Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

das ihm Kespebt einflößte. Er hatte vor der Hochzeit gedacht 
Els werde ihn lieben lernen, heute glaubte er's nicht mehr. 
Warum sich aber mit Grillen plagen. Er verbarg in 
seinem Wandschränbchen ein Mittel, das sie vertrieb: er tranb 
heimlich, seinen Arger zu bekämpfen. 
„G'n Tag,“ sagte er ziemlich barsch und stellte sich vor 
Wurzelbast hin. „Ich bin beauftragt, Euch 3000 Taler aus— 
zubezahlen. Weitere Kosten sind wohl nicht an die Gegen— 
partei zu entrichten?“ wandte er sich dann an den Winkel— 
—X— 
Dieser dienerte und sagte: „Nein, Herr Berghof, daß 
ich nicht wüßte. Die Kosten des Gerichts freilich, die — —“ 
er zuckte bedauernd mit beiden Schultern. — 
„Ich weiß, die muß mein Schwiegervater tragen. Hier 
sind 3000 Taler, gebt mir Quittung, daß Ihr nunmehr voll— 
ständig abgefunden seid.“ 
Indem sich Maus niedersetzte, Tinkte, Feder und Papier 
hervorholte — denn ohne diese geht ein rechter Winkeladvobat 
überhaupt nicht aus, auch würde es ihm schwer geworden 
sein, im Hause des alten Bast etwas Schreibfähiges aufzu— 
treiben — zog der Alte eine Flasche aus dem Wandschränkchen 
hervor. Gläser brauchte er nur herbeizuschieben, sie standen 
schon für alle Fälle auf dem Tische. 
WMaus machte eine Pause im Schreiben und griff nach 
seinem Glase, und auch der Berghöfer ließ sich überreden, 
zuzulangen. Swar war er mit dem festen Vorsatz hierher⸗ 
gekommen, dem „alten Spitzbuben“ seine stacheligste Seite zu 
zeigen, aber — was ging ihn denn auch eigentlich zum Henber 
der Waldmüller an, der ihn durch seine Tochter, die er ihm — 
berschachert, unglücklich gemacht hatte. Und der Wacholder 
duftete ihm so lieblich unter der Nase. Ah, ah — — er 
floß prächtig durch die Kehlel Er mußte dem Allen sein 
Lob aussprechen. 
Der tat sehr geschmeichelt. Aber um seinen Mund irerte 
etwas, das mit dieser Freude nichts zu tun hatte, das glich 
pielmehr der lauernden Gier einer Katze oder eines Fuchses. 
„So,“ sagte nun der Winkeladvobat, „damit wären wir 
fertig.“ Er las: „Ich, der Endesunterzeichnete, bescheinige 
hierdurch quittierend — verstanden? quittierendl — daß mir 
mein Bruder — —“ 
„Unsinn!“ Enurrte Wurzelbast. Der Winkbeladvobat warf 
ihm einen verweisenden Blick zu: „Anterbrecht mich nicht!“ 
„Also, daß mir mein Bruder, Klaus Heinrich Waldmüller, 
3000 Taler Abfindungssumme laut gerichtlichen Urteils vom 
1. September 1864 richtig ausbezahlt hat. Ich erbläre, dadurch 
vollständig — vollständig,“ wiederholte der Lesende, starb be— 
tonend — „abgefunden zu sein und Leine Ansprüche mehr auf 
die Waldmühle zu haben.“ 
„So, Herr Waldmüller,“ wandte er sich batzbuckelnd an 
den alten Bast, „bitte, noch unterschreiben.“ 
Das ging nun nicht so ohne weiteres. Fürs erste mußte 
der also Angeredete seine Brille herbeisuchen. Wenn Leute 
zugegen waren, beliebte er nämlich, den halb Blinden zu 
spielen. Schließlich fand sich dieses „Möbel“ bei den alten 
Kämmen. Nachdem sich Bast dann auf eine höchst umständliche 
Weise gesetzt hatte, fing er an, die Feder in Bewegung zu 
setzen. Nach dem ersten Strich war aber noch nichts zu sehen 
als eine Versammlung von z3wanzig Klecksen, die sich wie der 
Schwanz eines Kometen über das Geschriebene hinzogen. Sum 
zweiten Male gelang der Versuch besser, und nun prangte 
in großen, ungelenken Buchstaben unter der Quittung 
Sebastian Wald—schmidt. 
