Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Ellervaters Bienen. 
Der „alte Herr“, wie ihn das Hofgesinde zu bezeichnen pflegt, 
st nach burzem Kranbsein sanft verschieden. Eine ernst-feierliche 
Stunde für alle die Kinder und Enbkel, die sich an seinem Sterbe- 
bette einfinden. Die Laum jemals versagende Kastenuhe, sie steht 
ür eine Seitlang still. Geräuschlos verrichtet man mit Hilfe teil- 
nehmender Nachbarinnen die notwendigsten häuslichen Arbeiten. 
Nichts soll den Todesschlummer stören. Geziemend werden die 
Mägde und Knechte von dem traurigen Familienereignisse ver- 
tändigt. Auch dem Vieh in den Ställen wird nach althergebrachter 
Sitte der Tod gemeldet. Ja, selbst die Bienenvölber, zum Teil 
och in Körben, zum Teil in neuzeitlichen Kästen untergebracht. 
perden angerührt. Ist doch der gute Alte ihr treuster Pfleger 
Jewesen. Wie manche müßige Stunde hat er bei seinen Lieblingen 
erlebt. Wie verstand er es, sich in ihr Wesen und Werden hinein 
zu versetzen, und wie sorgsam wußte er mit ihnen umzugehen! 
Seine bewundernswerte Kuhe, gleichsam der Lohn eines arbeits- 
reichen Lebens, gepaart mit gemeinnütziger Denkweise, bam ihm 
bei der Behandlung jseiner fleißigen Leutchen sehr zustatten. Fast 
schien es so, wenn die sonst so stechlustigen Immlein in seinem 
chneeigen Haare oder an seinem Silberbarte herumbrabbelten, 
ohne zu stechen, als ob sie eine scheue Furcht vor dem ehrbaren 
Hreise bebunden wollten. 
Nachdem die Vorbereitungen für eine würdige Begräbnisfeier 
getroffen sind, wird der liebe „Ellevoatter“, wie ihn die Enbel 
jennen, mit Klang und Gepränge zu Grabe getragen. Ein statt- 
iches Leichenmahl gibt dem irdischen Dasein den gebührenden 
Abschluß. Es besteht bein Sweifel, daß der „junge Herr“ seines 
eligen Vaters Werb fortführen wird. Die schweren Achkergäule 
bor dem blinbenden Pfluge werden nach wie vor jahraus, jahrein 
hie verborgenen Schätze des fetten Bodens heben. Aus den 
nilchstrotzenden Eutern wohlgepflegter Kühe wird ein reicher Born 
juelien, zur Freude der Hausfrau. Eine aum übersehbare Hühner- 
char wird Eier in Fülle siefern. Sichtbar wird sich das alte Bibel- 
wort eefüllen: „Des Daters Segen bauet den Kindern Häuser“. 
Auch Großvaters Lieblinge, die Bienen, sucht sich selbstver- 
tändlich der junge Besiher des Hofes zu erhalten. Schätzen doch 
die Seinen die Süßigkeit des Honigs. Als in den linden Mai—- 
lagen die ersten Schwärme fallen, zieht er jedesmal den langen 
Gemünztes 
Aus dem Wortschatz der Heimat. 
xrer, der, Strohschober, arern, Stroh 
aufstapeln. Siehe Abbildung. Links 
sttehen drei XArer (Strohschober), zwei 
von rundlicher, einer von rechteckiger 
Form, rechts eine Anzahl Hichchel 
Garbenhaufen). Im Vordergrund 
iegt ein Busqa (ausgedroschene Garw 
Garbes)]) Schüttel (H)*) Stroh, um 
die Stüutze (Störze — Stürze (H)) 
(unterster Teil des Halmes) zu zeigen. 
irgrimme on argratze, Redensart (* 
zrkrimmen und erkratzen, schwer um 
etwas arbeiten, auch geiziges Er— 
raffen). 
irlacht, leck, ausgetrocknet sein. J. Däã Zowwer eß so arlacht, daßDe 
esammefellt (* Der Suber, Stoß (H). ist so ausgetrocknet. daß 
er zusammenfällt). 2. Ich seng ganz arlaächt (- Ich bin ganz ssehr] 
durstig). 
ärmengern, erholen, 3. B. nach einer Krankheit. 
ärr, ierr, wahnsinnig. arr geh, irr gehen, vom Wege abbommen. 
xrrgewärrts, das Irrgewirr. Durcheinander. 
xrrkraut, das, Irrbraut. Wer auf Irrkraut tritt, Lommt vom 
rechten Wege ab und muß die halbe Nacht in der Irre laufen. 
Irweésch, der, Ierwisch. Geijt, der nächtliche Wanderer irre führt. 
Tritt er in Gestalt von Flämmchen auf, so haben wir's mit dem 
rlicat zu tun. Nach dem Glauben der Bewohner des Hessen— 
landes steigt es besonders aus Sümpfen, in die es den Wanderer 
zu locken sucht (wissenschaftlich als Selbstentzündung von Phosphor- 
passerstoffgas gedeutet oder auch ganz geleugnet). 
