Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

über und warf sich den Meißnischen 
dem Landgrafen das Leben rettete. 
Zum Lohn wurde sein Sohn mit 
Baumbach'schen Besitzungen unter 
helehnt. 
Hermann von Doernberg. 
don Pfarrer Ernst Paulus, Breitenbach am Herzberge.“) 
Fast vier Jahre, ehe Philipp der Großmütige in seiner Land- 
zrafschaft Hessen die Reformation einführte, ist in der Kirche zu 
SBreitenbach die katholische Moesse abgeschafft und evangelischer 
Hottesdienst gehalten worden. In wenigen Jahren werden wir 
hesjen die Vollendung des vierten evangelijchen Jahrhunderts feiern 
nnen. Was bedeutet da noch dieser Vorsprung von wenigen 
Jahren, dessen sich Breitenbach vor dem übrigen Hessen rühmen 
zann? Er bedeutet uns noch heute soviel, daß wir neben dem 
allgemeĩnen hejsischen Keformationsjahr 1526 auch unser Breitenbacher 
KReformationsjahr 1523 mit einer Dierhundertjahrfeier bedenben 
vwollen; es ist uns doch lieb, einen so kbiaren Beweis zu haben, 
daß in Breitenbach die Reformation nicht nur auf landesfürstliches 
Hebot eingeführt wurde, daß hier vielmehr die Neuordnung der 
Dinge von einer ortlichen Instanz ausging, die aus selbstgewonnener, 
eigener UÜberzeugung sich für Luthers Lehre entschieden hatte. Es war 
Hermann von Doernberg, der im Jahre 1528 die Kirche zu Breitenbach 
ꝛeformierse. Wir erfũllen eine Pflicht der Dankbaͤrbeit. wenn wir 
heute seiner gedenben. 
Frühzeitig ist Hermann in die harte Schule des Lebens 
jgenommen worden. Als jüngstes von fünf Kindern 1496 geboren, 
erlor er eben neunjährig 1505 seinen Vater Hans, den Amtmann 
der Grafschaft Siegenhain. Swar war nach menschlichem Ermessen 
ür des Frühverstorbenen Witwe Elisabeih (eine geborene von 
Nordecken zur Rabenau) und ihre Kinder guͤt gesorgi. Durch den 
Hheim des Hingeschiedenen, den bebannten Landhofmeister Junker 
Hans von Doernberg, war das Geschlecht reich geworden. Nun 
var eben gerade dieser Junker Hans bei dem Lanoͤgrafen Wilhelm II. 
n Angnade gefallen und hatte sich nach dem sicheren Friedberg 
geflüchtet, wo er 1506 binderlos starb. Des Ländgrafen Sorn 
ibertrug sich auf die Erben des Verhaßten, und erst nach der 
Bezahlung einer hohen Summe verzichtete der Landgraf auf alle 
Ansprũche gegenũber dem Geschlecht. Es wird so gewesen sein, daß 
dieser VBermögensverlust — noch empfindlicher, weuü eben jetzt auch 
die beiden Schwestern Hermanns standesgemäß ausgestattet werden 
mußten — die Mutter und die Vormũnder Hermanns bestimmte, ihm 
als dem Jüngsten eine gelehrte Bildung zuteil werden zu lassen, 
wohl in der Boffnung, daß ihm einmal eine gute geistliche Pfründe 
zuteil wũrde und so das verbliebene Erbe nur noch unter die beiden 
älteren Brüder Hans und Ludwig zu teilen wäre. Nur burze Seit 
noch hat Hermann deshalb bei seiner Mutter auf dem Herzberg 
weilen dũrfen, dann mußte er die Stiftsschule in Hersfeld besuchen, 
die er im Jahre 1516 verließ, um seine wissenschaftliche Sildung 
auf den Akademien in Sachsen zu vollenden. Der Friese Hunninga, 
in Dörnhberg'jchen VDiensten auf dem Herzberg weilend, hat in einer 
1610 versaßten Dörnberg'schen Familienchronik, der wir die meisten 
Rachrichten über Hermann verdanken, auch dieses Studium auf den 
ãachsijchen Abademien erwähnt. Es kommen die drei Anibersiläts 
tädte Erfurt, Leipzig und Wittenberg in Betracht. Aus Hermanns 
pãteren Taten wissen wir, daß er von Luther nachhaltig beeinflußt 
ein, muß. Das konnte in dem Luther feindlichen Leipzig Laum 
