Kirche, wo auch zehn meiner Kinder und mein vielgetreues
erstes Eheweib Magdalene Margarethe geb. Kühnin des
Wiedersehens mit mir harren. Gott gebe uns Allen dereinst
eine fröhliche Auferstehung.
Herr Gott, Du bist meine Suflucht für und für. Du
warst mir Stecken und Stab in den Leiden und Fährnissen
meiner irdischen Wanderung. Wie du es aber oft so augen-
fällig zum Guten gewendet, das will ich heute und in
späteren müßigen Stunden als ein Beijpiel erzählen, meinen
Kindern und Kindeskindern zum teuren Vermächtnis, allen
aber, die es lesen und davon hören, zum lebendigen Beweise,
daß Gottes ewige VDaterliebe über jedem seiner Kinder
waltet und wachet.
Das war anno 1738.
Mein ältester Sohn Johann Friedrich war dazumalen
seit z3zwei Jahren vom Eyzeo in Schmalbalden in das
elterliche Haus zurückgebehret. Derselbe hatte aber in der
Stadt gewohnet und war in Sucht und Pflege gewesen bei
Wohlehrwürden Herrn Archidiakonus Johann Valentin
Merkel. Dieser war 1723 von der Gemeinde dorthin
berufen als Diakon der Lutherischen. Als nun anno 1730
am 1. Februarius M. Balthasar Neunes, der bisherige
Oberpfarrer und Inspebtor, mit dem Tode abgegangen war,
da wurde Herr Johann Mvenarius, der solang zu Steinbach-
Hallenberg das Predigeramt versehen hatte, Oberpfarrer zu
Schmalkalden. Darum entstand viel Tumult und Lärmen.
Denn die mehrsten hatten Herrn Johann Valentin Merbel
unterstützt und waren alle des Glaubens gewesen, daß
jelbiger Balthasar Neunes nachfolgen würde. Wandten sich
dieserhalb mit Suppliken an unsern allergnädigsten Landes—
herrn, Herrn Friedrich J. Landgrafen zu Hessen und König
in Schweden. And verfügte Kgl. Wajestät, daß Herr
Avpenarius Ehrw. das Oberpfarramt behalten sollte, dahin—
gegen wurde Ehrw. Herr. Johann VDalentin Merbel zum
lutherischen Inspektor eingesetzt. Hat aber eine solche Teilung
nichts Gutes geschafft und langwierigen, noch nicht beendeten
Zwist hervorgerufen, und wird es wohl zu beinem guten
Ende führen, ehe daß nicht wieder beide benannte geistliche
Amter werden in einer Hand vereint sein.
War aber dazumalen Anfang der dreißiger Jahre in
dem Merbkelschen Hause viel Umtrieb und Derbehr durch
Freunde und Bebannte. Kamen die Genossen vom Lyzeo
und der Aniversität zu dem jungen Eheherrn, seine viel—
liebe Ehefrau aber, Kegina Elisabeth geb. Pfannstiehl, wurde
viel aufgesucht von ihren Gespielinnen. Das waren für—
nehmlich die Tochter Wohlehrwürdens des Oberpfarrers
Joh. Sebast. Wigand und die ehrbare Jungfrau Margarethe,
des lutherischen Predigers Ehrwürden Herrn Christoph
Ludwig Linde älteste Tochter. Und da war viel Kurzweil
und Necbherei, alles aber in sittsamer Fröhlichkeit.
Sog auch manch ein Mal die junge Welt und die
Schüler, so in dem Hause waren, zu Wohlehrwürden Herrn
Wigand. Saß dann mein alter Berater glücklich lächelnd
in dem Lehnstuhl — denn der Schlag hatte ihn vor Jahren
auf der Kanzel getroffen und mußte er sich beim Gehen
der Krücke bedienen —, neckte sich mit allen herum, gab
ihnen Rätselfragen oder machte ihnen artige Verse — denn
er war der Hymnopoetik Meister.
Führten oft die Töchter Wohlehrwürdens Herrn Wigands
oder auch Jungfrau Margarethe Linde eine junge Verwandte
mit sich, das war Elisabeth, des Meßgermeisters Wigand
einzige Tochter. Das war ein Bruder von Wohlehrwürden
und war dieser des Kindes Taufzeuge gewesen. Die
Elijabeth war aber damals eben erst bonfirmieret und war
ꝛin herziges Mägdlein, sinnig und voll bluger Anschläge.
