Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

freute sich, daß sein Herz so innig ernster Beschäftigung 
mit der Gottesgelahrtheit zugetan sei. 
Droben war, als wir aus dem Walde heraus auf die 
Plattform des Berges traten, Spiel und Keigen im Gang 
und alles voll lauter Freude und Fröhlichkeit. War auch reich- 
lich für Trank und Speise gesorgt und wurde ihnen fleißig 
zugesprochen, denn des Weges Beschwerden und das Herum⸗ 
schwingen im Tanz machen hungrig und durstig. Heitere 
Lieder aber und klingende Musik scheuchen Betrübnis und 
Harm — so war es schon zu Sauli Seiten, als ihm David 
die Harfe schlagen mußte. Kam auch über uns bald der 
Geist der Lustigkeit, stimmten mit ein in das Echo der 
Sänger und war auch bald mein Johann Friedrich in den 
Kreis der Tanzenden getreten. And nach burzer Frist war 
auch Jungfrau Elisabeth an unserer Seite, und wie wir 
hinjchauen, ist sie auch im Suge, und an ihrer Seite schreitet 
Johann Friedrich. Sagt da Ehrwürden: „Euer Sohn ist 
ein stattlicher Bursche geworden. Noch ein paar Jahre, 
und er hat Pfarre und Auslbommen, denn die Sahl der 
Theologiebeflissenen hat sich merklich vermindert.“ Und als 
sie wiederum bei uns vorbeikamen, sprach Frau Margarethe: 
„Ein schönes Paar, die scheinen wirblich für einander 
geschaffen zu sein.“ 
Schaute ich da auch schärfer hin und erbannte deutlich, 
daß Frau Margarethe recht hatte. War fürwahr ein schönes 
Paar und schienen wie geschaffen für einander. Johann 
Friedrich, der einen halben Kopf größer war, blickte ihr 
aur fortwährend in die Augen, die an Farbe dunkbelblauen 
Kornblumen glichen, und sie, die Jungfrau Elisabeth, schaute 
nur aufwärts in sein Angesicht, als ob es da wunders was 
zu sehen gäbe. Waren ihre rosenroten Lippen leicht geöffnet, 
daß man das Weiße ihrer Sähne durchschimmern sah, und 
ihr hellblonder Sopf mit blauer Schleife hüpfte im Gleich— 
schritt mit ihren Bewegungen auf ihrem Rücken auf und 
nieder. Da war deutlich zu sehen, daß das Pflänzlein 
Liebe in ihren Herzen zum starben Baum herangewachsen 
war und fürderhin auch, daß sie jelbst noch nicht recht 
wußten, wie es eigentlich um sie stand. Mich aber überlief 
es heiß und kalt bei dieser Wahrnehmung. War doch mein 
Johann Friedrich noch ein simpler Kandidatus der Theologie, 
und wußte ich doch wiederum, daß Meister Wigand seine 
Tochter nicht so bald einem zum Eheweib geben würde, der 
nichts weiter besaß, als das, was er gelernt hatte, und der 
mit irdischen Gütern durchaus nicht gesegnet war. 
Saß ich da in Verlegenheit und wußte nichts weiter zu 
antworten: „Ach was! Alltes Sprichwort lautet: Erst die 
Pfarre, dann die Quarre,“ und mag ich dabei wohl Lein 
gescheites Gesicht gemacht haben, denn Frau Margarethe 
lachte hell auf: „Kommt Seit, kommt Kat, lieber Präzeptor. 
UÜbrigens wollen wir auch darin unsern lieben Herrgott 
walten lassen. Er wird alles zum Besten behren.“ 
Ging mir doch die Geschichte im Kopfe herum und war 
ich selbigen Tages nicht wieder froh. Mahnete auch zum 
Aufbruch, sodaß wir zu Sonnenuntergang wieder in unserer 
Behausung waren. Ließ mich zu beinem aus darüber, 
was in meinen Gedanben vorging, und mag wohl bis zu 
dem Tage, da Jungfrau Elisabeth wieder heimfuhr, öfter 
den Meinen als ein mürrischer, unwirscher Hausherr erschienen 
sein. Wußte es aber zu verhüten, daß die Beiden in diesen 
Tagen wieder allein zusammenkamen, kauchte öfters ganz 
unerwartet bei ihnen auf, entführte einmal den Johannes 
Friedrich, dann wieder die Elisabeth, bümmerte mich nicht 
um das Grollen des einen, noch um das Schmollen der 
andern und achtete auch nicht auf die fragenden Blicke 
neiner viellieben Ehefrau, der mein Gebahren, wie sie sagte, 
twas wunderlich vorbam. 
