zu verscheuchen. Aber der wich nicht. „Willst doch mal
hersuchen, ob du die letzte Tanzmelodie noch einmal wieder
ertig bringst.“ Mit den Worten nahm er seine Geige aus
dem Kasten heraus. Wie schwer war die. UAnd als er sie
in die Höhe richtete, guckten neugierige Goldmünzen aus den
Schallöchern hervor, und kling — kling hüpften auch schon
ꝛinige in der Stube herum. Das war ihm schönerer Ton
ils der feinste Geigenstrich.
Sis oben hin war der Bauch der Geige gespickt mit
züldenen, vollwichtigen Dubaten.
Da verschloß er seine alte Freundin, und wenn die Leute
sich wunderten, daß sie keinen Geigenblang mehr aus der
Schule vernahmen, so sagte er, sie wäre naß geworden und
hätte sich verzogen. Als aber die Kirmes vorüber war,
agte er dem Gemeinderat, die Stadt möchte sich nach einem
andern Schulmeister umsehen; er wolle ins Franbenland und
da sein Glück versuchen.
„Den Mann hat's,“ sagten die Stadtväter und ließen
hn ziehen.
Als im nächsten Jahre Kirmes in Brotterode war,
am ein leichter Wagen, mit zwei kräftigen Braunen bespannt,
or das Gemeindewirtshaus gefahren. Drin saßen der alte Alle,
fẽse und Gerhard. Da gab es ein Händedrücken und
sßlückwünschen zu der großen Erbschaft, die Gerhards Onkel
n Angarn, der ihn nie gesehen und doch als seiner Schwester
zind geliebt, selbigem vermacht hatte. So hatte Gerhard
usgesprengt, und nur seiner jungen Frau hatte er die
Vahrheit mitgeteilt.
Am nächsten Abend saßen Gerhard und Else im
Avemark, und Gerhard ließ die wonnigsten Melodien bis
nach Mitternacht ertönen.
Aber da öffnete sich kLein Kefebtorium und kam bein
Bruder Kellermeister, und so haben sie denn beinen Danb
veiter abstatten können.
„Laß uns gehen, Else, es hat schon halb Eins
jeschlagen. Dielleicht haben sie es doch gehört und sich
arüber gefreut. Ein braver Mann, der Abt, und
iedre Leute, die Fratres, vor allem Bruder Keller—
neister.“
⸗
Aus alter Seit.
Die Hessen im Kampf gegen
Karl den Kühnen von Burgund.
Don Ernst Wenzel, Magdeburg.
Herzog Karl der Kühne war am 10. November 1433 als Sohn
Philipps des Guten von Burgund geboren und folgte seinem Vater
14614, nachdem er 1465 den König von Frankbreich besiegt hatte.
Er terug sich mit dem Plan, das alte Königreich Burgund wieder
aufzurichten. Sein Leben war ein immerwährender Kampf. Wieder⸗
holt lag er im blutigen Streit mit dem französischen König, der
nit den Lothringern und
S chweizern im Bunde war.
4174 schloß er, nachdem sein
Sestreben, vom deutschen
Kaijer Friedrich III. die Er-
ebung des Herzogtums zum
Königreich zu erlangen, miß-
Jlũckt war, mit dem König
»on England ein Bündnis
zur Eroberung von Franb—
ꝛeich. Gleichzeitig mischte er
iich auch in die Kölnischen Stiftshändel, in deren Verlauf er auch
nit hessischen Truppen zusammenstieß. die er aber trotz jeiner
edeutenden AÄbermacht und der furchtbarsten Anstrengungen nicht
esiegen konnte.
Nach G. B. Kriegk in seinen deutschen Kulturbildern war das
Jahr 1474/75 ein Ehrenjahr Hesjens und eins der glänzendsten
her deutschen Geschichte.
Im Erzstift Köln war 1412 3wischen dem Eesbischof Kuprecht
hon der Pfalz und dem Domkapitei ein Streit ausgebroͤchen,
chlangen der verschiedensten Kaliber, und zu ihrer Bedienung
200 Büchsenmeister und Knechte. Diese gewaltige Artillerie ver⸗
vendete er gegen die Stadt Neuß, sein Heer war 60 00o Mann stark.
