Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Lönnen. Heft 2, „Nassauischer Sagenborn“ betitelt, ist ein lobens- 
werter Versuch, zwei Dutzend alter Volbssagen derart neu zu 
erzählen, daß unter Betonung des Ethischen der jugendliche Leser 
gleichwohl durch die Frische und Herzhaftigkeit des Ausdrucks 
gewonnen wird. In die Seit der Fremdherrschaft jührt „Morgen 
wieder lustik!“; dieses 8. Heft bringt in den Erlebnissen eines 
Kasseler Buben fesselnde Bilder aus der Episode des Königreichs 
Westfalen. Das Doppelheft 4/5 läßt den bekannten Leipziger 
Nationalökonomen Karl Bücher sjeine Jugend- 
erinnerungen erzählen, die in ihrer Tief— 
grũndigkeit geradezu als eine Monographie 
des nassauischen Dorflebens erscheinen. „Maärchen 
der Heimat“, Hest 6, enthalten nassauische 
Märchen, von Otto Stückrath sjelbst dem Volks⸗ 
mund abgelauscht und neu erzählt und ũbrigens 
mit böstlichen Seichnungen ausgestattet. 
So darf am Endeoe festgestelit werden, daß 
die HessenNassauische Bücherei nach Ausweis 
der vorliegenden Proben zweifellos vorzüglich 
geeignet ist, dem Bedũrfnis nach heimatlichem 
Lejestoff jür Schule und Haus in einer Weise 
abzuhelsen, die im besten Sinne erzieherisch 
wirben bann, denn wie hier äußere und innere 
Dorzüge zusammentreffen, um den jugendlichen 
Geist zu beeinflussen, das ist in der Tat vor— 
bildlich und berechtigt zu den schönsten Hoff- 
nungen für den weiteren Ausbau dieses wert⸗ 
pollen Unternehmens. W. S. 
Märchen der Heimat. Nassauische Volksmärchen. Gesam— 
melt von Otto Stückrath. Bildschmuck von Robert Sincke. 
Beb. 2.20 Mb. 
Ein wirklicher Dichter, der seine Muttersprache, ein wirblicher 
VDolksmann, der seine Landsleute bennt, hat dieses prächtige Buch 
gemacht, das, beim harmlosen Keimspiel beginnend und mit der 
geheimnisreichen Saubermäe endend, das ganze Gebiet phantastischer 
Oolkspoesie umfaßt und ihren bräftigen Humor und ihre natürliche 
Weisheit in neuer, nie versagender Wirkbsamkbeit zur Geltung Lkommen 
aßt. Gute alte Bebannte begegnen dem, der in diesem freund— 
ichen Buche blättert: der Handwerksbursch, der die Witwe mit 
»em Himmel narrt, der Bauer, der den Teufel betrũgt, der goldene 
Dogel im Machandelboom, aus dem die Seele des von seiner 
Mutter erschlagenen und vom Vater gegessenen Jungen singt, 
)er dumme und der faule Hans, das Kotkäppchen und das 
Aschenputtel und viele andere der lieben Gesellen noch, und 
alle in einem neuen, teils einfacheren, teils feineren Gewand, 
jodaß dieses Wiederbegegnen vielfach einen 
besonderen Keiz empfinden laßt. Aber es sind 
auch allerlei bis dahin Fremde darunter, die 
dennen zu lernen ein rechtes Vergnũgen ist, 
sodaß diese „Märchen der Heimat“ als Ganzes 
und im Einzelnen eine hocherfreuliche Bereiche⸗ 
rung häuslicher Lesestunden darstellen. Die 
eigenartigen und oft ganz böstlichen Textzeich- 
aungen von Robert Sincke, die in ihrem 
heiteren Schwung mitunter an Wilhelm Busch 
zemahnen, wissen dem lebendigen Geist des 
Ganzen mit Anmut zu entsprechen und die 
Freude an dem Werl sehr angenehm zu 
steigern. W. G6. 
Hessenland. Illustrierte Monatsblätter 
für Heimatsforschung, Kunst und Literatur. 
Schriftleitung Paul Heidelbach, Kassel. 
ODerlag Johs. Braun, Eschwege. Viertel- 
jährlich 1.50 Mb. 
Aus einem burzen Dornröschenschlaf, der 
infolge der Entwertung auch das geistige Leben der Heimat befiel, 
— — 
»eweist, hat es sich höhere Siele gesteckt. Alle bedeutenden heimdt- 
ichen Belange sollen in den Bereich der Betrachtung gezogen 
verden und auch durch Bild und Kunstbeilagen eindringlich gestaltet 
verden. Der Inhalt des 1. Heftes ist sehr mannigfaltig und beingt 
1. a. wertvolle Beiträge vom Herdusgeber, von Dre. H. Braun, 
ODr. Losch, Fritz Keller, H. Woringer, Bruno Jabob, Thilo Schnurre 
md G. Fladung. Allen Hessenleuten bestens empfohlen. 
⸗ bt 
Auf der Heimatwarte. 
Die Vogelwelt und die menschliche Kultur. 
