allgemeinen Freude, zumal er des Schulmeisters nicht ansichtig
wurde. Des Abends ging es im Wirtshause hoch her;
die Bergleute hatten guten DVerdienst, und die Eisenwaren
jtanden hoch im Preise; wer nicht zu Hause bleiben mußte,
feierte flotte Kiemes. Da fanden sich der Schulmeister, der
über Land gewesen war, und Else zusammen. Der alte
Alle war in seligster Stimmung. Doch als seine Augen
plötzlich auf die Tanzenden fielen und er seine Tochter im
Keigen mit dem verhaßten Geldschleicher, wie er ihn nannte,
erblickte, da war seine Kirmesfreude vorbei. Sornglühend
sprang er auf, riß die Errötende aus den Keihen der Tänzer
und führte die Weinende nach Hause.
Am andern Worgen, als der alte Alle eben beim guten
Frühstück saß und sich den Würzburger schmecken ließ, trat
der Schulmeister ein. Vor Staunen blieb dem Alten die
Hand mit dem Glase halbwegs zum Munde stehen. Als
aber gar Gerhard in wohlgeseßten Worten um die Hand
seiner Tochter bat, da war es mit Alles Kuhe zu Ende.
„Er Hungerleider, der nichts hat, als was er auf dem Leibe
trägt, freit um die reiche Eljel Seine AUnverschämtheit ist ja
so groß wie der Inselsberg. Ja, Er Geldschleicher, Er
soll meine Tochter haben, wenn Er mir seinen alten Jammer-
basten“ — damit meinte er des Lehrers DVioline — „nur
halb voll von guten, gewichtigen Dubaten daher bringt.“
Wie Hagelschläge prasselten Spottwortke und Schmäh—
reden auf den armen Schullehrer nieder, der froh war, als
ꝛr, dem Donnerwetter entronnen, wieder in seiner stillen
Stube saß.
Er hielt nur seine Schulstunden und mischte sich nicht
unter die Menschen, denn er wußte gar wohl: Wer den
Schaden hat, braucht um den Spott nicht zu sorgen.
Nach vier Wochen hatte der alte Alle sein Anwesen
erkauft und war nach Würzburg ins Franbkenland
gezogen, wo die Derwandten seiner Frau lebten. „Ich will
hr den Starrsinn schon brechen; wenn sie ihn nicht sieht,
wird sie ihn bald vergessen. Weibertränen, Aprilregen ...“
Am Tage des Wegzuges hatte der Schulmeister durch
die alte Anna Christine einen Settel erhalten. Darauf
chrieb ihm Else, daß sie ihm treu bleiben würde bis in den
Tod. Die Hälfte der Buchstaben waren verwischt. „Das
»aben die Tränen getan,“ sagte Anna Christine.
Ein Jahr war vergangen. Es war wieder Juni geworden.
Der Flieder blühte endlich auch in Brotterode, und die
Menschen freuten sich, daß der Sommer schon da war, denn
—A
Nach warmem Tage war eine wonnesame Nacht herauf—
gezogen; der Vollmond stand helleuchtend über dem Seim—
berge, und die Milchstraße hob sich wie zartestes Silber—
gejspinst vom blauen Nachthimmel ab. Oben am Waldesrand
im Avemark, von wo in früheren Seiten das Ave Waria-
Läuten des schon längst zerstörten Klosters ins Tal gedrungen
war, lag der Schullehrer Gerhard im Grase, hatte seine
treue Geige im Arm und hing seinen Gedanben nach; die
zogen nach Würzburg zum Hause der Liebsten, und Hoff-
nungslosigkeit bemächtigte sich seiner, da er des geizigen
Daters gedachte. Da aber bein Herz in der Nähe war, dem
rr sein Leid vertrauen konnte, nahm er seine Freundin und
Trösterin zur Hand und vertraute ihren Saiten alles, was
ihn quälte. Da quollen wundersam weiche, traurige Melodien
hervor, und wo jemand die Klänge vernahm, sprach er:
„So wie unser Schulmeister weiß doch niemand den Bogen
zu führen. Ja, ja, man versteht ordentlich, was die Geige
spricht. Schade um ihn, er war sonst solch' lustiger Geselle.“
Mitternacht war vorüber, Gerhard spielte noch. Da
egte sich ihm plötzlich eine Hand auf die Schulter, und eine
hm fremde Stimme fragte: „Wie wärs mit einem guten
Tropfen Wein? Musibanten sind ja stets durstig, und unser
Abt, der heute seinen Namenstag feiert, ist ein Derehrer
er edlen Frau Musika.“ Hinter dem Schulmeister stand ein
Nönch in brauner Kutte, mit wohlgenährtem, glänzendem
sesicht, draus zwei lustige Augen hervorzwinberten. Ein
zäpplein deckte, fast im Nacken sitzend, nur halb die Tonjur,
n der Rechten hielt der Störer einen Becher, den er jetzt,
vie um der Einladung mehr Nachdruck zu geben. bis auf
en Grund leerte.
