Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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Heimat- Schollen 
Blätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbunst 
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4. Jahrgang 
Um Haus und Hof & Von Joh. H. Schwalm. 
Erzählung aus dem Schwalmtal. 
Gerade als das SZünglein der Wage fast zu Gunsten 
Wurzelbasts stille stand, da trat er dicht vor den Richter 
hin und bat um einen Augenblick Gehör, weil er in der 
Sache des VDerbaufs etwas vorzubringen habe. 
Der Amktsrichter, ein sehr freundlicher Herr, dem es 
in der Seele wehe kat, daß er braft seines Amtes mit den 
armen alten Müllersleuten so hart verfahren mußte, gab 
die Erlaubnis gern. 
„Herr Amtsrichter, ich heiße Paul Waldmüller, bin 
der Sohn des Besitzers dieser Mühle und bann und will 
die auf dem Besitztum meines Vaters lastenden Schulden 
beʒahlen.“ 
Wie rissen da die Dersammelten die neugierigen Augen 
auf und am allermeisten der alte Wurzelbast. Hohn, Wut, 
Haß standen auf seinem zerfurchten Gesicht deutlich geschrieben. 
Nur ein einziger Laut entwand sich seiner Kehle, halb wie 
Viderspruch, halb wie ein gräßlicher Fluch. dann schlich 
er hinaus. 
Während der Unhold dem nahen Walde zueilte, brachte 
Paul die Geldangelegenheit seiner Eltern in Ordnung, und 
ein Wiedersehen wurde gefeiert. das Worte nicht beschreiben 
Lönnen. 
Wie ein Strahl der linden Frühlingssonne fiel diese 
Kettung aus höchster Not besonders Els in das Gemüt. 
Endlich, endlich Lonnte der Kampf ums VDaterhaus als 
gewonnen gelten. Noch spät abends saß sie bei ihrem Bruder, 
und das Erzählen wollte bein Ende nehmen. 
In Amerika war Paul die langen Jahre gewesen, 
herschollen, weil ihm das Glück anfangs nicht so gelacht, als 
er und Hans Kenner es dereinst im judgendlichen Glauben 
GSchluß.) 
in das Leben sich ausgemalt hatten. Das auch in Amerika 
aure Stück Brot eines Dienstknechts war dort sein Teil 
ewesen. 
Da war sein kbinderloser Herr gestorben und hatte ihm 
ie ganze große, schöne Farm für seine treuen Dienste ver— 
nacht. Paul hätte nun ein sorgenloses Leben führen bönnen. 
Da, am Tage seines Glückes, lief auch im fernen Westen 
Amerikas die Kunde von Farm zu Farm, von Mund zu 
Nund: „Das alte Vaterland ist in Gefahrl“ Mit Franbreich 
ollte ein Kingen um Haus und Hof ausgefochten woerden, 
em gegenüber das um die Waldmühle einem Sturm im 
Vasserglase glich. Da gab's bein Besinnen. Schnell wurde 
ie Farm verpachtet. 
Was weiter geschehen war, kam ihm heute vor wie ein 
höner Traum. Diese Begeisterungl Dieser Stolz, ein 
deutjcher zu sein! „Lieb VDaterland, magst ruhig sein! Lieb 
daterland, magst ruhig sein! ....“ Noch blang ihm die 
Veise dieses stolzen Daterlandsliedes in den Ohren, wie 
s über den weiten, sturmgepeitschten Ozean dahinbrauste. 
Auf dem Vorderteil des Schiffes hatte er gesessen, und seine 
edanken waren weit. weit geschwoeift — ins stille Tal 
der Schwalm.... 
Nach einigen Tagen schon legte das Schiff in Southampton 
in, und auch die Fahrt bis Hamburg verlief ohne Swischen- 
all. „Lieb Daterland, magst ruhig sein! ....“ Nus tausend 
ind abertausend Kehlen umbrauste auch dort der Gesang 
ein Ohr. 
Er baufte das neueste Extrablatt. „Schlacht bei Sedan — 
dapoleon gefangenl! Deutschland Sieger! — fest steht und
	        
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