Endlich war die Elisabeth heimgefahren, und mein 
ohann Friedrich saß wieder über seinen Büchern. Ob er 
ieser Tage viel gelernt hat, daran möchte ich Sweifel 
egen. Traf ihn wenigstens, daß er das neue Tostament 
erbehrt vor sich liegen hatte und doch, den Kopf in die 
Arme gestützt, eifrig die Bergpredigt studierte. Fand auch 
inmal einen Bogen Papier, auf dem stand nichts weiter 
jejchrieben als in deutschen, lateinischen, griechischen und 
inderen Lettern, blein und groß, verschnörkelt und verzieret: 
flisabeth. War mir darum ein Trost, daß Herr von 
Vangenheim auf Winterstein meinen Sohn zum Hofmeister 
ür seinen Sohn begehrte. Dieser, Friedrich August, sollte 
ine Keise nach München und Wien machen, und sollten 
ie gegen das heilige Weihnachtsfest wieder in der Heimat 
intreffen; statteten wir unsern Johann Friedrich aus, so gut 
s ging, befahlen ihn der Obhut Gottes, und hoßfte ich, 
aß das Schauen fremder Städte und Menschen seinen 
Sinn auf andere Gedanben bringen würde. 
Am Mittwoch vor dem St. Nibolaustage war eine 
Zonferenz der Lehrer nach Stadt Schmalkalden aus— 
eschrieben und machte ich mich schon früh mit unserem 
Zantor dahin auf. War selbigen Tages, das war am Aten 
es Monates Dezember, der Herrscheklasmarkt und bauften 
vir noch einiges für die Unsern ein. Als wir spät abends 
en Kirchberg hinaufstiegen, höre ich lautes Gespräch in 
nserer Stube, und auf dem Ern erbkannte ich Johann 
friedrichs Stimme. O, das war mir eine helle Weihnachts- 
reude. Glücklich reiße ich die Türe auf und bleibe starr 
uf der Schwelle stehen. Drüben in der Ecke unter der 
nospenden Linde saßen Johann Friedrich und Elisabeth 
hand in Hand, und ihre Augen leuchteten, aljo daß es 
dermann klar war, daß ihr Geheimnis ihnen offenbar 
eworden war. Stürzte gleich mein Sohn zu herzlicher 
Zegrüßung zu mir hin und ließ er mich auch über das 
brige nicht in Sweifel, zog die Jungfrau Elisabeth zu 
ns heran und sprach: „VDater, mit dieser habe ich mich 
eute verlobet und will sie mein vielliebes und getreues 
ẽkheweib sein bis ans Lebensende“. Fragte ich dagegen: 
„Was saget Meister Wigand dazu?“ Da wurden sie 
näuschenstill, und wußte ich wohl, daß sie bei dem harten 
Viderstand haben würden. Ehrwürden Wiß'ens Ehefrau 
ind die meinige schwiegen auch dazu. Sprach ich: „An 
neinem Segen, liebe Kinder, soll's nicht fehlen. Lasset 
ins auf den Herrn vertrauen.“ Bedang mir aber aus, 
zaß sie heimlich nicht sollten miteinander verkehren. und 
zaben sie auch Wort gehalten. 
Elisabeth war des Tages vorher eingetroffen und sollte 
iber Weihnachtszeit, wo es mit Arbeiten für Witwen 
ind Waisen, mit Bescheren für Schulkbinder und im eigenen 
Zaushalt mehr zu kun gab, eine Stütze der Frau Marga— 
ethe sein. Johann Friedrich hatte selbigen Tages nach 
lücklich vollbrachter Keise von den Wangenheims seinen 
Abschied genommen. 
Nächste Woche machte ich mich auf den Weg nach der 
5tadt, um mit Meister Wigand offen über die Sache zu 
eden. Traf ihn nicht daheim an; teilte daher seiner lieben 
fsͤhefrau mein Anliegen mit. Die aber war weder bestürzt 
ioch erschrocken ob meines Berichtes; schien schon etwas 
eahnt zu haben und sagte: „Wenn Elisabeth glaubt, bei 
furem Johann Friedrich ihr Glück gefunden zu haben, bin 
ch es zufrieden. Meines Kindes Glück ist auch mein 
Hlück. Mein Ehemann kehrt erst kurz vor dem Feste
	        
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