geschehen. Wir dürfen also die Angabe Hunningas so auslegen, 
»aß er wie verschiedene Hessen damals — ich erinnere nur an 
Tilemann Schnabel von Alsfeld — zuerst in Erfurt studiert hat 
ind sich dann von der aufgehenden Sonne Luthers hat nach 
Wittenberg ziehen lassen. Hunninga rũhmt Hermann nach, daß 
er in seinen Studien einen glücklichen Fortgang getan. Wenn er 
nun aber zu Luthers Füßen sich durch die neue Botschaft beseligen 
ließ, daß in dem gebreuzigten Christus sich die unverdiente Gnade 
Hottes auf den heilsbegierigen Menschen herabsjenkt, wenn der Heiligen⸗ 
chein der Kleriber erbleichte vor den Worten, daß bein geweihter Stand, 
leine frommen Ubungen dem Menschen Ansprüche vor Gott 
gewähren, wenn er mit Luther im Ablaßhandel die Pflichtvergessenheit 
des hohen Klerus immer tiefer durchschaute, da imußte er freilich 
die Lust verlieren, zu diesem verderbten Stand sich einst zu zählen, 
auch wenn er ihm eine glänzende Sukunft bieten sollte. Seineè 
deiden Brũder hatten inzwischen das väterliche Erbe unter sich 
»erteilt. Der ältere, Hans, saß in Hausen, Ludwig, seit 1510 mit 
Latharina von Boyneburg verheiratet, auf dem Herzberg. Den 
üngsten Bruder wollten sie damit abfinden, daß sie ihn brũderlich 
persorgten. Da wird es ihnen keine angenehme Überraschung 
Vortrag, gehalten gelegentlich der Resormationsjubelfeier des Kirchspiels 
Breitenbach am Herzberge im Sommer 1923. 
entgegen, wobei er fiel und 
So geschehen im Jahre 1263. 
allen in Hessen liegenden von 
Ausschaltung jeines Bruders 
(Schluß folgt.) 
jewesen sein, daß sich Hermann in einem Briefe an Ludwig nicht 
iur darüber beklagte, daß er mit Geld und Kleidung nicht genügend 
ersjorgt werde, sondern auch seinen Anteil an seinen väterlichen 
Zütern und deren Derwaltung für sich selber in Anspruch nahm. 
ẽs ist nicht genau festzustellen, ob Hermann im Jahre 1519 oder 
520 zurückgebehrt ist. Auch nach seiner Rãcklbehr entjprechen die 
Brüder seinen Forderungen nicht, vielleicht weil wirklich die 
dermögenslage der Familie es im Nugenblicke nicht gestattete. 
dermann wohnte bei seinem Bruder Ludwig auf dem Herzberg. 
die Mutter war wohl im Jahre 1517 gestorben. Aber da sich 
as Verhältnis Hermanns zu der Frau seines Bruders und deren 
Nutter, die gleichfalls auf dem Herzberg wohnte, zu beinem erfreu⸗ 
ichen gestaltete, Lam er in beine beneidenswerte Lage. Aus diesen 
ãuslichen Kämpfen heraus schrieb er 1522 ärgerlich dem Bruder Hans 
u Hausen, daß „die weiber so vbell haushalten vnd die hoßen 
ar anziehen wollen“. Wir Lönnen es heute als eine gute Fügung 
rkennen, daß Hermann den Vater früh verlor und gleichzeitig sein 
Zeschlecht in finanzielle Bedrängnis kLam. Deshalb ließ man ihn 
udieren und so lernte er den deutschen Keformator bennen, und 
ein Leben erhielt ein bedeutsames Siel. Auch die unerquicklichen 
erhältnisse auf dem Herzberge wirkten nun dahin, daß er in der 
)orbereitung auf seinen zukünftigen Beruf noch stũchtig gefördert 
purde. Um die Gesellschaft mit seiner zänbischen Schwägerin zu 
neiden, jagte er mit Vorliebe mit den Habichten (der Chronist 
hat sogar der Überlieferung jür wert gehalten, daß einmal eine 
inverständige Bäuerin von Hatterode einen besonders guten Habicht, 
er zur Auszeichnung einen goldenen King um den Hals trug, 
nit einem Knüttel totschlug, weil er auf ihr Huhn geflogen), oder 
ber, und das wurde für seine Subunft wichtiger, er saß still in 
ziner Kammer über seinen Büchern und vergaß nicht, sondern 
ertiefte und erweiterte, was er in Wittenberg gelernt hatte. 
