Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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Heimat· Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
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Ne. 1, 1028 
Erscheint Amal monatlich. Bezugspreis 1,20 Mb. im Dierteljahr, einschl. Porto. Frũhere 
Jahrgänge können, soweit noch vorrätig, pom HeimatschollenDerlag nachbezogen werden 
5. Jahrgang 
Der Schulmeister von Brotteroden/Von Fritz Mansfeld 
Aus alten 
Es war um das Jahr 1550, da lebte zu Brotterode 
rin junger Schulmeister, Gerhard Kniese mit Namen; der 
var ein aufgeweckter Mensch, wohl gelitten bei alt und 
jung, vornehmlich aber bei den jungen Dirnen. Denn er 
war ansehnlich von Person: schönere blonde Locken hatte 
keiner auf zehn Meilen in der Kunde, und seine Augen 
strahlten blau wie ein See, darüber wolkenloser Sonnen— 
himmel lacht. DViele Mädchen hätten ihn gern genommen, 
wenn er nur um sie angehalten hätte. Er hatte aber nur 
Augen für eine, die sein ganzes Herz gefangen genommen 
hatte, und diese eine war Else, des reichsten Handelsheren 
in Brotterode jugendfrische Tochter. 
Gerhard aber war arm wie eine Kirchenmaus und hatte 
außer seinem geringen Einkommen nichts als nur noch seine 
Geige, der er zur Freude der Jungen und Alten die schönsten 
Welodien zu entlocken verstand. Darum durfte er nirgends 
ehlen, wo vergnügte Menschen zusammenkamen, und je 
häufiger er bei solchen Anlässen mit der lieblichen Else 
zujammentraf, umso mehr entbrannte seine Liebe. Wes das 
Herz voll ist, des gehet der Mund über. Gerhard wußte 
die Worte zierlich zu setzen, und da dieselben aus einem 
reinen, lauteren Herzen kamen, so geschah es bald, daß 
Elje mit beinem lieber sprach als mit ihm, mit beinem lieber 
sich im Keigen schwang als mit Gerhard, und daß Gerhard 
allein sie von Spinnstuben und vom Tanz stetig nach Hause 
geleitete. Und der alte Holunderbusch in des reichen 
Handelsherren Garten schüttelte in einer hellen Juninacht 
bedächtig sein Haupt: denn unter ihm hatte Else ihren braunen 
) Aus vergilbten Blättern“, Erzählun üri 
Feitz M ddrgeten y hlungen aus dem Thüringer Wald von 
Chroniken. 
Lockenkopf an Gerhards Brust gelehnt, und Gerhard erzählte 
in innigster Weise, daß er nicht ohne sie leben könne, und 
daß, wenn sie erst sein Weib wäre, er den Himmel schon 
auf Erden haben würde. Dazwischen bebräftigte er mit 
»eißen Küssen die Beteuerungen. Aber sie gingen doch in 
Tränen auseinander, denn sie wußten, daß der alte Ulle, 
Eljes Dater, in seinem Geldstolz niemals seine Einwilligung 
zu ihrer Verbindung geben würde. 
Und das wußte der alte Holunderbusch auch, und darum 
jchüttelte er so bedächtig sein Haupt. 
Heimliche Liebe bleibt nie lange heimlich, wie ja bebannt 
ijt. Don guten Freunden und getreuen Nachbarn erfuhr es 
der alte Ulle bald, wie es um die beiden stand. Da gab 
s denn häufige Donnerwetter im Hause. Else ging nur 
noch mit rotgeweinten Augen drin herum, heraus durfte sie 
ucht mehr. „Du sollst deinen Hungerleider schon vergessen 
ernen,“ jagte der gestrenge Vater; „der hält ja doch mehr 
Ausschau nach meinem Geldbeutel als nach deinem glatten 
Hesicht!“ 
Else wußte, was sie an Gerhard besaß; sie schwieg still 
u ihres Daters Schmähreden und weinte sich aus in ihrem 
Kämmerlein oder feuchtete, wenn sie abends einsam daheim 
am Spinnrad saß, mit ihren Tränen den Kocken. Da stieg 
nanch inbrünstig Gebet aus ihrem liebenden Herzen empor, 
ind sie gedachte innig ihres Mütterleins, das schon lange 
oei der Kirche ruhte, und bat die Selige. sich der Tochter 
in deren Elend anzunchmen. 
Die Kirmes kam. Auch der alte Alle ging mit seinem 
Töchterchen zum Plan, setzte sich zum Wein bei seinen 
freunden und Vettern nieder und freute sich mit in der
	        
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