Derwiert folgte ihm Gerhard. Sie traten durch einen
5pitzbogengang in ein hochgewölbtes, jäulengetragenes Gemach,
zurch dessen buntbemalte Scheiben der gedämpfte Schein
her hellstrahlenden Sonne hereinfiel. „Wache ich oder träume
h? Hier heller Tag und draußen glänzt der Vollmond!“
Nun, Spielmann,“ rief da eine fette Stimme vom Ende
der langen Tafel, die mitten im Kefebtorium stand und von
inem Dutzend Mönchoe besetzt war, „nun, Spielmann, erst
Bescheid getan! He Kellermeister, laß ihm das Glas nicht
rustrocknen. Mein Freund, der Würzburger, schickt uns ein
zutes Tröpfchen. Wirst schon schlechteren getrunken haben.
Und dann, Confratres, soll er uns eins aufspielen. Daß
x's kann, haben wir schon vernommen, und heute, als an
meinem Namenstage, Lönnen wir uns so etwas erlauben.“
Die Mönche lachten und nickten vergnügt, und der
Bruder Kellermeister, der ihn eingelassen, gab ihm ein großes
Daßglas voll goldigen Weines: „Nur runter damit, mein
*sohn. Wer gut schmeert, der gut fährt. Feuchte Kehle,
linker Bogen. Frau Musika ist eine Dame, die den Wein—
röhlichen hold ist.“ Dabei zwinkberte er Gerhard mit lustigen
Auglein an, und die Hängebacken wackelten vor Vergnügen.
ßerhard trank mit zierlicher Derneigung gegen den Abt.
Dann klangen die lustigen Weisen. Hei, wie die Mönche
n fröhlicher Ungebundenheit sich gehen ließen, sie hüpften zu
den Tönen, und selbst der würdige Abt versuchte seine
urzen Beine im Tabte der Musik zu schwingen! Auch der
5chulmeister, den Bruder Kellermeister nicht dürsten ließ,
vurde fröhlich, und als ihn der MAbt an seine Seite rief
und ihn leutjelig nach Woher und Wohin fragte, da schüttete
er dem sein Herz aus. „Nun, mein Sohn, was nicht ist,
ann noch werden. Hab' manchen Spielmann gebannt im
Zömerland, der mehr Dubaten verdiente als Eljes protziger
dater. Nun noch einen recht Lustigen zum Kehraus. Die
Hejper ist vor der Tür.“
Da spielte Gerhard noch einmal auf, und die über—
nütigsten Melodien hüpften aus den Saiten heraus. Voll
Ausgelassenheit sprangen die Mönche im Keigen herum, und
uletzt rissen sie Gerhard mit in den Kreis, schwenkten ihn
»erum, bis daß er schwindlig und weinselig in einen Sejssel
ank und tiefer Schlaf sich jofort auf jeine Augen legte.
Als er erwachte, spähte er verwundert um sich. Er lag
ben am Waldesrand im Avemark. Anten sah er die Leute
in der Feldarbeit beschäftigt. Die Sonne stand schon im
Osten, und eben schlug es fünf Uhr. Neben ihm stand
vohlverpackt in ihrem schwarzen Gehäuse seine liebe Violine.
Er sprang auf und eilte durch die Felder der Schule zu.
Guten Morgen, Heerr Schulmeister! Schon so frühe ein
ißchen im Walde gewesen? Das wird heute wieder ein heißer
Tag — aber wir bekbommen Gewitter, die Sonne ist im
dunste aufgegangen.“ — „Guten Morgen, guten Morgen!“
Ind er eilte vorwärts, als ob er sich schämen müsse, bis er
ein stilles Simmer erreicht hatte. Da steckte er seinen Kopf
ief in frisches Ouellwasser, um den wüsten Traum der Nacht