Tönnchen, welche Bier, Heringe, Salzgurben und dergl.
enthielten. Über zwei Fässer wurde ein Brekt gelegt, uns
zum Sitz dienend. In wärmende Tücher gehüllt, unter
den Füßen Krüge mit heißem Wasser, hofften wir noch am
selben Abend Jesberg zu erreichen. Doch noch ehe wir
die Stadt verlassen hatten, gab es schon einen unwillbom—
menen Aufenthalt. Das BSierfaß war vom Wagen gerollt,
daß der Spund aufsprang und der edle Gerstensaft teilweise
in den Schnee floß. Der Knecht Ochs deutete dieses Miß-
gejchick als schlechtes Omen und prophezeite uns noch viel
Unheil für die Weiterreise. Doch unbekümmert ob dieser
schwarzen Vorsehung, saßen wir sehr vergnügt inmitten unserer
prosaischen Umgebung und erbauten uns an Schillers Ge—
dichten. Ich mußte meiner Base „Hero und Leander“
überhören, wobei sie alle Fremdwörter französisch aussprach
und dies krotz meines Lachens
nicht recht lassen bonnte.
Machdem wir in einigen Ort⸗
chaften gerastet hatten, und die
Krüge des öfteren mit heißem
Wasser gefüllt waren, erreichten
wir wohlbehalten Fritzlar, krotz-
dem der Schnee die Passage
tellenweise recht erjchwerte. Doch
iun setzte ein neuer Schneefall
rin, der bald immer dichter wir—
elte, bis er jede Aussicht ver⸗
perrte. Die Dämmerung war be⸗
eits hereingebrochen. Das Vor⸗
dringen wurde immer schwieriger,
ind plötzlich saßen wir gänzlich
est. Dicht vor uns bonnten vier
zroße Frachtwagen ebenfalls nicht
von der Stelle, denn der Wind
hatte hier den Schnee zu ganz
bedeutender Höhe zusammenge⸗
weht. Es war inzwischen völlig
dunkel geworden, was unsere
Lage sehr erschwerte. Die Fuhr⸗
eute tobten und fluchten, und
ich, selbst recht verzagt, hatte
neine weinende Base zu trösten.
Schließlich machten sich zwei der
deute auf den Weg nach der
Kalbsburg, einem nicht sehr ent⸗
ernten Gut, holten dort Schaufeln
ind schafften den Schnee vor den Kädern fort; dann wurde jeder
Magen einzeln von sämtlichen Pferden gezogen und unter
jroßer Anstrengung aus der Schneewehe herausgebracht.
VDor unser Wägelchen mußten sieben Pferde gespannt werden,
und drei brachten uns glücklich nach Kerstenhaujen, wo wir
in einem wenig einladenden Gasthaus übernachten mußten.
Früh am anderen Morgen wurde die Fahrt fortgesetzt. Unter⸗
wegs begegnete uns die Franbkfurter Eilpost, die vom gleichen
Mißgeschick betroffen, kurz zuvor aus dem Schnee gegraben
var. Passagiere und Pferde hatten im nächsten Dorfe
Nachtquartier aufjuchen müssen. Um ein Ahr mittags er—
ꝛeichten wir endlich das Siel unserer Keise, herzlich empfangen
oon den um uns besorgten Derwandten. Nach vierzehn—
tägigem angenehmen Aufenthalt erfolgte die Heimfahrt unter
günstigen Keiseverhältnissen.
In meine Lehrzeit fiel auch die Ausführung einiger
größerer Arbeiten, die innere Deboration des Ständehauses
und der Synagoge, wobei ich mithelfen durfte. Nach der
damaligen Vorschrift mußte jeder Baugewerblehrling die
Sauhandwoerbschule besuchen; denn um Geselle zu werden,
nußte er die Säulenordnungen gezeichnet haben und in der
veometrie bewandert sein.
Trotzdem hatte ich während des Winters noch genügend
seit, meine Studien auf der Abademie fortzusetzen. Hier
esuchte ich den Modellierunterricht der Professoren Kuhl
ind Henschel; Freihandzeichnen und Perspebtive erteilten
nir die Professoren Zusch und Wolf. Im letzten Jahr
eichnete ich im Antibensaal nach Gips. Nach lebenden
Nodellen habe ich erst im Winter 1847/48 in München
ezeichnet und dann in den fünfziger Jahren als schon ver—
eirateter Mann auf der Casseler Abademie unter den
Rofessoren Ludwig Grimm (Bruder von Wilhelm und Jabob
Hrimm), Müller, Aubel und Brauer. Die gewerbliche
eichenschule mit Fachunterricht wurde erst Ende der
jechziger Jahre gegründet. Der
Besuch der Nkademie hat
meinem ganzen Schaffen wohl
etwas Zwitterhaftes gegeben, in⸗
dem der dortige Anterricht nicht
auf das Kunsthandwerb, sondern
auf die freie Kunst gerichtet war,
die, ganz im Gegensatz zur debo⸗
rativen Malerei, peinliche und
naturwahre Ausführung forderte.
Trotzdem ist mir das auf der
Abademie Erlernte bei vielen
Arbeiten von großem Vorteil
gewesen.
Während meiner Lehrzeit
lernte ich auf der Abademie
einen jungen Göttinger, August
Körber, bennen; wir wurden und
blieben treue Freunde bis zu
seinem frühen Tode. Körber
ührte mich in einen Kreis streb—
—V—
ihre Susammenkünfte in einem
hintersten Hintergebäude auf dem
Graben hielten. Hier hauste in
einem schrägen Dachstübchen der
schöne Porzellanmaler Steinert,
der an Körperlänge uns alle
überragte, ein lieber, herziger
MWensch, der, von der Jugend be—
rauhutat⸗ über der Prosa des
debens schwebte. Um zu ihm zu géelangen, mußte man zwei
unkle Höfchen und eine Hühnerleiter von Treppe passieren.
In dem bleinen Ausbau des Mansardenfensters stand sein
Nalpult. Von diesem Fenster hatte man die Aussicht auf
ie Kückseite des ersten Hinterhauses, welche stets durch die
erschiedenartigsten Wäschestücke, Koch⸗ und andere Geschirre
unt geschmückt war, deshalb Steinerts Dachstübchen die
Sellevue“ genannt wurde. Su beiden Seiten des Fensters
baren unter Dachschräge Verschläge angebracht, in welchen
uch Steinerts Freunde einen Teil ihrer dürftigen Garderobe
ufbewahrten. Die Decke und Wände des sehr niedrigen
Zaumes hatten wir in lustigster Weise bemalt, überwiegend
nit Karikaturen. Das sehr schadhafte Mobiliar reichte oft
iicht aus; denn abends versammelten sich gewöhnlich viel
nehr Gäste, als Sitze vorhanden waren.
Hier auf der Bellevue lernte ich eine Anzahl inter-
jsanter, mehr oder weniger hegabter Leute bennen, der
rößte Teil arme Schlucker, früh mit dem Leben bämpfend,
ber alle voll Jugendmut und Hoffnunqg. ein begehrens—
Keinhardt Hochapfel: Selbstbildnis