Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Srote, Eier und Speck durch die Tänzer bei den Festteilnehmern 
jejammelt und in gemeinschaftlichem Mahl verzehrt. 
Die Tänze zu Ostern geschehen (nach Kolbe, Hessische Sitten 
ind Gebräuche ustw.) zu Ehren des schwertführenden Lichtgotts 
Freier sowie der Frigge und Ostara. Dabei wurde der Ostersahs, 
zin kurzes, nach der Ostara genanntes Schwert oder Opfermesser, 
geschwungen. In diesem Wort Sahs liegt aber ein älterer Begriff 
jür eine Waffe. Sahs, lat. saxum, ist der Stein, das Steindeil, 
das lange vor den Bronzeschwertern in den verschiedensten, sich 
immer mehr vervollkommnenden Formen, vom eingeblemmten Stein— 
plitter, vom Stein ohne und mit Surchbohrung, bis zum Kupfer- und 
Sronzebeil und der Doppelaxt, die Kriegswasse darstellte und jelbst iĩm 
Mittelalter noch gebräuchlich war. Scrama Sax ist die Lanze. Auf 
ziner prähistorischen Steinplatte mit eingeritzten Figuren, gesunden in 
Norddeutschland, ist ein Tanz vor einem Opferaltar dargestellt, wobei 
ine große Sahl Menschen mit erhobener Axt auf den Altar zuschreitet. 
Die Tänze fanden alio am Altar gelegentlich einer Feier und Opfer⸗ 
zandlung statt. Tatsachlich wurden auch die späteren Schwerttänze zu 
fastnacht, eigentlich in der langen Nacht der Fos, der Seugungsnacht, an 
den alten Opferaltären getanzt. So berichtet der hessische Chronist 
Winkelmann in seiner Beschreibung des Hessenlandes III, 38, daß 
dis in das 117. Jahrhundert die Leute aus den, den Felsberg im 
hessischen Odenwald umgebenden Dörfern zu Fastnacht am Kiesen- 
altar zujammenkamen, wo sie sich mit Tanzen, Essen und Trinben 
und allerlei Kurzweil belustigten. 
Es muß ein eigenartiges Bild gewesen sein, wenn auf dem 
Altar die heilige Sohe emporschlug und die im heiligen King 
gespenstijch hin und her tanzenden Leiber der Schweritänzer glutrot 
beleuchtete, während in der Luft die Schwerter blitzten. Wie 
mögen da auch die Augen der Frauen und Männer geblitzt haben, 
die dann in seliger Umarmung ein Geschlecht zeugten, dessen vor 
nehmste Tugend der Heldenmut war. 
Der Schwerttanz war sehr beliebt und der Wertmesser anderer 
Länze. So sagte in einem Hexenprozeß vom Jahre 1638 ein 
Tnabe aus Willersdorf aus, „die Tänzer hätten gleich wie die 
Schwerttãnzer getanzt.“ 
Bebannt ist die Sage von dem gewaltigen Herrn auf der 
nnerhalb von prähistorischen Wällen liegenden frühmittelalterlichen 
Surg auf dem Weißenstein an der Lähn oberhäalb Wehrda bei 
Marburg, der die Umgegend schwer bedrückte und schließlich bei 
rinem bäuerlichen Schwerttanz getötet wurde. Gelegenktlich eines 
por oder auf der Burg veranstalfketen Festgelages wollie der Burg- 
herr seinen Gästen auch den altgermanischen, oder, besser gesagt, 
ilteuropãischen Schwertianz zeigen und ließ die Bauern aus dem 
Dorfe Wehrda herbeiholen, die den Tanz vorführen sollten. Diese 
Gelegenheit, in Waffen dem gewaltigen Herrn gegenüber zu 
tehen, benutzten die jungen Männer, auf ein berabredetes Seichen 
iich gegen den Burgherrn zu wenden und ihn niederzumachen. 
Als Landgraf Ludwig VI. seine junge Gemahlin, die Prinzessin 
Marie Elisabeth von Schleswig-Hoistein 1651 heimholte, führten 
die Bauernburschen auf dem Felde bei Lollar vor dem hohen 
Paare den Schwoerttanz auf. 
