Wilhelm Thielmann *.
Am Totensonntag (283. Mobp. 1024) haben wir in Willings-
»ausen (Krs. Siegenhain) unter großer Beteiligung von Känstlern,
Freunden von nah und fern und Bewohnern von Willingshausen die
terblichen Überreste eines als Künstler und Menschen verehrungs-
pũürdigen Mannes, des Kunstmalers
Profesjor Wilhelm Thielmann, der
Erde übergeben, nachdem ihn am
Buß- und Bettage (19. November) in
Kassel, wo er bei Freunden zu Bejsuch
weilte, ein Schlaganfall dahingerafft
hatte. W. Thielmann wurde am
10. März 18608 zu Herborn in bleinen
Oerhältnissen geboren. Er besuchte
die Kealschule, später die Präparande
einer VDaterstadt und alsdann das
Seminar zu Alsingen. Schon als
ehnjähriger Knabe war er als
Zeichner soweit fortgeschritten, daß
er in rũhmenswerter Weise seine
Mutter zeichnen bonnte. Seine künst⸗
lerische Begabung machte sich wäh⸗
rend der ganzen Schulzeit bemerbbar
besonders in humoristischen Seich-
nungen. Dann war er Lehrer in
einem Orte bei Frankfurt a. M.
Während diejser Seit besuchte er
nebenbei die Frankfurter Kunst—
gewerbeschule. Später bam er nach
Kassel. wo er nach weiterem Besuch
der Kunstgewerbeschule sein Seichen⸗
ehrerexamen ablegte. Nun wirhte
er neun Jahre als Lehrer an der
Kunstgewerbeschule in Kasjel. Mittler⸗
vpeile wurde ihm, der als freier
Künstler leben wollte, die Schulstube
zu eng. Ohne jemals eine Maler—
abademie besucht oder dem Atelier
eines bedeutenden Meisters angehört
zu haben, leistete er zunächst als
Graphiker ganz Hervorragendes.
Wohl in allen Hessenstuben hängen
Oervielfältigungen nach des Meisters
herrlichen Seichnungen. Seine Ka⸗
hierungen und Strichätzungen (später
entstanden) fanden weitgehende Be—
achtung. Vor einigen Jahren erst
wandte er sich der Farbe zu. um auch hier eine ganze Anzahl
äußerst wertvoller EOl- und Aquarellbilder zu schaffen. Geschah
dies anfangs gleichsam wegsuchend, so lagen doch in W. Th. soviel
Qualitäten, daß er auch hier seinen Weg zu einsamer Höhe bald
aus eigener Kraft fand. An allen Bildern W. Thielmanns rühmen
vir das feine Abstimmen der Farben gegeneinander, das Nach—
gehen bis ins bleinste und feinste, die Behandlung von Licht
uind Luft, in die die Gegenstände in ganz vortrefflicher Weijse
gestellt sind, den vorzüglichen Aufbau und die Komposition. Seien
2s Seichnungen oder eigentliche Malereien, sie alle atmen Freude
am Leben („Morgen gibt's Sonne!“
das war ein oft gehörter Aus—
spruch Wilhelm Thielmanns) und
tiefes Eindringen in den Gegenstand.
Er war mit den Personen verwachsen,
die er als Seichner oder Maler
wiedergab, wie er auch als Mensch
mit seinen Willingshäusern immer
gern und freundlich verlehrte. W. Th.
bannte die Schwälmer und hat sie
jo dargestellt, wie sie sind, nichts hat
er beschönigt und nichts ũbertrieben.
Er war ein echter Heimatkäünstler,
der diese Menschen nicht ihrer
farbenreichen Tracht, sondern ihres
ungeschminkten ganzen Wesens wegen
als malerische Objebte bevorzugte.
Einzelne jeiner vielen Bilder zu
desprechen würde zu weit führen.
Es mag nur noch hervorgehoben
werden, daß W. Th. auch als Kari-
laturenzʒeichner Bleibendes leistete.
Daß ihm die Illustration besonders
iag, ist bei seiner eigenartigen Be—
gabung selbstredend. Er war als
Illustrator für erstklassige Werke und
Zeitschriften begehrt. Für uns hat
er u. a. die Seichnungen zu Joh.