Diese Frage soll in einer der nächsten Nummern unter dem Titel „Dom 
Kehrichthaufen der Meinungen“ zur Debatte gestellt werden. 
4rwesgaler Weißkoôp, Erbsengelber Weißkopf. Schimpfname. 
665 — Haungrund 
Sienenbittel, ein altes Familienerbstück, an und fängt sie ein. Gut 
eschützt und bewaffnet, gelingt es ihm, eine reiche Honigernte 
inzuheimsen. Allein an jedem Tage, wie es der Verstorbene 
etan, in den Garten zu gehen und sei es auch nur, um einen flüchtigen 
Zlick über seine Völker zu werfen, erachtet er nicht für nötig. 
Vofür immer dieselbe eintönige Musil hören: „Summ, summ,., 
uimm!“ Was kbümmern ihn Käuber und Motten, Sonne und Schnee. 
»unger und Durst! Ein Bienennarr möchteée er beileibe nicht werden. 
Der Lommende Winter ist lang und strenge. Endlich bricht 
ie Märzsonne hindurch und weckt alle die großen und bleinen 
ochläfer wieder auf. Da bommt sein Altester, der im Garten 
llerlei Umschau gehalten hat, zur Stube herein und spricht: 
Dater, sieh einmal nach unseren Bienen; sie müßten doch fliegen!“ 
der Dater öffnet eine Wohnung nach der andern, aber überall 
asselbe traurige Bild: „Die Bienen — tot!“ 
Im Dorfe erzählt man. daß es nicht anders hätte bommen 
önnen; denn wenn der Bienenvater stirbt, — das ist eine alte 
sage, — dann folgen ihm die Immen bald im Tode nach. m. 
— * 
So gewöhnt sich's besser. 
Das Dorf hatte einen neuen Lehrer beLommen, der mehr als 
eunzig Häupter unter seinem Septer vereinigte. Und nach Ostern 
rschienen soviel neue Schulrekruten, daß er mit Besorgnis nach 
er Tür blickte, ob der Sustrom noch nicht bald aufhöre. Endlich 
hien der letzte J.Schütz da zu sein. Und die Tür blieb für eine 
Veile geschlossen. Der Lehrer überblickte die Schar der bleinen 
zchulgänger und dachte, welche von ihnen wohl zu den Ausreißern 
ehören würden und oft Tag für Tag von ihren Müttern oder 
zeschwistern unter viel Geschrei zur Schule gezeret werden müßten. 
RNötzlich wurde noch einmal die Tür aufgestoßen, und ein Kind 
og rücklings herein, lag auf dem Rücken und streckte die Beine 
adie Luft. Besorgt eilte der Lehrer herzu, hob das Kind auf 
nd fragte, ob es sich wehgetan. In der offenen Tür stand seelen- 
uhig die Mutter des Kindes, das seinen ersten Schulgang so 
njanft angetreten hatte. Der Lehrer sah sie fragend an. „Joa, 
herr Lehrer“, sagte sie, „wenn m'r e Wuzzche (Ferbel) Läuft, wirft 
a'esch so hengerrecks (hinterrücks) en Stall. Dann gewöhnt sichks 
esser. Und doa honn ich doas met 'm Kathrinchen au so gemoacht. 
aß es sich besser an die Schul gewöhnt.“ H. Ruppel. 
altfes Gold. 
rweszehler, der, Erbsenzähler, Kleinigkeitsträmer, bes. in der Familie. 
Krwet, die, J1. Arbeit. 2. dumme Streiche. Kedensart: Musse duh 
èéß och eèe XArwet (c Müssentun ist auch eine Arbeit). Du machst 
eemol Arwet! ( Du machst einmal Arbeit! — einen Unsinn). 
(cher, der, Ascher (MKsch— Asche). In einen Sack, Laugebüttel (H). 
wurde Asche getan, bzw. in ein Tuch, und heißes Wasser darduf 
Jegossen, um so die Pottasche auszulaugen, die beim Waschen des 
Leinengarns benutzt wurde, an Stelle des heute gebrauchten Soda. 
Iß dich faat, das helt dich glaat. (— Iß dich satt, das hält dich 
glatt.) 
stemiern, jemand etwas rechnen, etwas auf jemand halten. ihn 
achten. 
tgern, zanben. 
ixtern, necken. 
Iffront, antun (S jemand einen schlechten Streich spielen. Franz. 
affront m. (⸗ Schimpf. Beleidigung. Beschimpfung. Schmach. 
Schmerz). 
Kätsel⸗ 
Auflösung der Kätsel erfolgt in nächster Nummer.) 
Als ich geboren war und ein Jahr alt war. 
Da ließ mich meine Mutter fallen. 
Hob mich ein Schreiber auf, 
Schnitt mir mein Leibchen auf. 
Ließ mich mal trinben 
Und dann spazieren gehen. 
Oben Linn (Leinen). 
Unten Schwinn (Schweinern). 
Mitten ein hölzern Herz drinn. 
Im Lande, wo ich bin. 
Da ist bein Witz und bein Sinn, 
Kein Laub und bein Gras. 
Und ich bin doch drinn. 
Vas ist das?
	        
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