er wieder die Spubgestalten, allerlei Getier schien auf ihn
loszustürmen, die ganze Hölle ihre Wut an ihm auszulassen.
„Hu, hul“ schrie's in den Lüften, „wau, wau, waul!“ im
Walde. Hier pfiffen Tausende von Mäusen, dort sah er
ebelhafte, langgeschwänzte Katten ihren grausigen Keigen um
ihn tanzen, und dazwischen ertönte wieder das schauerliche
Verloren! Verloren! Verloren — — —I*
Da sprang der von den Spubgestalten seiner Einbildung
perfolgte in der Not des Deliriums auf und stürmte wie
rasend vorwärts.
Dort blinkte der Fluß, die Schwalm, im rötlichen Scheine
des heraufziehenden Tages und schien ihn zu locken mit
unwiderstehlicher Gewalt, und kaum berührte ihn die bühlende
Flut, so verschwanden die Spubgestalten.
Nun war's aus mit ihm, das Wasser hatte die Schwanen-
arme um seinen Nacken geschlungen. Da, auf einmal trat
klar und deutlich die Gestalt jeines Weibes vor sein geistiges Auge.
Hu, wie er sie haßtel Blitzartig durchfuhr ihn der Gedanke,
daß er sie durch seine Tat befreie. „Gott v...m...l noch
einmal“ knirschte er den gotteslästerlichen Fluch, „sie heiratet
diesen verfl ....I“
Er machte brampfhafte Anstrengungen, sich der nassen
Gewalt zu entwinden.
Dergeblich ...
Kuhig glitt die Schwalm dahin, leisje, leise murmelte sie
ihr Lied, eine Klage über Menschensünde und Menschen-
jammer, tief neigten sich die Weiden, und die Tautropfen
fielen sanft hinab wie Tränen ins nasse Grab eines
ODerlorenen ......
16.
Heute war der Berghöfer begraben worden. Wan hatte
ihn nach einigen Tagen aufgefunden, und da angenommen
wurde, daß er verunglückt jei, begegnete der „traurige Fall“
allgemeiner Teilnahme. Nach nah und fern eilten die Leichen-
bitter, die VBerwandten und Freunde zum Begräbnis einzuladen.
Oer Pfarrer hielt eine rührende Kede, die Schulkinder
sangen. Ja, der Berghöfer wurde mit allen Ehren seines
Standes bestattet....
Wieder waren vier Wochen verflossen, die Schuldner
meldeten sich, und die Verwandten, die gehofft hatten, einen
fetken Bissen zu erhalten, da ihr Vetter Willem ohne Erben
gestorben und seine Frau nicht erbberechtigt war, machten
immer längere Gesichter.
Els allein blieb in diesem Trubel ruhig, sei es, daß ihr
Herz durch das viele Elend, das es im Laufe der Seit hatte
durchkämpfen müssen, abgehärtet war, oder sei es, daß sie
überhaupt nicht wünschte, von dem Vermögen ihres verstorbenen
Mannes auch nur einen Heller zu bebommen. Sie ging
still ihees Weges und tat bis zum letzten Augenblick ihre Pflicht.
Termin auf Termin wurde abgehalten, bis auch nicht
ein Stein bei dem andern blieb.
Nun sollte noch das furchtbarste für Els kommen. Ein
superkluger Verwandter des Berghöfers hatte herausgefunden,
daß dieser die dreitausend Taler, welche der alte Wurzelbast
empfangen, seinem Schwiegervater geliehen, dazu auch noch
achthundert Taler für andere Schulden für ihn bezahlt habe.
Darauf fußten die Erben und verlangten diese Posten zurück.
Noch einmal lebte in der Waldmühle das alte Prozeß-
elend mit all seiner Unruhe und seinen Kämpfen auf, aber
es war diesmal noch schwerer zu tragen als früher. Die
Müllersleute waren älter geworden.
Els preßte es fast das Herz ab. Sollte ihr ganzer
Jammer umsonst gewesen sein! Sollte sie ihr ganzes Lebens-
glück umsonst geopfert haben! Konnte das der liebe Gott
virblich zulassen? Galten vor ihm alle ihre Tränen, die sie
geweint hatte, nichts, gar nichts ? ....
