Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

die alten, reich benagelten Türflügel und oben die Inschrift: V. B. 
AO. 16016, stammt also von einem älteren Bau. Su dem oberen 
Stockwerk, das an seiner Fachwerbsschwelle zierliche Schnitzereĩ 
zeigt, führt eine hölzern über— 
deckte, auf einigen Steinstufen 
stehende Treppe, die dem Winkel 
am Burgtor seinen eigenen Keiz 
berleiht. Das Innere der von 
einem Arbeiter bewohnten 
Käume entbehrt, da die Fenster 
roh in die Umfassungsmauern 
gebrochen sind, der Altertüm— 
lüchkeit, und doch wirkt es gerade⸗ 
zu romantisch, wenn man nach 
Vffnung der eisenbeschlagenen 
Tür, begrüßt vom heiseren Ge— 
belle des Burghundes, in die 
dũstere Kũche blickt, wo neben 
einem alten, aus besseren Seiten 
tammenden schwarz geräucherten 
Tisch ein offen lohendes Herd— 
feuer über das weiß umrahmte 
Haupt des alten Burghüters 
und das Kopftuch einer jungen 
Magd rote Blitze schießen läßt. 
Während an den gesamten 
bis zu zwei Meter starken Um— 
fassungsmauern der Burg Fenster 
nur jelten sind, liegen sie auch 
nach der Hofseite alle in solcher 
Höhe, daß man von der Erde 
aus nicht hineinblicken bann. 
Vor dem Burgtor stand eine 
zuletzt ganz verfallene Kapelle 
mit der Jahreszahl 1539, die bei 
Landau, Hessische Kitterburgen, 
mit einem Glockentürmchen ab⸗ 
gebildet ist. Da hier die der Burg 
zugekehrte Mauer gezackt ge— 
zeichnet ist, so ist anzunehmen, daß 
diese Mauer zugleich außere King 
mauer war. 
Die äaußere Ringmauer ist 
nur noch längs der Burg in 
ihrem Derlauf am Erdboden zu 
erkennen. Sie wurde jeweilig be 
Errichtung von Neubauten au' 
dem ehemaligen, unweit ge— 
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egenen, jehßt als Försterei dienenden Staatspachtgut immer mehr 
abgetragen. Nur der 3. T. zweistöckige Teil der Kingmauer vor 
der Ostseite über der Felswand des Halsgrabens mit einem Schalen⸗ 
turm und zwei Keihen Schlitz 
und Schlüssellochscharten hat sich 
erhalten und ist durch Keparatur⸗ 
arbeiten vor Verfall geschützt. 
Don der Ecke des hohen Wohn⸗ 
hauses, wo ein starber Strebe⸗ 
ofeiler vorgelegt ist, steigt eine 
teile Treppe an der Innenseite 
der Kingmauer nach dem steiner⸗ 
nen schmalen Wehrgang, der 
auch innen im Schalenturm 
herumläuft, hinauf. Nach dem 
Staatspachtgut zu lagen zwei 
aneinander gebaute Tũrme, der 
Eckstein, der den Sugang zur 
Burg beherrschte. 
Dem steilen Bergabhang an 
der Südseite ist einige Meter 
unter dem Mauerfuß ein bleines 
Plateau vorgelegt, an dessen 
Kand ein mächtiges, seines 
Holzwerkes beraubtes Stein— 
haus steht, das, der rundbogigen 
Einfahrt und den sehr tief ge— 
legenen Seitenräumen nach zu 
urteilen, einer Fruchtscheuer ähn⸗ 
lich ijt. 
Sur Burg gehört auch der 
Kirchturm des Vorfes Nenters- 
hausen, der als Kundturm an 
der Kirche steht und ursprũnglich 
als Warte diente, von wo aus 
man die alte Handelsstraße be— 
obachten und zur Burg entjspre⸗ 
chende Seichen geben Lonnte. 
— 
S8nhIuSSHæiM 
Annenproufil 
Obigem Beitrag des Ober⸗ 
ngenieurs E. Wenzel, Magde⸗ 
burg, bönnen wir zu unserer 
Freude noch zwei feine Feder⸗ 
zeichnungen, „Eingang zur 
Burg“ und „Tannenburg von 
der Domäne aus“ von H. Knöpfel, 
Kassel, beifügen. 
