eimat · Schollen
Slätter zur Pfledge hessischer Art. Geschichte und Heimatbkunst
—8 IJ Die Heimat:Schollen, werden den Kreisblättern in Homberg, Melsungen, Kotenbuerg und Siegenhain
Nr 5 ⸗ 1921 beigelegt. Die Kreisblãtter in Fritzlar. Frankenberg, Hersfeld, Hünfeld, Kirchhain und, Wolfhagen liefern 1 Jahrgano
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Die Enkeltochter der Hex 0 Von Joh. H. Schwalm.
Erzählung aus dem Schwalmtal. . Fortsetzung.
diebe und Geduld, ein Dater der Armen, eine Stütze der
Schwachen und vor allen Dingen ein — Mensch, der seine
eignen Schwächen kannte, um desto milder mit denen seiner
Mitmenschen ins Gericht zu gehen.
Das Käppchen aber verdarb den Mann. Es hing in
ehterer Seit erschrecklich oft nach vorn. And nun gar
heute. Eben fiel ihm das Mützchen vor die Füße. ein
⸗ʒeichen, daß sein Träger empört sei.
„Siehe, mein Kind, unser Herr Jesus Christus will dir
»eine Sünden in Gnaden vergeben, aber, meine Tochter,
du mußt nun auch mit der ganzen Wahrheit ihm entgegen-
rommen. Sage mir, deinem Seelsorger. deinem besten Freund.
ver ist's?“
Lieber Herr Pfarrer, ich kann's nicht.“ Ann ist's, die
nit tränenüberströmtem Gesichte vor dem Pfarrer steht und
diese aus einem gepreßten Herzen quellende Antwort gibt.
„Kind, du bannst nicht. — Sieh mich einmal an, ich
zin ein alter Mann, über dreißig Jahre diene ich nun dieser
Hemeinde, aber so etwas ist mir nur einmal noch in meinem
Leben vorgelommen. Kind, erleichtere dein Herz.“
„Ich kbann's nicht, Herr Pfarrer. Der Judas — hat
nir Geld angeboten — um mich los zu werden — und
zerhieß mir doch erst, mich zu heiraten. Und darum —
schäm ich mich seiner, — darum nenn ich seinen Namen
nicht — und sollte ich sterben müssen — darum .. .. Ich
renn' ihn nicht mehr — er ist aus meinem Gedächtnis
entschwunden — — nur noch zur Kache flammt er drin, in
neinem Herzen, als etwas AUngeheuerliches, das man von
ich werfen möchte und doch nicht loswerden Kann. Ach, du
iebeer Goftt —
Der Wetteranzeiger eines Menschengemüts sind mancherlei.
Bei dem einen Menschen röten sich die Wangen, blitzen die
Augen, beim andern furcht sich die Stirn. Nuch daß sich
unwillkürlich die Hand zur Faust ballt, gilt als untrüagliches
Zeichen drohenden Wetters.
Der Pfarrherr Leutewein in Wiesenbach besaß einen
anderen Wetteranzeiger, sein Hausbäppchen. Saß das im
Nacken, so bedeutete dieser Umstand, daß der Himmel seines
Hemütes von beinem Wölbchen bedeckt sei. Hing besagtes
Käppchen auf der rechten Seite, so Lonnte man hundert gegen
eins wetten, dem Herrn Pfarrer müsse etwas Guts geschehen
sein. Schwanbte die Kopfbedeckung nach links, deutete das
auf etwas Unerfreuliches, das ihm heute schon über den
Wag gelaufen war. Thronte das Mützchen genau auf der
Mitke, war mit dem Heren Pastor Leutewein nicht gut um—
gehen, er neigte dann zu etwas schärferer NAuffassung als
gewöhnlich, sah gewissermaßen alles durchs Dergrößerungs-
glas. Dieses bezog sich auf Gutes sowohl als auf Böses.
Sturm zeigte sich bald, wenn der Wetteranzeiger nach vorn
rutschte. Sogar der Grad des drohenden Wetters ließ sich
feststellen. Mützchen etwas über dem vorderen Haarrand:
nicht alles in Ordnungl Mützchen halbe Stienbreite: ein
tüchtiger Aerger. Mützchen über der Nasenrunzel: schauder—
hafter Nerger.
Wer aber nun meinen wollte, der Pfarrer Leutewein
habe der Familie Anleid oder einer ihr nahe verwandten
Sippe angehört, der wäre auf dem Holzwege. Der Pfarrer
Leutewein war vielmehr der beste Mensch von der Welt,
oin Muster seiner Gemeinde. ein Seelsorger von unendlicher