Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Nimmermehrstag“. Theodor Vollbehr steuert u. a. zweĩ romantische 
Harzmärchen, Ernst Borkowsky das Weihnachtsmärchen „Von den 
drei Königen‘ und „Die schwarze Krone“ bei. Die Märchen 
wollen nicht modern sein und sind es nicht — und das berührt den 
unverbildeten Leser — Kinder sind gottlob noch unverbildet — 
vohltuend. Das gediegene Buch wird kbleine und große Leser 
erzlich erfreuen. 
Adolf Häger, Aus Tag und Traum. Gedichte. Heimat— 
schollen-Oeelag Melsjungen. Preis geb. 1,60 Me. 
Der Lyriker Häger ist den Heimatschollenlesern bein Fremder 
nehr. An seinen stimmungsvollen Naturgedichten haben sie sich 
schon oft erfreut. Nun bietet er hier eine erste Ernte seiner Lieder. 
Zwei Motive klingen immer wieder an: Natur und Liebe. Mit 
ihren leisesten Kegungen und zartesten Farben spiegelt sich die 
Natur in dieser Dichterseele, die allem Leben und Erleben mit 
feinen Organen entgegenkommt, um es in sich aufzunehmen. Und 
die Natur wiederum ist den eigensten und geheimsten Erlebnissen 
dieser Seele ein Spiegel, der Glück und Leid gedämpft zurückstrahlt. 
Nicht zu überhören, weil mit ihnen in unlösbarer Verbindung 
stehend, ist neben den beiden Hauptmotiven die Dissonanz, mit der 
die Alltäglichkeit in den Höhenflug der beschwingten Seele hinauf- 
ichrillt. Köythmus und Wohllaut der Verse sind so fein, daß man 
Auf der Ho 
Hans Jabob Christoffel von Grimmelshausen 
begeht in diesem Jahre seinen dreihundertsten Geburtstag. Er 
vurde um 1625 in Gelnhausen geboren, in fruühester Kindheit 
bon räubernden Soldaten verschleppt und als Troßbube, später 
als Musbetier allen Drangsalen des Krieges ausgeliefert. Einem 
guten Geschick ist es zu danken, daß er Kanzleischreiber eines 
hayrischen Obristen wurde und sich eine an Umfang bedeutende 
Bildung erwerben konnte. Im Frieden war er Schultheiß zu 
Kenchen im badischen Schwarzwald. Er starb im Jahre 16076. 
Sein Hauptroman ist der abenteuerliche Simplizius 
Simplizijjimus, wie die Soldateska einen verschleppten Knaben, 
den Helden seines Romans, nennt, der ähnliche Sũüge wie der junge 
Parzival Wolframs aufweist. Das Buch ist das getreueste Spiegel- 
bild des Dreißigjährigen Krieges und nach Ed. Engel „Der erste 
virbliche Roman deulscher Literatur, iniofern als er ein volles 
Lebensbild mit einer allmählichen inneren Entwicklung des Helden 
hietet, die aus ãußeren und inneren Eelebnissen hervorwächst.“ 
In einer anderen seiner zahlreichen Schriften, betitelt „Der 
Teutsche Michel“, wendet sich Grimmelshausen mit treffenden 
Worten gegen die Fremdtümelei seiner Landsleute und die Ver— 
velschung der deutschen Sprache. Das Jahr 1025 wird den 
Namen dieses Dichters allen Deutschen, besonders auch seinen 
hessischen Stammesbrũüdern ins Gedächtnis zurückrufen und sie 
unter seiner Führung eine der dunkelsten Epochen deutscher Ge— 
ichichte erleben lassen. 
Wilhelm ThielmannGedächtnisausstellung. 
Wie schon erwähnt, hatte der Kunstverein zu Cassel im Januar 
eine Ausstellung veranstaltet, in welcher das gesamte Schaffen 
des im November vorigen Jahres verstorbenen hejsischen Malers 
uind Graphikers Wilhelm Thielmann in einem guten UÜberblick 
gezeigt wurde. Private Kunstsammler und öffentliche Galerien, 
darunter die Nationalgalerie in Berlin. die Städtische Galerie in 
Lassel, das Landesmuseum in Darmstadt, hatten dazu beigetragen, 
daß der große Saal des Kunsthauses mit größtenteils bebannten 
Hemälden Thielmanns ausgefüllt werden Lonnte, während der 
leine Saal und das graphische Kabinett den Seichnungen und 
Kadierungen zur Verfügung gestellt waren. So lag einmal 
die interessante Möglichkeit vor, der Entwicklung des Künstlers 
nachzugehen und insonderheit seinem Ringen um die Farbe an 
Hand wertvoller Beijpiele auf den Grund zu schauen. Denn dies 
st bennzeichnend für Thielmanns Läünstlerische Erscheinung: von 
Haus aus Graphiber, ein Künstler nämlich, desjen schöpferisches 
Wesen in Schwarzweiß-Ausdruck sich verlautbarte, war ihm in 
WDillingshausen, im Verkehr mit den heimischen Malern, der Keiz 
farbiger Darstellung aufgegangen und der Trieb erwacht, auch 
einerjeits in boloristischer Ausdrucksweise sein Erlebnis zu gestalten. 
Mit einem fast von bäuerlichem Trotz gespannten Willen bämpfte 
er in sich um die Kunst farbiger Gestaltung, und es ist in der Tat 
mponierend, wie er, von Stufe zu Stufe emporsteigend, ein meister⸗ 
iches Können auf einem ursprünglich ihm fremden Gebiet ent— 
altet, ohne doch auf graphischem Gebiet irgendwie an der Hoch— 
vertigkeit seiner Leistungen einzubüßen. Im Gegenteil: ein Der— 
ie nur bei lautem Lesen voll ausbostet. Menschen mit einem 
ungen Herzen kbann kaum eine liebere Gabe geboten werden als 
eses schön ausgestattete Versbuch. 
