Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

WMarburger Münzen— 
Don H. Böolber. 
Hon den hessischen Denaren sind die Prägungen der früheren 
Münzstãätten Biedenkopf, Hofgeismar, Marburg, Nidda, Wolf- 
agen und Siegenhain selten. Die eigenartigen, zum Teil rohen, 
inderseits auch sehr zierlichen Darstellungen, wie auf den Brabte— 
iten der Abte von Hersfeld, 1180 bis 1800, zeigen, daß man auch 
nit mangelhaften Hilfsmitteln recht Gutes leisten Lonnte. Standen 
och damals die heutigen vervollkommneten maschinellen und tech⸗ 
nijchen Einrichtungen nicht zur Verfügung. 
Brabteat ist die lateinische Bezeichnung für die hohle Dänen- 
nũnze, von braktea, dünnes Metallblech also genannt. ZSur Seit 
hres Umlaufes nannte man sie gleichsalls Denar, von welchen 
‚wölf auf einen Schilling gingen. Die Brabteaten als Schild- 
nũünzen benennen zu wollen, ist demnach nicht richtig. Zur 
keleichterung der Art und Weise des Münzens wurden im 12. 
Jahrhundert die Denare in den meisten deutschen Ländern größer 
in Fläche und minder an Stärke ausgebracht. Allmählich wurden 
erartige Dünnpfennige nur mehr einseitig geprägt. Sie bilden 
die schönste und merbwürdigste Münze des Mutelalters und 
rhielten spãter die Bezeichnung Brabteat. Dauernd im Preise 
teigen die Brakteaten und Denare des 18. und 14. Jahrhunderts, 
vas ihrer geschichtlichen Wertschãtzung entjpricht. 
Sei der im Juli und August 1854 zum Sweche der Funda- 
nentierung und Neuaufstellung der Hochgräber im südlichen Quer- 
ause der Elisabethkrche zZu Marburg unternommenen Aus— 
zrabungen wurde auch ein beinahe zerstörter Brabteat gefunden. 
ẽs sind nicht viele hessische Brabteaten bekannt geworden, und sie 
jehören zu den Seltenheiten in unseren Sammlungen. Johann 
ßeorg Liebbnecht beschreibt 1116 im ganzen 14 hessische Brabkteaten, 
hoffmeister 35, und zwar aus folgenden Münzstätten: Kassel 8, 
frankenberg 3, Marburg 27, Schmalbalden 2. Besondere 
Beachtung wird dem Marburger Brabteat mit löwenkböpfigem 
Adler zuteelI. 
Su Beginn des Dreißigjährigen Krieges, 1022, blagten die 
essischen Stande ũber das Fallen des Geldes und verlangten 
derbesserung des Münzwesens und gewaltsame Herabsetzung der 
Reise. Reichsgesetze und Mũnzvereinigungen hatten schon seit 
angem den Münzverschlechterungen zu steuern versucht, doch 
ergeblich. Sogar die Landesherren ließen schließlich Münzen 
chlagen, die aus versilbertem Kupfer bestanden. Man bezahlte 
rũhere Schulden mit Mũnzen, die aus altem Kupfergerät geschlagen 
varen und wechselte alte Taler, Goldgulden u. a. mit hohem Gewinn 
zjegen neues Geld um. 
Als aber die Lebensmiltelpreise ins Unendliche stiegen, erblärten 
die Landesherren die neuen Münzen für ungültig. Und als nun 
sas verarmte, betrogene Volk seine Abgaben wieder in altem 
Helde bezahlen sollte, erhob sich ein Sturm der Empörung gegen 
die Münzer und Geldwechsler. Sum Schutz gegen minderwertige 
Münzen traf die Stadtbehörde von Marbuerg die Bestimmung, 
aß ihr wirklicher Gewichtswert zu Grunde zu legen sei. Das 
ewirkte, daß der Reichssstaler, der 1600 in Marburg nur 1 fl. 
24 Kr. wert war, 16020 2 fl. 20 Kr., 1622 4 fl. galt und 1623 auf 
O fl. stieg. Das 1624 erlassene Edikt versprach zwar noch den 
Angebern den vierten Teil der zu bonfiszierenden Münzen. Dann 
purde der Keichstaler wieder auf den 1/2 Guldenburs gesetzt. 
Spãteren Geldnöten wurde erst im 19. Jahrhundert vollständig 
ibgeholfen. 
In Mittel und Westeuropa liefen von Goldmünzen vom 9. 
bis zum 13. Jahrhundert nur die oströmischen, sogenannten Byzan- 
ktiner oder Besanten und die arabischen Marabutinen, Gepräge der 
Almoraviden in Spanien, um. Da erwoeiterten die Kreuzzüge 
Handel und Verkehr zwischen Abend- und Morgenland. Die 
bleinen Pfennige genũgten nicht mehr, es entstand neues Geld. So 
schufen die großen italienischen Handelsrepubliken Denedig und 
Florenz eine größere silberne und eine Goldmünze. Nachdem 
VOenedig den Matapan, eine Silbermũnze zu zwölf Pfennige geprägt 
hatte, schuf bald darauf Ludwig der Heilige von Franbreich den 
Groschen (von grossus, d. i. großer Pfennig), auch zu zwölf Pfennig, 
der dann in ganz Europa nachgeahmt wurde. 