Aus dem Wunsche, die heimische Vogelwelt gegen die schädigenden 
Wirkungen der menschlichen Kultur, die Vernichtung ihrer Ernäh— 
eungs- und Fortpflanzungsbedingungen zu schũtzen, entstand die Vogel⸗ 
schutzbewegung. Bekannt sind die nachteiligen Einflũsse des Menschen 
auf das Naturleben; aber das Kapitel „Kultur und Vogelwelt“ 
besteht neben diesem unerfreulichen auch aus einem gewissermaßen 
positiven Teil, nämlich den unseren Vögeln den Boden boereitenden 
Auswirkungen menschlicher Kultur. Es ist das wissenschaftliche 
Derdienst unseres Landsmanns, des hessischen Naturforschers 
Dr. Otto Schnurre, erstmalig in gründlicher Weise und zujammen- 
fassend diesen zweiten Teil der Beziehungen zwischen Vogel und 
Wensch in seinem Werk „Die Vögel der deutschen Kulturlandschaft“ 
(Oerlag Elwert, Marburg) dargestellt zu haben. Die meisten 
darin mitgeteilten Tatsachen waren bisher baum bebannt, geschweige 
denn geklärt und enthüllten sich erst dem eifrig juchenden Forscher, 
der neben umfassenden zoologischen Kenntnissen auch eine tief 
gehende Bildung auf den Gebieten der Siedlungskunde, Volks 
und Landschaftsgeschichte besitzt. Viele Unklarheiten über die Ent⸗ 
sttehung unserer deutschen Vogelwelt, ihr Leben und ihre Verbreitung, 
hat diejer Forscher beseitigt und mit beneidenswertem Scharfblich 
in das Dunbel schwieriger Fragen hineingeleuchtet. Wir erfahren 
3. B., wie sich die Schwalben an den Menschen anschlossen (und 
wo und wie sie vorher lebten), seit wann der Spatz beim Menschen 
ein Schmarotzerleben führt, weshalb es in Gärten und Anlagen 
ein reicheres Vogelleben gibt als im Wald, wie viele Vögel 
abhängig sind von gewissen Formen der Land- und Forstwirtschaft 
u. v. a. Was uns Hessen das Buch besonders nahebringt, ist 
die Tatsache, daß unser Landsmann Schnurre die Beispiele und 
Beobachtungen für sein Werk meist eigenen Naturstudien in Kassel, 
Frankfurt, Marburg und sonst in Hessen entnimmt, wo er seif 
Jahren zusammen mit dem Unterzeichneten an der Durchforschung 
der hessischen Natur, besonders Tierwelt, arbeitet. Dadurch wird 
seine wissenschaftlich bedeutsame, aber trotzdem für jeden Naturfreund 
verständliche Schrift zu einem vogelkundlichen echten Heimaktbuch. 
auf das wir als Hessen stolz sein dürfen. W. Sunbel. 
Spatzenlose Ortschaften im Hesjenlande. 
Neben Schwalbe und Star ist wohl der Haussperling oder Spatz 
er bebannteste deutsche Vogel. Eng hat er sich an den Menschen 
ingeschlossen, ist in seiner Ernährung heutzutage sogar soweit vom 
Menschen abhängig, daß man ihn als seinen Schmarotzer bezeichnen 
ann. ÜÄberlegen wir uns das Derhältnis dieses Vogels zum Wenschen 
enauer, jo erbennen wir allerdings, daß es weniger der Mensch 
elbst, als sein Haustier, das Pferd ist, was den Sperling an die 
nenschlichen Siedlungen fessjelt. Der Spatz ist also von dem Haus- 
ferd, beziehungsweise von dessen Futter und Exbrementen (die oft 
ioch unverdaute Haferkörner enthalten) abhängig. Das zeigte sich 
B. auch im Krieg durch eine Abnahme der Spatzen. Die 
Irjache dũrfte darin zu suchen sein, daß in den Keiegsjahren weniger 
ARerde innerhalb der Städte gehalten wurden, und daß diese nicht 
nehr (so ausgiebig) mit Hafer gefüttert werden bonnten; anderet- 
eits siedelten sich auf den Kriegsschaupläßen im Wald Haussperlinge 
in, sobald dort in den Barackenlagern Pferde gehalten wurden, 
yn unserer Lahnstadt Marburg fehlen in den gartenreichen Straßen 
im Schloßberg die Spatzen auch fast ganz, weil dort beine Pferde 
nd. In seinem gründlichen Werk , Geschichte der Jagd und 
falknerei in beiden Hessen“ kommt Dr. G. Landau auch auf spatzen- 
oje Ortschaften in Hessen zu sprechen: „So allgemein und zahllos 
iejer Vogel verbreitet ist, jo gibt es doch einzelne Orte, wo man 
hn nicht findet. Dahin gehören Kehrenbach, unfern Melsungen, 
as Schloß Wildeck, links der Werra, und die Dörfer Unter- und 
Oberschönau im Schmalkaldischen; an den beiden letzten Orten 
nangelt ihm bei dem höchst dürftigen Getreidebau die Nahrung“. — 
yn Wildeck, das nicht weit von meinem Heimatdorfe im Kichels- 
õörfer Schiefergebirge liegt, habe auch ich in neuerer Seit beine 
haussperlinge gesehen. Falls weitere spatzenlose Ortschaften in 
inserem Hessengau bekannt sind, bitte ich um Mitteilung unter 
Angabe der Gründe, die vermutlich für ein Fehlen dieses Aller— 
peltspodels“ vorliegen. W. Sunkbel. 
Nachdruck nur nach Abereinbunft mit dem Herausgeber gestattet. 
herausgeber: Konrad Bernecker. Deruck und Verlag: A. Bernecker in Melsungen.
	        
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