Fritz Stück, Seitschrift des Geschlechtes Stück. Jahrg. 5, 
NUr. 835 und 36, Preis der Nr. 0,60 Mb. 
Der unseren Lesern bekannte Herausgeber, Architekt F. Stüch 
n Niederzwehren, bietet hier weitere Ergebnisse seiner eifrigen 
forschertätigkeit. Es ist zu bewundern, mit wieviel Liebe, Scharf- 
nn und Opfermut er den Spuren der zumeist hessischen und main- 
ränkijchen Ahnen des Hauses Stück nachgeht. Daß solche auch 
nanderen deutschen Gauen zu finden sind, erhellt zur Genũge 
us den früher erschienenen Nummern. Die im „Echo“ wieder— 
egebenen Seitungsstimmen sind ein Beweis dessen, wie die un— 
emüdliche Arbeit diejes bedeutenden hessischen Familiengeschichts- 
orschers gewertet wird. Die am 83. November 1924 in Cassel 
egründete „Gejellschaft für Familienkunde in Kurhessen und 
Valdeck“ will die Familiengeschichtsforscher des Heimatgebietes zu 
emeinsamer Arbeit zusammenfassen und läßt somit eine merkliche 
förderung ihrer Bestrebungen erhoffen. Die Seitschrift des Ge— 
hlechtes Stũck wird nur noch an Abonnenten abgegeben und zwar 
» Nummern (37 bis 42 einschließlich) gegen eine vorauszuzahlende 
Zezugsgebühr von 3 Mep. 
imatwarto. 
leich seiner BSildniszeichnungen mit dem letzten (im Heimatschollen⸗ 
derlag erschienenen) Selbstporträt lehrt, daß er als Seichner 
uücht weniger lebhaft fortgeschritten war von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, 
ils in der Handhabung des Pinsels. Im übrigen, däs bewies 
ie Gedãchtnis⸗Ausstellung aufs neue mit unabweislichem Nach— 
ruck, war Thielmann ein Mensch, der nicht nur mit Künstler- 
Augen äußere Reize wahrzunehmen und mit bundiger Hand fest- 
uhalten wußte, sondern auch mit MenschenAugen Wesen und 
ʒchickjal des Menschenbruders, der Menschenschwester zu schauen 
oußte, ohne mit Worten fragen zu müssen. Der Mensch zumal 
dar es immer, der mit allen seinen Stimmungen und Verrichtungen, 
einem Tun und Lassen, seinen Freuden und Schmerzen in ihm 
iejenige geistige Bewegung auslõste, die ihn unweigerlich zum 
zchaffen trieb, zu einem Schaffen, das, ein blarer Spiegel des 
dolbslebens, nicht am Einzelnen, Sufälligen haftete, sondern 
harf sich einstellte auf das Wesen jeglicher Erscheinung und 
ementsprechend auch in der Darstellung danach strebte, mit moͤglichst 
ereinfachten Mitteln das jeweils Entscheidende herauszuarbeiten. 
die Lebensarbeit Wilhelm Thielmanns darf mithin als ein Ver— 
aächtnis angesehen werden, das den bulturellen Keichtum des 
eufschen Volkes in bedeutendem Maße vermehrt. W. s. 
Wüste Ortschaften und Flurnamen. 
Neben Landaus beiden Büchern (Beschreibungen des Hessen- 
aues 1857 und historisch topographijche Beschreibung der wüusten 
Detschaften im Kurfürstentum Hessen usw. 1858) ist jetzt bei der 
Seschãftigung mit den wüsten Ortschaften vor allen Dingen das 
istorische Ortslexißbon für Kurhessen zu benutzen, das, von 
einrich Reimer bearbeitet, von der historischen Kommission 
ür Hessen und Waldeck veröffentlicht wird. Von dem bei Elwert 
n Warburg erscheinenden Werbe liegen bis jetzt 4 Lieferungen 
or, die beiden Restlieferungen sind in 1925 zu erwarten. Die 
usgezeichnete Arbeit bringt auf Schritt und Tritt neue An— 
egungen. Ich erwähne, was den Kreis Rotenburg angeht, nur 
ie Wüstungen Baurbach (zwischen Konshausen und HNBìinebach) 
m Burbachsgrund. Frisenhain (einen ausgegangenen Ort bei 
Zeenhausen, der im Lib. Hersf. des 18. Jahrg. Weisenhain 
ejchrieben und von Landau irrtũmlicherweise Winjenhaĩin gelesen 
ourde) und schließlich das berühmte solium Gumberti, das in der 
Zeschreibung des Heuringoforstes (1003), den Kaiser Heinrich II. 
in Hersfeld gab, genannt und von Keimer in der Gegend zwischen 
ispenhausen und Bebra vermutet wird. Man denbtf unwillkürlich 
in die Gumbertsmühle bei Hersfeld, aber ob die's ist? Jedenfalls 
häre mit Hilfe der Flurnamenforschung vielleicht in manches 
dunbel der Lobalisierung von urbundlich vorkommenden Orten 
dicht zu bringen. Darum müßte man an allen Orten anfangen, 
ystematisch die Flurnamen zu sammeln und zwar unter strengster Be— 
bachtung der mundartlichen Form. Dann erst glaube ich, darf 
nan an die Urkunden gehen. L. Witzel. 
Machdruck nur nach Abereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. 
ꝛerausgeber: Konrad Bernecker. Deuck und OBerlag: MA. Beenecher in Melsungen.
	        
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