Am 21. Juni 1474 brach der Landgraf mit 15000 Mann von
Marburg auf. Der Sug durch die Stadt Frankenberg dauerte
2 GStunden, da ein großer Troß mitging. Auf schweren Sastwagen
agen Büchsen, Pulver, Pfeile, Bũchsenscheme, Sliden, Proviant
ind Gezeug. Die Städte haätten dazu ihre Artillerie geliehen und
08 Wagen, die Dörfer 659 Wagen gestellt. Sunächst lagerte der
dandgraf bei Schreuffa an der Edder und Nuhne, um gegen west-
ãälijche Stãdte, namentlich Brilon, vorzugehen, dann eilte er gegen
Linz a. Rhein, das auf
Kuprechts Seite stand. Die
Selagerung verlief aber
ohne Erfolg, weshalb sich
der Landgraf am 22. Juli
mnit den Bürgern und
Bauern zum Rückzug ent—
chloß. Der Kern seines
heeres aber, 1000 Mann
Knechte und 600 Keiter,
.ZzZogen nach Neuß. Unter
en Reitern befanden sich 69 hessische Edelleute. Mit diesen
Truppen und denen des Erzstifts suchte Hermann die von
tarl dem Käühnen bedrohte Stadt Neuß nördlich von Köln
oͤᷣu halten. Am Abend des 20. Juli 1474 erschien Kael der Kühne
nit etwa 14 000 Mann vor den Toren der Stadt und begann sie
zu stürmen. Die lombardischen Sturmtruppen wurden aber von
er Besatzung mit Geschütz zurũckgeworfen. Auch die folgenden
Ztũrme zerschellten an dem Widerstand der Bürger, Hessen und
xölner, die sich einander zum Kampf
uf Leben und Tod verpflichtet hatten. 0
zn rascher Folge warfen die Be— 8
agerer 500 große und bleine Stein—
ugeln in die Stadt, die Stadttore 9
vurden fast ganz in Trümmer geschossen,
iuch altertümliche Mauerbrecher
ourden gegen die Mauern geführt.
Bei einem Ausfall der Hessen wurden
en Belagerern 2 Feldsjchlangen, viele Feuergewehre und 2 Faß
)ulver genommen, bei einem anderen einige Büchsen erobert und
2 Büchsenschirme in den Batterien durch Brand zerstört, bei einem
Angeiff auf das englische Lager wurden 8 Feldschlangen erbeutet.
die Kölner Truppen nahmen 10 Schiffe und erbeuteten 6 Hau—
itßen, Feldschlangen, Habenbüchsen und andere Siũcke.
Wäaͤhrend dieser Seit hatte der deutsche Kaiser Friedrich am
T. August 14174 von Augsburg aus ein Aufgebot des Keichs—
eeres zur Abwehr des Burgundenherzogs erlassen; doch waren
ie Reichsstände recht säumig, und das Jahr 1414 verging, ohne
aß das Reichsheer zujsammentrat. Um seinem Bruder in der Not
u helfen, jandte Landgraf Heinrich im Februar 1415 1500 Mann
in das andere Ufer des Kheins, Neuß gegenüber, wo er mit einer
CC. CVCCCCOCGCCG
Abb.2
nfolgedessen das Kapitel den Dechanten Hermann, Landgrafen
zu Hessen, 1413 als Derwesjer des Erzstifts wählte mit der Anwärt-
chajt auf den erzbischöflichen Stuhl. Ruprecht dagegen verband
ich mit dem mächtigen Herzog von Burgund, Karl dem Kühnen,
und bestellte ihn zum Vogt und Schirmherrn über das Erzstift.
Hermann, erbannte aber rechtzeitig, daß er einem so mächtigen
Hegner nicht gewachsen war, und verband sich deshalb mit seinem
Bruder, dem Landgrafen Heinrich III. von Hessen, der sich gegen
Derpfändung von fünf westfälischen Städten bis zur Sahlung
der Kriegskosten zur Stellung eines ansehnlichen Kriegsvolks
—A
Karl der Kühne hatte eine ganz bedeutende Arlillerie, 850
SZtũck, eiserne und kupferne Steinbũchsen, Bombarden und Feld—