Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

ebenjo starken Abteilung kölnischer Entsatzteuppen zusammentraf. 
An einen Entsatz war bej der Übermacht der Belagerer nicht zu 
denken, die neuen Truppen suchten deshalb mit Geschuütz die Unter⸗ 
aehmungen der Eingeschlossenen zu unterstüthen und sie dann und 
wann mit Proviant zu versehen. Mit der Besahtzung verständigten 
sie sich durch in Geschosse eingeschlossene Briefkapseln, die sie aus 
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— 
—— 
dec. 
— 
Abb. 4 
hrer „Muserei“ (älteste Bezeichnung für Mörser und grobe 
Stũcke) verschossen. 
Karl der Kühne bot alles auf, um die Belagerten zur Über⸗ 
Jabe zu zwingen, doch zeigten sich diese unũüberwindlich. Vom 
9. Juli 1474 bis zum 17. Juni 1415 schlugen sie nicht weniger als 
56 Stürme ab. Suletzt war die BSélagerung in eine regelmäßige 
Hungerblockade umgewandelt 
worden. 11 Türme waren 
niedergejschossen, 800 Häuser 
durch Feuer zerstört, ein Arm 
des Rheins war abgedämmt, 
eine Insel im Rhein vom 
Feind besetzt, die kleinen Flũsse 
abgeleitet und alle Lebensmittel 
aufgezehrt. Der ganze Salz- 
borrat war zu Ende und nur 
Pferdefleijsch noch vorhanden. 
Dennoch war der Mut nicht 
gebrochen. Karl soll sich ver— 
schworen haben, ehe er von 
Reuß abziehe, müsse von vier 
Dingen eins geschehen sein, 
entweder müsse die Stadt er— 
obert sein, dieselbe sich freiwillig 
übergeben oder das Reichs- 
heer ihn vertreiben oder er 
den Tod gefunden haben. Mehr 
als 10 Monate lang soll er 
eine Kleider nicht gewechselt 
haben, da er unausgesetzt in 
Tätigkeit war. Welch ein gewalttätiger Mensch der Herzog war, 
zrhelit daraus, daß er nach der Erstürmung von Lüttich 1468 
10000 bis 30000 Menschen hinmorden ließ. 
Endlich, am 23. Mai 1475, traf das 48 000 Mann starke Reichs⸗ 
heer vor Reuß ein. Albrecht Achilles, Markgraf von Branden- 
urg, und andere Keichsfürsten wollten unter allen Umständen den 
Herzog angreifen, doch der übervorsichtige Kaiser verhandelte 
Abb. 7 
»eimlich mit dem Herzog und ersparte ihm so eine gewisse und 
chimpfliche Niederlage, nachdem dieser an einem Tage noch die 
gewaltigsten Anstrengungen zur Eroberung gemacht und neunmal 
atte stüurmen lassen. In einem Vertrag verpflichtete sich der Herzog, 
den Boden des Erzzstifts alsbald zu verlassen und Ruprecht nicht 
nehr zu unterstüßen. Bei den vielen Stürmen hatte er schwer 
Haare lassen mũssen. 15000 Mann hatten vor der Stadt den Tod 
gefunden. 
Nachdem der Herzog abgezogen war, öffnete die Stadt ihre 
Tore, und die Besatzung konnte, des Bistums Verweser Hermann 
an —A herausziehen, vom KReichsheer mit großem Jubel 
begrüßt. 
Abb. 6 
Nach seinem Abzug von Neuß wandte sich Karl gegen die 
S5chweizer und Lothringer, die jsein Land bedrohten. Es gelang 
hm durch einen Frieden mit Frankreich, gegen diese freie Hand zu 
ekommen. Mit 40000 Mann überjfiel er Lothringen und eroberte 
s, 1416 drang er über den Jura in die Schweiz und erstürmte 
Hranson, wo er aber bald von 20000 Schweizern geschlagen 
vurde. Karl kehrte mit bo ooo Mann zurũck und belagerte Murten, 
wo er völlig geschlagen wurde. Als dann der Herzog von 
Lothringen in sein Land einfiel, drang er im Herbst desselben 
Jahres gegen diesen vor und belagertke Nanch, wo er im Januar 
Abb. 5 
477 geschlagen und auf der Flucht getötet wurde. Seine Erbtochter 
Marie war mit Maximilian von Habsburg vermählt und brachte 
Burgund den Habsburgern zu. 
Neuß ist ein Kuhmesblait hessischer Tapferkeit. Ein schwaches 
Hãuflein todesmutiger Krieger ließ die beste Kraft des bis dahin 
unbewältigten Burgundenherzogs Karl, der vielfach als der 
Schöpfer stehender Heere ge⸗ 
feierf wird und über eine 
ganz vortreffliche Kriegsmacht, 
namentlich in Artillerie, worin 
er ein Neuerer war, verfügte, 
an seinem Widerstand zer— 
schellen. 
Mit Recht fragt Pfister 
in einem Aufsatz im Hessen- 
and 1881, 6. 238, ũber belagerte 
Hessen: „Warum wird immer 
bloß Murtens gedacht? KRömer 
und Griechen hätten ein Kingen 
wie um Neuß in unsterblichen 
Liedern besungen.“ Das Be— 
wußtsein, ihre Pflicht getan 
und dem Recht zum Siege 
berholfen zu haben, genügte 
ihnen. So bewahrten sie 
ihren alten Kuf als Kämpfer 
und Rechtskämpfer. (Nach 
Guido von List heißt Katte 
Kämpfer und Hesse Rechts- 
Lämpfer.) 
Abb. 1 gibt eins der im Arrilleriepark Philipps des 
Hroßmũtigen befindlich gewejenen Geschützrohre wieder, die man 
ils Steinbüchse ansprechen kLann. Sie war für die nach dem 
dorbild Karls des Kühnen genannte burgundische Lafette bestimmt. 
Abb. 2 und 3 zeigen eine Bombarde und ein Kammerstück aus der 
Schlacht bei Granson, beide im Lausanner Museum, Abb. Aund5 
eine Bombarde Karls aus der Schlacht bei Murten sowie 2 bleine 
Schweizer Bombarden von hohem Alter, wie sie die Schweizer 
in dieser Schlacht verwendeken. Auf Abb. 6 und Jusehen wir 
? Artilleriestũcke Karls aus der 
Schlacht bei Nanch, das eine im 
Serliner Seughaus, das andere 
zu Neuenburg. Abb. 8 zeigt eine 
zleichzeitige geschmiedete Bom— 
darde aus dem städt. historijchen 
Museum zu Frankfurt a. M. 
Abb. 8 
Der Bilstein im Höllental. 
OHDon Helene Brehn 
Eine Strecke oberhalb des an der Werra gelegenen bebannten 
Zades Sooden mündet in das Werratal von Westen her ein 
zeitentãlchen ein. Es ist das liebliche, von bewaldeten Höhen 
egrenzte Höllental. Es hieß vor Seiten Hollental, nach der alt 
eutjchen Göttin Frau Hulda, die in dunbler Vorzeit hier und in 
zer Umgegend verehrt wurde. An der engsten Stelle des Tales 
teigt über dem schmalen Sträßchen, das sich hindurchwindet, steil 
in Fels empor, zu dem man jedoch jetzt auf bequemem Waldpfad 
elangen kann. Es ist der Bilstein, von dem aus sich ein hübscher 
Ausblick ins Tal und seine Umgebung bietet.
	        
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