Auf Heimatwegen. 
Frankenberg, 
die bunte Stadt an der Edder. 
Von H. Völber. 
Herbstmelodie durchzittert die Luft. Um die Brombeerhecken 
spinnt der Altweibersommer verträumte Fäden. Auf dem Burg 
berg der alten Hessenstadt, dessen Umrisse in weichen Sommer- 
naͤchten die Silbersichel des Mondes in geheimnisvollen Frieden 
tauchte, haben hundertjährige Baumbronen sich bereits zum 
Winterschlaf gerũstet. Aber noch ist alles da, was das Herz 
begehrt: heiteres Leben und träumerische Stille, städtischer Glanz 
und abgeschiedene Einfachheit, belebender Fremdenverbehr und 
feststehende Eigenart, neue Bauart und alte Architektur. Die 
goldhaltige Edder leckt den Fuß der Stadt, der ältere Stadtteü 
zieht sich romantisch am Berge hinauf. Eine Acker- und Flein. 
bũrgerstadt ist Frankenberg, aber mit reichem Gewerbe, bkräftigem 
Handwert und beimendem Handel; reich an Reizen ist sie. bun⸗ 
und so schön. 
Den Fremden erfreut hier der lebenbejahende Sug, der alles 
beherrscht, der sich ausspricht in dem fesselnden Susammenfluß von 
Natur und Stadtleben, Es ist völlig gleich, weichen Weg wir 
einschlagen, ũberall bieten sich dem BSlick neue Eindrüche, mõgen 
wir nun die Stadt oder ihre Umgebung betrachten. Geselliger 
VDerkehr und wohltuende Einsambeit, lichter Saubwald und dam— 
meriges Tannicht, liebliche Berge und heimliche Schluchten, gast- 
liche Stätten, die Speise und Tranb bieten, Erinnerungen an 
ehemaligen Bergbau und Hüttenbetrieb — eine bunte Fülle des 
Sehenswerten und Anregenden. 
Aber warum in die Ferne schweifen! Du wirst nicht so 
bald wieder ein so prächtiges gotisches Gotteshaus bewundern 
önnen, darum gehe in die wundervolle lutherische Pfarrkirche, 
der Pförtner wird Dir mit sichtlichem Stolz alles beschreiben, 
auch die einzigartige Marienkapelle, und was in ihr nur immer 
vissenswert ist, mitteilen. Nicht weit davon ist das Kathaus mit 
einen zehn stolzen Spitztürmen, die rechts und links, oben und 
inten den schmucken Holzbau flankieren. Eben ist man gerade 
abei, den angebauten achtseitigen Treppenturm seines finsteren 
überwurfes zu entkleiden und ihn in alter Schönheit neu erstehen 
‚u lassen. Und dann zum trutzig dreinschauenden Steinhaus, 
zinem der anderen Altbauten der Stadt. Der Hexenturm freilich 
jt vor Jahren neu ausgebaut worden, erinnert aber zweifellos 
in dunkle Seiten und düstere Anschauungen: den Teufelswahn 
ind Hexenglauben. Vielleicht hast Du kurz nach dem Verlassen 
des Bahnhofes das uralte Klostergebäude nicht in Augenschein 
jenommen; dann sieh jetzt zu, wie weihevoll sich seine drei 
Flügel einst reckten und streckten. 
Da ist's denn nicht weit bis zu dem um diese Jahreszeit 
zjewichtig tuenden Edderfluß, dessen „Spüle“ gar zu ünheimlich 
5 und am liebsten in jedem Jahre ein Menschenopfer haben 
möchte. 
Nach der alten Klostermühle suchst Du vergeblich, aber 
ur ehemaligen Niedermühle mit einigen Stadtminiaturwappen, an 
»er Vorderansicht in Stein gehauen, sind's nur noch wenige 
Schritte, doch verrät Dir der aufgebaute Turm mit seinem Gewier 
»on Leitungsdrähten, daß hier die elekteische Sentrale der Stadt 
hr löbliches Vornehmen dahin gesetzt hat, den Tücken der Nacht 
in Schnippchen zu schlagen.
	        
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