H. Schwalms Erzählung „Swischen
den Mühlsteinen des Lebens“ hervor⸗
gebracht.
Zuletzt wohnte er, wohl an die
30 Jahre, auch nach seiner Verhei⸗
eatung, ständig in Willingshausen,
wo er ein Haus besitzt, das er erst
bor einigen Tagen mit seiner teuren
Gattin bezogen hatte. So lange das
„Malerstübchen“ in der jetzt ein-
gegangenen Haaseschen Wirftschaft
bestand, war er dort wegen seines
unversieglichen, sonnigen Humors
(wie dereinst im „Wilden Wasser“
n Kassel) ein gerngesehener Gast, der neben Bantzer als
länzender Dertreter der „Willingshäuser“ genannt zu werden
erdient. Möge ihm die Willingshäuser Erde leicht sein. Nicht
ainder als die hessijsche Heimatkunst hat die große deutsche Kunst
nit dem unerwarteten Tod Meister Thielmanns einen herben
Derlust erlitten. Schw.
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Aus alter Seit.
So fejt wie Siegenhain!
Von Heinrich Ruppel.
zie Freiheit gab, ließ er ihn geloben, alle seine Geschütze auszu⸗
iefern und alle Festungen des Hessenlandes zu schleifen bis auf
»ine. Und diese eine war Siegenhain. Der Bevollmächtigte des
Zaisers, Graf Reinhard von Solms, rückte mit hundert Gehar—
nijschten in Hessen ein, um die Werbe der Serstörung zu voll—
»ringen. Er erschien — entgegen allen Abmachungen — auch
»or Siegenhain und verlangte dessen Auslieferung. Doch Heinz
»on Lüder, der wackere Kommandant,. wies ihn mit echtem
Manneswort zurück: „Der freie Landgraf hat mir diese Festung
ibergeben, und dem freien Landgrafen werde ich sie überant-
porten.“ Frisch ließ er dazu die Geschütze spielen, daß den
Zaiserlichen alle Lust verging. Den Kaiser wurmte dieser Trotz.
Und der gefangene Landgraf mußte ihm versprechen, wenn er
einer Fesseln ledig sei, seinen Getreuen in Ketten unterm
Tor der Festung aufhängen zu lassen. Wort ist Wort, und
venn man's auch erzwungen gibt. Heimgekehrt schlang Philipp
einem treuen Heinz von Lüder eine schwere goldne Kette
im die Brust, daran er ihn einen Augenblick unterm Festungstor
mporziehen und wieder zur Erde nieder ließ. Diese Begebenheit
at unser Mitarbeiter J. H. Schwalm in seiner dramatischen
dichtung „Hessentreue“ verherrlicht.
Wer Lennt nicht dieses stolze Wort der Hessentreuel Aber
alles Große und KRũhmenswerte will ehrlich erworben sein. So
hat auch die alte Hessenstadt an der Schwalm den KRujf der Festig-
deit und Treue nicht ohne Kampf und Sieg erhalten. Sie wurde
oft bestürmt, doch nie erobert, und sie bewährte ihren Trotz und
hre Treue in mancher schweren Belagerung. Daher das stolze
Wort: „So fest wie Siegenhain!“
Wir zeigen heute das Heinz von Lüder-Tor im Bild. Gerade
an die Heldengestalt des Heinz von Lüder, der einem buchischen
Heschlecht entstammte, knũpft sich zuerst der Ruf der Treue. Sein
Herr, der Landgraf Philipp der Großmũtige, zog seines Glaubens
wegen gegen seinen Kaijer, den Spanier Karl V., zu Felde.
Aber der Schmalkaldische Krieg ging für den Landgrafen und
einen Bundesgenossen verloren. Notgedrungen unterwarf sich
Philipp dem gestrengen Kaiser. Der führte ihn gefangen fort.
Zu Löwen und Mecheln in den Niederlanden ließ er ihn in
langer Haft die Kühnheit büßen. Und eh' er dem Gefangenen