Am liebsten forschte sie nach der Geschichte des Landes
und der Welt und nach fremden Ländern und Meeren, und
var ihr da bein willigerer Lehrer als mein Johann Friedrich.
Fanden sich wohl schon damals ihre Herzen zusammen.
Keiner von allen ahnte aber, daß die Liebe als zartes
Alänzlein in ihren Seelen aufgegangen war, und auch
hren eigenen leiblichen und geistigen Augen war es noch
ein Geheimnis.
Im Jahre 11317 nun, wie ich aus meiner Familienbibel
ꝛrsehe, und nicht, wie ich oben gemeldet habe, anno 11788,
iehe, meine Augen werden schwach und mein Gedächtnis
äßt nach, hat unser Ehrwürden Herr Adam Balthasar Wiß
die ehrbare Jungfrau Margarethe Linde als vielliebes und
getreues Ehegemahl heimgeführt. Waren aber mit zur
Hochzeit geladen die Elisabeth Wigand und mein Johann
friedrich. Am Jabobustage — es war dieses ein Donnerstag
— strömte alles Volk in die Kirche, um die Kirmespredigt
zu hören. Da wurde ein außerordentlicher Gesang von dem
Kirchenchor ausgeführt, den begleitete die hiesige Kapelle,
ind wurden dabei zum ersten Male die neuen Kirchen—
»aukben gerührt und war Feierlicheres hier noch nicht gehört
vorden. Es predigte aber Ehrwürden über den Text
Kömer Capt. 9 O. 15 u. 16: „Welchen ich gnädig bin.
en bin ich gnädig; und welches ich mich erbarme, deß
erbarme ich mich. So liegt es nun nicht an Jemandes
Vollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“
And erflehte Gottes Gnade und Erbarmen herab auf
die Arbeit der Menschen, auf daß die Felder, so da in
»ollem Korn ständen, auch reiche Ernte brächten ihren
Sestellern, und daß der Herr gnädig auf uns herabschauen
nöge und uns fernhalten Krankheit und Krieg, Hungersnot
und Teuerung.
Als ich, nachdem die Kirche sich entleeret, die Türe
chloß, siehe, da hielt ein schmucker Wagen vor dem Pfarr-
»ause und erkbannte ich an dem großen Braunen mit weißer
Stienblesse gleich, daß selbiges Geschirr dem Meister Wigand
ius Stadt Schmalbkalden gehören müsse.
Daheim erzählte mir mein Eheweib Anna Kathrine,
daß mit selbem die Jungfeau Elisabeth eingetroffen sei und
volle dieselbe bis nächsten Montag als Kirmesgästin im
Dfarrhause auf Besuch verweilen. War aber Jabobi 87
»in Tag wie heute, lichter Sonnenschein und blauer Himmel,
ein Blatt regte sich — nur jeweilen strich ein leichter
Windhauch über die Felder. Da senbte sich und hob sich
viederum langsam das Getreide, daß es aussah wie eine
»reite, ruhige Meereswoge. War aber auch bein Unwetter
zu befürchten. Mochte drum beiner in der dumpfen Stube
itzen bleiben und stiegen wir alle in die Felder hinauf.
diel junges Dolk war aber schon auf den Inselberg gewallt,
vparen auch Musici hinaufgegangen und war zu erwarten,
aß dann droben noch ein fröhlicher Tanz bevorstand.
Auf der Pjingstwiese unter den ersten Bäumen des
Valdes trafen wir unser Ehrwürden mitsamt seines Ehe—
zjespons und der Jungfrau Elijabeth, und obgleich es nicht
nein Dorsatz gewesen war, auf den Berg zu steigen, war
ins bald zugeredet, mitzutun. Ließ es sich doch so gemächlich
vandern im Schatten des Waldes und herrschte eine so
uftige Kühle ringsum her, daß selbst steiler Anstieg keinem
eschwerlich fiel. Forschete nur, je zuweilen stille stehend
ind sich mit dem Schweißtuche die Stirn abwischend, Ehr—
vürden unsern Johann Friedrich aus, wie weit er mit seinem
Studio vorgeschritten wäre, gab ihm manches Harte zu raten
uuf, ließ sich mancherlei von der Universität berichten und