Eine unvermutete VDeränderung seiner Lage trat ein, als im 
januar und Februar 1522 burz hintereinander seine Brüder Ludwig 
ind Hans starben. Hermann, plötzlich Herr des gesamten Besitzes 
ꝛines Familienzweiges, da auch der verheiratete Ludwig ohne 
keben gestorben war, bewies in der nächsten Seit, daß er über 
einen Büchern bein weltfremder Mensch geworden war. Der 
Vitwe seines Bruders und deren Mutter verwehrte er den 
Aufenthalt auf dem Herzberge. Offenbar entschiedener als vorher 
eiine Brüder drang er auf genaue Kechnungslegung seiner 
)ormünder über Führung der Vormundschaft. Besonders geschickt 
ber trat er in der Lösung einer heiklen Verwicklung auf. Seine 
Zrüder hatten noch, offenbar nicht ganz im Einverständnis mit 
en Hauptbeteiligten, mit Theodor von Riedesel VDerabredungen 
ber eine Heirat seiner Tochter Anna mit Hermann getrosfen. 
dach dem Tode der Brüder schob Hermann zunächst die Sache auf 
ie lange Bank, und als im Frühjahr 1528 Theodor durch Mittels⸗ 
nänner die Sache auf's neue betreiben ließ, schrieb Hermann einen 
iplomatijchen Srief, in dem er sich selber, der Gegenseite den 
zückzug erleichternd, als den Verschmähten hinstellte und zugleich 
at, sich selbst und ihn nicht weiter in das Gerede der Leute zu 
reingen. Nur vierzehn Tage später, Freitag nach Judica, verlobte 
r sich zu Schrecksbach mit der Jungfrau Anna von Hopfgarten. 
der Chronist deutet die Möglicheit an, daß Hermann auf die 
he mit Anna von Riedesel verzichtet habe, weil beine Einigung 
ber die Mitgift erzielt werden konnte. Wir haben Hermann 
war eben aus verschiedenen bleinen Sügen von der Seite bennen 
elernt, daß er sorgsam ũüber dem Seinen Haus hielt; aber geizig 
ind habgierig war er nicht. Er wußte, weshalb er der Witwe 
ꝛines Bruders den Aufenthalt auf dem Herzberge versagte. 
Sie habe lang genug regiert und ihn verachtet,“ äußerte er sich. 
Ier jeine Derpflichtungen hinaus aber hat er sie versorgt. Und 
aß er bein Mitgiftjäger war, daß vielmehr eine reine Neigung 
hn zu Anna von Hopfgarten zog, verrät der Chronist selber mit 
er Angabe, daß Anna ihrem zukünftigen Gemahl nur 00 fl. 
ubringen sollte. Sind doch die beiden Schwestern Hermanns frotz 
er damaligen mißlichen Vermögenslage der Doernbergs mit ie 
000 fl. ausgestattet worden. 
In demjselben Jahr 1528, in dem Hermann sich verlobte und 
uch heiratete, tat er den bedeutungsvollen Schritt, der uns noch 
eute seiner gedenken läßt. UÜber die Einführung der neuen 
irchlichen Einrichtungen in Breitenbach wollen wir Hunninga, dem 
bir alle Kunde verdanken, selber hören: „Hatt auch im selbigen 
ahr seine ihme von gott ahnbefohlene amptt vnd schutz so woll des 
esten als des andern tafells göttlichen gesetzes woll wissentt vnd 
etrachtendt, die birchen zue Breidendbach reformiret vnd die 
ãpftliche abgötterei vnd Götzenwerl abgeschaffett, auch dem 
jarherr, das er den halben fl. vom heiligen Crisam der krancken, 
nd den fl. von den dreissigsten todten vnd sonsten dergleichen alle 
rämerei fahren laßen, vnd gottes wortt vnd die sacramenta ohne 
remerei bedienen solle. gebotten.“ Wenn Hunninga in diesen
	        
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