Hessen prägte im Mittelalter seine Münzen nach verschiedenen 
Währungen, so daß sich die Marburger Währung zu der Kasseler 
wie eins zu zwei verhielt. Das ist so geblieben bis zum Ende des 
Kurstaates, wo zuletzt im Norden der Swanzig-, im Süden der 
DierundzwanzigGuldenfuß vorherrschte, und dori nach Talern und 
Groschen, hier nach Gulden und Kreuzern gerechnet wurde. Nach 
dem Gesetze vom 18. Januar 1841 trat mit dem Beginne des 
Jahres 1842 eine Anderung ein, indem für die harte Münze der 
VDierzehn⸗ für die Scheidemũnze der Sechzehn-Talerfuß eingeführ⸗ 
wurde. Nun prägte Hessen einfache und doppelte Friedrich⸗ Muhelms⸗ 
d'or, Ein- und Sweitalerstücke, gleich ein Florin 45 Kreuzer, Achtel⸗ 
und Sechsteltalerstücke sowie Dreißigsteltalerstücke oder Groschen 
Endlich entstanden Heller, deren zwölf gleich einem Groschen waren. 
Als die ältesten deutschen Mũnzennamen sind festgestellt 
worden: Kaijerring, Eyhrer, worauf das heutige nordisch-dänijche 
Here für eine Kupfermünze zurückgeht, und namentlich Schilling. 
Rächstalt ist dann der Pfennig, der als Verdeutschung des römischen 
Denarius durch das Mittelalter fortlebte. Neben der Marbt— 
gerechtigbeit und dem eigenen Fruchtmaß gehörte auch die Münz- 
gerechtigkeit von Marburg zu den ältesten städtischen Privilegien. 
Die Muͤnzgerechtigkeit der Stadt erbennt man aus ihrer Währung, 
die von den meisten auf Marburg ausgestellten bis in das 16. Jahr- 
hundert reichenden Urkunden erwähnt werden. Nicht nur Stätte 
des Prägens war die Münze, sondern zugleich auch Wechselbank, 
ũber welche beiden der Münzmeister die Aufsicht führte (nach 
Bücking, Hoffmeister, Weinmeister u. a.). 
Im Oberlahngau waren 1392: Funfzig Pfund hessische Wäh— 
rung gleich 82 Pfund 61/2 Schilling und ein Pfennig Marburger 
Währung. Stets wird auch in den Urkunden die Marburger 
(oberlahngauijche) Währung als eine besondere bezeichnet, 35. B. 
1338: „Swölf Schilling Geldes Marburger, zwei Heller für einen 
Pfennig zu rechnen.“ Und 1340 heißt es: „Sechs Schilling Mar⸗ 
burger (Währung), zwei Heller sür den Pfennig.“ Es gab auch 
zine Währung der Wetterau, wo Pfennige vorkommen, und das 
Werratal blieb in Bezug auf seine Mauͤnzwährung noch lange 
thũringisch. Sogar die landgräfliche Münze in Eschwege prägte 
noch im fünfzehnten Jahrhundert nicht in hessischer. jondern nur in 
lhũringischer Währung. 
Sis ũber die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus bennt das 
Mittelalter ũöüberhaupt nur Silber⸗Pfennige, nämlich in den beiden 
Formen. die die Numismatiker als Denare und Brabteaten bezeichnen. 
VDom Pulsschlag der Heimat. 
Quellen der Volksbraft. 
Anter der breiten Schirmtanne verwoeil' ich und schaue nach 
Süden, wohin der Berg seine bristallklaren Wasser über und in 
er Erde schickt. Ich denke an die große Stadt, denke, wen der 
Tropfen, der jetzt eben dort drüben durch die eiserne Ader rinnt, 
rquicken wird. Ja, das Land mit seinem Nährboden! Nicht nur 
Vaser führt es der Stadt zu und nicht nur Brot, sondern auch 
Blut, neues. frisches Blut, wenn das alte erschlafft und entartet 
jst. Aus den Bauerndörfern in den Bergtälern und in den Niede- 
ungen findet manch ein kraftgespannter junger Mensch den Weg 
in die Großstadt. Blutzufuhr — Blutauffrischungl Das Wort 
»on den „blühenden Städten eines Landes“ ist eine hohle Phrase. 
Die Großstadt blüht nicht von selbst. Wenn sie blühen will, muß 
ie die Säfte des Landes in sich aufnehmen: die Kraft des Dorfes. 
das Blut der Bauern. 
Aber wie schnell verzehrt die Großstadt ihr eignes Leben! 
Ihr Gluthauch versengt. Oft sind die Baueensprossen in den 
Städten schon im dritten Geschlecht braftlos und bleich. Sie sterben 
ib. Degeneration nennt man dieses langsame, aber sichere Ver— 
rennen, dieses unheimliche Vergehen der Menschenkraft am über⸗ 
hißten Feuerofen der Kultur 
Ich wanderte durch Dörfer und Täler, ũber Felder und Höhen 
und durch märchenstille Wälder voll Sonnenlicht und Blätenpracht. 
Ich sah die Bauern mit ihren Kindern, mit Knechten und Mägden 
ein hartes Tagewerk schaffen. Hoch und hager, aber zäh und ziel⸗ 
sicher gingen die Menschen der Scholle der schweren Arbeit zu 
Leibe. Swischen ihren Felderbreiten stieg ich zu Berg, wo mich 
die lichtgetupfte Schattenkühle hochstämmiger Buchenwälder auf. 
nahm. Nach stundenlanger Wanderung schnitt mein Weg durch 
hohe Tannen, die wie dämmerdunkle Wände ragten. Plötzlich 
lichtete sich der düstere Tann. Am Waldrand traf ich unvermutel 
auf einen großen Hochbehälter, der mit andern in denselben 
BSBergen die ferne Metropole mit gutem Wasser versorgt. 
Meilenweit rinnt das erfrischende Quellwasser durch die Köhren- 
leitung wie durch eine starbe Ader und bringt der Riesenstadt 
* unentbehrliche frische Wasser. ohne das sie nicht mehr 
eben Lkann—
	        
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