Sie hielt die Vorladung in ihrer Hand: „Auf den
5. Obtober Termin in der Sache von Wilhelm Berghofs
Erben gegen Klaus Heinrich Waldmüller.“ And es lag in
hrer Gewalt, den Prozeß, soweit er die dreitausend Taler
inging, zugunsten ihrer Eltern zu entscheiden, wenn sie, so
alte der erfahrene Anwalt erblärt, den Kichtern die Ver—
ältnijse wahrheitsgetreu schildere, unter denen ihr verstorbener
Mann dazu gekommen jsei, für ihren Vater die Sahlung des
Seldes zu leisten.
Lieber Gott, sie sollte blutfremde Menschen einen Blick
n ihr Inneres tun lassen, den Richtern und Geschworenen
jegenüber entblößt dastehen! Mußte nicht dennoch der
ichthundert Taler wegen Haus und Hof veräußert werden?
Sie Lämpfte einen heißen, ehrlichen Kampf mit sich selbst.
Fin Menschenherz, in dem dieses Kingen tobt, gleicht der
eblagenswerten Feldmark, über die der Donner der Feld-
chlacht dahinbraust. Blaß und abgehärmt schlich sie in der
Mühle herum, denn den Berghof haͤtte sie längst verlassen.
Aber schließlich nahm sie sich vor, ihrem Anwalte zu
olgen. „And sollte es nichts nützen,“ gestand sie sich, „so
vill ich es als eine Sühne für den Frevel an meinem eigenen
herzen betrachten, für die Sünde, daß ich mich ohne Lieb
im jchnöden Mammon verbaufen bonnte.“
Mit dieser festen Vornahme stand Els vor Gericht.
Es bedurfte nur eines freundlichen Wortes seitens des
Ddorsitzenden, und sie begann: „Ich verlebt meine Jugend
n unserer Mühl, und ich hing an dem Plätzchen mit meinem
janzen Herzen. — —
Da kbam eines Tages ein Mensch in die Mühl und
ehauptete, sie gehör eigentlich ihm. Jahrelang wurd ein
Rozeß um sie geführt.
Endlich entschied das Gericht, mein Dater sollt dem
fremden dreitausend Taler Abstand bezahlen. Das hieß mit
inderen Worten, meine Eltern sollten von Haus und Hof
erteieben werden. Ich bonnt sie retten. Da war der Berg-
ofbauer, der begehrt mich zur Frau und wollt dagegen
ie Schulden meiner Eltern bezahlen.
Zwar — — ich — liebt ihn nicht und wär lieber
jestorben, hätt mein Herzblut die Eltern zu retten vermocht,
iber — — hier galt nur ein Preis, ich selbst. Ich — zahlt
hn, und der Berghofbauer rettete die Eltern. Summe
jegen Summe.“
So erzählte Els schlicht und einfach den Hergang.
Der Spruch des Gerichts lautete, daß Klaus Heinrich
Valdmüller nicht schuldig sei, jene dreitausend Taler zu
eʒahlen. Dagegen werde ihm aufgetragen, die achthundert
Taler, die ihm sein verstorbener Schwiegersohn nach und nach
geborgt hatte, alsbald zu entrichten.
Die Waldmühle mußte deshalb zum Verbkauf gestellt
perden.
17.
Der Tag war gekommen, an dem die Waldmühle versteigert
oerden sollte. Dichtgedrängt saßen die Käufer und Neugierigen
n der geräumigen Wohnstube und lauschten den Angeboten.
Zesonders heiß wogte der Kampf zwischen dem alten Wausche
ind Wurzelbast. Endlich aber schien Bast Sieger zu bleiben,
enn sein Gegner bot nur noch zögernd immer um einen
inzelnen Taler höher.
Da wurde die Aufmerksambeit der Dersammlung auf
inen jungen Mann gelenbt, der schon eine geraume Weile
»em Tun der beiden Hauptbieter zugehört hatte, ohne ein
Vort zu sagen. Schluß folgt.)