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Heimat· Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst
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Ne. 1, 1028
Erscheint Amal monatlich. Bezugspreis 1,20 Mb. im Dierteljahr, einschl. Porto. Frũhere
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5. Jahrgang
Der Schulmeister von Brotteroden/Von Fritz Mansfeld
Aus alten
Es war um das Jahr 1550, da lebte zu Brotterode
rin junger Schulmeister, Gerhard Kniese mit Namen; der
var ein aufgeweckter Mensch, wohl gelitten bei alt und
jung, vornehmlich aber bei den jungen Dirnen. Denn er
war ansehnlich von Person: schönere blonde Locken hatte
keiner auf zehn Meilen in der Kunde, und seine Augen
strahlten blau wie ein See, darüber wolkenloser Sonnen—
himmel lacht. DViele Mädchen hätten ihn gern genommen,
wenn er nur um sie angehalten hätte. Er hatte aber nur
Augen für eine, die sein ganzes Herz gefangen genommen
hatte, und diese eine war Else, des reichsten Handelsheren
in Brotterode jugendfrische Tochter.
Gerhard aber war arm wie eine Kirchenmaus und hatte
außer seinem geringen Einkommen nichts als nur noch seine
Geige, der er zur Freude der Jungen und Alten die schönsten
Welodien zu entlocken verstand. Darum durfte er nirgends
ehlen, wo vergnügte Menschen zusammenkamen, und je
häufiger er bei solchen Anlässen mit der lieblichen Else
zujammentraf, umso mehr entbrannte seine Liebe. Wes das
Herz voll ist, des gehet der Mund über. Gerhard wußte
die Worte zierlich zu setzen, und da dieselben aus einem
reinen, lauteren Herzen kamen, so geschah es bald, daß
Elje mit beinem lieber sprach als mit ihm, mit beinem lieber
sich im Keigen schwang als mit Gerhard, und daß Gerhard
allein sie von Spinnstuben und vom Tanz stetig nach Hause
geleitete. Und der alte Holunderbusch in des reichen
Handelsherren Garten schüttelte in einer hellen Juninacht
bedächtig sein Haupt: denn unter ihm hatte Else ihren braunen
) Aus vergilbten Blättern“, Erzählun üri
Feitz M ddrgeten y hlungen aus dem Thüringer Wald von
Chroniken.
Lockenkopf an Gerhards Brust gelehnt, und Gerhard erzählte
in innigster Weise, daß er nicht ohne sie leben könne, und
daß, wenn sie erst sein Weib wäre, er den Himmel schon
auf Erden haben würde. Dazwischen bebräftigte er mit
»eißen Küssen die Beteuerungen. Aber sie gingen doch in
Tränen auseinander, denn sie wußten, daß der alte Ulle,
Eljes Dater, in seinem Geldstolz niemals seine Einwilligung
zu ihrer Verbindung geben würde.
Und das wußte der alte Holunderbusch auch, und darum
jchüttelte er so bedächtig sein Haupt.
Heimliche Liebe bleibt nie lange heimlich, wie ja bebannt
ijt. Don guten Freunden und getreuen Nachbarn erfuhr es
der alte Ulle bald, wie es um die beiden stand. Da gab
s denn häufige Donnerwetter im Hause. Else ging nur
noch mit rotgeweinten Augen drin herum, heraus durfte sie
ucht mehr. „Du sollst deinen Hungerleider schon vergessen
ernen,“ jagte der gestrenge Vater; „der hält ja doch mehr
Ausschau nach meinem Geldbeutel als nach deinem glatten
Hesicht!“
Else wußte, was sie an Gerhard besaß; sie schwieg still
u ihres Daters Schmähreden und weinte sich aus in ihrem
Kämmerlein oder feuchtete, wenn sie abends einsam daheim
am Spinnrad saß, mit ihren Tränen den Kocken. Da stieg
nanch inbrünstig Gebet aus ihrem liebenden Herzen empor,
ind sie gedachte innig ihres Mütterleins, das schon lange
oei der Kirche ruhte, und bat die Selige. sich der Tochter
in deren Elend anzunchmen.
Die Kirmes kam. Auch der alte Alle ging mit seinem
Töchterchen zum Plan, setzte sich zum Wein bei seinen
freunden und Vettern nieder und freute sich mit in der