anfang des 10. Jahrhunderts 
chon eingestũrzt war, wurde vorübergehend von Schauspielertruppen
	        
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