Was sind gegen solche Tänze, bei dencen die ganze Wildheit 
uind Gewandtheit zum Durchbruch bam, die Ländler, Polkas, 
Walzer, KBheinländer, Menuetts, von den modernen Tänzen gar 
aicht zu reden. Sie stammen faft restlos aus dem Ausland, und 
iber auch danach, es sind Machwerbe und Umformungen von 
Tänzen, die viel originaler und deshalb eindrucksvoller sind. Wir 
aben unser Volkstum systematisch einer fremden Kultur geopfert. 
Aber wie freuen uns, wenn uns wenigstens noch ein fremdes, von 
der Kultur wenig belecktes Volk seinen Tanz vorführen Lann, bei 
dem Rhythmus, Haltung und Pose, ein Mitwirben der Musikanten 
elbst bei einer jür unsern Begriff primitiven Musit von hinreißender 
Wirkung sind, wo die Natur aufgewühlt wird, wo man mitten 
unter die Tänzer springen möchte, um sein ganzes Fühlen und Tun 
in diesen Tanz zu legen. Solch ein Tanz war der Schwerttanz. 
— — «00 —4 * 
Die „Rewelligon“ in Willershausen. 
März 1848. 
VHDon Ludwig Heinlein, Sondheim. 
Das tolle Jahr, wie man das Jahr 1848 noch heute nennt, 
zing spurlos an den bleinen, nahe der thüringischen Grenze 
gelegenen Ringgaudörfchen vorüber. Man vernahm wohl dumpfe 
Serũchte aus den Grenzländern Thüringen und Preußen, aber von 
den wirblichen Welthändeln hörte man nichts, da es damals für 
den gewöhnlichen Bürger Seitungen noch nicht gab. Der adlige 
Herr v. K. las wohl die Casseler Seitung, doch deren Inhaͤlt 
ehielt er für sich. Seine dienstbaren Arbeiter, sog. Sehnischnitter, 
aten unbekümmert um alles, was draußen vorging, nach wie vor 
hre Fronarbeit für fünf Silbergroschen den Tag. Sie Saueen., vier 
Nerde⸗, drei Ochsen und einige Kuhbauern, kümmerten sich ebenso— 
oenig um die Tagesereignisjje wie die Tagelöhner. Letztere hatten 
rotß ihrer geringen Entlohnung ihr Auskommen. Neben den je 
wolf Tagelohnern auf den zwei Gütern mußten Frauen und Kinder 
ait zugreifen, wenn es nötig war. Sie wurden entsjprechend den 
Nännerlöhnen mit bleinen Beträgen entschädigt. In der Ernte 
außte alles heran, da wurde auch besser bezahlt. 
Alle Halmfrüũchte, außer Hafer, wurden noch mit der Sichel 
eschnitten, Hafer mit dem Hafergestell, eine Sense mit ent— 
ꝛrechender Vorrichtung zum Abnehmen der abgemähten Halme. 
Joggen blieb wochenlang in Haufen auf dem Felde stehen, um 
achzureifen. Wenn dann später gebunden und eingefahren wurde, 
iußte jung und alt zur Stelle sein. Die jedesmalige fünfzehnte 
zarbe gehörte als Lohn den Schnittern, früher die zehnte Garbe, 
aher Sehntschnitter. Dieser Sehnten wurde in die Sehntscheuer 
efahren, im Winter gedroschen und Körner wie auch Stroh 
erteilt. Beim Dreschen trugs den Dreschern die 16. Metze gestrichen 
oll als Sahlung ein. Neben diesen Deputaten hatte jeder Schniiter 
och freies Kartoffel- und Krautland, auch ein Stück Gräserei, von 
elchem man eine auch zwei Siegen ernähren bonnte, vieifach auch 
ine Kuh, Holzfuhren frei, ebenso Düngung. Am Schluß der 
ernte wurde der letzte Wagen mit Blumen und Kränzen geschmückt 
ind im Herrenhaus das Lied „Nun danket alle Gott“ gesungen, und 
ie Sänger, gewöhnlich die Schuljugend, wurden mit Kuchen und 
zier beschenkt, jeder Schnitter, Mann, Frau und Kind, bekam ein 
tũck Fleisch, einen Kuchen und eine Flasche selbstgebrannten Schnaps. 
Abends war in der Gesindestube Festessen mit Bier und Branntwein. 