Der Winbkeladvobat meinte, der Schlag müsse ihn rühren. 
mit einem kühnen Griffe zerknitterte er den Bogen in seinen 
Händen. „Esel!“ brummte er durch die Sähne. Laut sagte 
er bedauernd: „Das Schriftstück ist verdorben, ich werde ein 
neues aufsetzen.“ 
Er hätte nicht so eilig zu sein brauchen, der Berghöfer 
)atte nichts bemerkt von dem Ungeschick des alten Bast. 
Während der Winbkeladvokat schrieb, hafte ihm der Alte küchtig 
zugetrunbken, und mit dem Seug war nicht zu spaßen, das 
hatte schon manch einer zu seinem Schaden erfahren. 
Als sich nun Maus wieder an seine Schreiberei setzen 
vollte, gab ihm Wurzelbast einen Wink mit den Augen. 
Maus schob die Schreibsachen fort und bam nach diesem und 
enem auf Hans Kenner zu sprechen, daß er ihn noch neulich 
n der Stadt gesehen habe. Hatte der Berghofbauer vorher 
üchtig getrunken, so stürzte er jetzt geradezu das betäubende 
Naß hinunter, als er den Namen Kenner hörte. Dieser allein 
virbte schon auf ihn wie die rote Farbe auf den Truthahn. 
„Ich glaube, der wird auch nicht weit sein,“ fuhr der 
Vinkbeladvokbat so obenhin fort, „ich hörte von ihm, er habe 
zu Hause etwas Liebes. Wer wird sich da weit verschicken!“ 
Wieder irrte das teuflische Grinsen um die Lippen des 
Murzelbast. „Gut, sehr gut,“ murmelte er, „dieser Maus 
st ein Kapitalkberl.“ 
„Sagtet Ihr auch was?“ fragte mit einem Male der Berg— 
höfer nach Art der Angetrunkbenen heftig. 
„Bewahr'!“ gab Bast zurück, „ich meinte nur, Maus 
ichwatzt Unsinn.“ 
Der Berghöfer schlug auf den Tisch. Die Amseln schricen 
ruuf, und Rotbrüstchen hing sein müdes Köpfchen auf die 
indere Seite. „Ihr habt recht, Ansinn schwa—atzt er! 
Ho—ole ihn der T... Ill Bringt eine neue Fla—ascho. 
Hier ist Geld.“ Damit warf er blingend ein Zweitalerstück 
auf den Tisch. 
Die beiden „Freunde“ schauten sich triumphierend an, 
und das Gelage nahm seinen Fortgang. Der Berghofbauer 
rankb sehr viel. „WM—as Licf-—iebes,“ schluckerte er, „ich 
vi—ill ihm he—elfen, meine F-—rau lie —ieben. Pro—ost, 
ihr Ke—erle, sa —auft — — —“ 
Da auf einmal stand die Sunge still, die Augen stierten 
Jläsern und verständnislos auf einen Punkt; er war total 
detrunken. 
Der alte Bast und Maus flüsterten miteinander! „Wie 
verden wir den Trunbenbold nun los?“ Sie beschlossen, ihn 
in die Nähe seiner Wohnung zu schaffen. „Erfrieren bann 
er da jetzt nicht,“ meinte Maus. 
„Und wenn,“ sagte Wurzelbast, „dann auch gut. Geld 
yaben wir so wie so Leins bekommen! Hier hast du die 
hälfte. Hoffentlich wird er nicht schon beim ersten Male bopf- 
cheu. Wie bönnen ihm ja zur Fürsorge auch noch den Geld— 
»eutel abnehmen, damit er denbt, er habe alles verloren. 
Ich wette, daß er morgen nicht eine Bohne davon weoeiß, 
vo er heute Abend gewesen ist. Der Tag endet besser, als 
» begonnen hat, wir haben einen Hirsch erlegt statt eines 
Kehbocks.“ Der Allte geriet in seiner Gaunerfreude ins 
Raudern, was sonst gar nicht seine Art war. 
„Einen eifersüchtigen Birkhahn,“ fügte Maus sarbastijch hinzu. 
Damit traten sie ihre Wanderung an. Es war bein leichtes 
Stück Arbeit, den Berghofbauer fortzuschaffen. Wie eben 
die Sunge, so versagten ihm jetzt die Beine. Nur als er 
n die Nähe seines Hofes kam, dämmerte ihm die Besinnung 
oweit auf, daß er wieder zu lallen begann: „Mei — mei — eine 
K—i— Kit —t —tung.“ 
„Dal“ sagte der alte Wurzelbast boshaft und gab ihm 
einen Stoß gegen die Brust. Mit einem dumpfen Knutren 
siel der Berghöfer wie ein Mehlsack zur Erde und schlief 
uuch gleich ein. 
3*
	        
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