Jancher ging dann in krummen Linien in seine Wohnung. Der folgende 
ag war arbeitsfrei und Nachfeier im Wirtshaus. Man haͤtte sein 
Ausbommen, lebte aus der Hand zum Munde und war zufrieden. Für 
ie Brotgeber, Landgraf zu Herleshausen und Baron von Kutzleben, 
ing man durchs Feuer. Ganz ähnliche Verhältnisse bestanden zwischen 
en grõßeren Besitzern, Pferdebauern und ihren Arbeitsleuten. ( Heute 
ibt's bLeine größeren Besitzer mehr, außer dem Landgrafen Clodwig 
ind Herrn von Milchling-Hohenhaus, die Besitzer haben ihr Besitztum 
n die beiden genannten Herren verbauft.) 
Aber Sehntschnitter gibt's auch nicht mehr. jetzt wird auch nur 
woch nach Stundenlohn bezahlt. 
Vor zwei Jahren besuchte ich als Einundachtzigjähriger meine 
heimat noch einmal, fand jedoch alles anders. Es war die alle Heimat 
och, dieselbe Lust, dieselben Lieder, und alles war ein andres doch. 
Armut wie in dem Hungerjahr 18407 gibts nicht mehr. In jenem Jahr 
ourden die Kinder der Armen von den Wohlhabenden tagtäglich 
espeist und getrãnkt, bis auf einmal vom Landesfürsten Brot verkeilt 
hurde. Da hatte die MNot ein plötzliches Ende, es gab wohlfeile Seit. 
Nach den bisherigen Ausführungen kann man wohl baum 
lauben, daß in dem kleinen Kinggaudörfchen eine Revpoite aus- 
rechen kbönne. Ich sagte oben schon, daß nur dunkle Gerũchte zu 
ins Lamen. Was bebannt wurde, stammte von dem alten VDater 
Koth, dem Briefträger aus Netra, der wöchentlich ein- auch zwei— 
nal unser Dorf berührte. „Na, Dater Roth, was gibt's Neues?“ 
— „Ach, dei liebe King, es sit bis us in der Welt, in Berlin hon 
den Kenig furtgejoagt“ (gemeint war Prinz Wilhelm, der spätere 
eutsche Kaijer), „des Pfloster uffgeressen, Borrekaden gebowet, on 
es Sigghus geplengert (Seughaus geplũndert), in Ijenach sall 
iu alles dronger on drewwer gih. Eh mer ons versehn. hon me 
es Onglick au in Kurhessen.“ 
Ja, wer sollte denn wohl hier in Willershausen so etwas 
nstellen, daß es drunter und drüber ging? Es dauerte in der Tat 
licht lange, da murmelte man verschwiegen, es bönnte auch hier 
ald was passieren; es trieben sich so drei arbeitsscheue Kerls herum, 
on einem Wirtshaus ins andere. Ein ehemaliger burhejssischer 
ßarde du corps, Christoph Hänsch, ein Müßenmacher oder 
dappenschneider, Johannes Gerlach, und ein aus dem Herzogtum 
botha zugewanderter Dienstenecht, Georg Haupt, Schützengörg, 
paren die Revoluzzer. Meines VDaters Wirtshaus war ihnen 
erschlossen, da zogen sie in das andere zu Kätterchen. Johannes 
serlach betrieb schon Jagd ohne Jagdschein. An einem Montag 
m MWärz 1848 kbam er frühmorgens in unser Haus, mein Vater 
var im Garten beschäftigt. „Minchen, gib mir ein Kännchen“, 
has meine Mutter auch anstandslos taft. Nachdem er einen bräftigen 
zug getan hatte, erblärte er: „Hit gits los, bezahlt werd nijcht 
nehr!“ und schon wollte er nach dem noch halbgefüllten Schnaps— 
las greifen, doch meine Mutter war flinber als er, nahm das 
las und schüttete dem Säufer den Rest ins Gesicht, er leckte den 
dart. der mit dem edlen Naß befeuchtet war, und nahm, als 
Nutter mit einer hinter dem Ahrbasten liegenden Rute ihn prügelte, 
aß es eine Art hatte, eine drohende Haltung an. In demselben 
Augenblick kam mein Dater, ein handfester Mann, aus dem 
zarten und übersah schnell die Sachlage. Ohne weiteres Verhör 
aachte er durch ein summarisches DVerfahren der Sache ein Ende:
	        
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