„Ja, Eller. Ich wollt Euch um Kat angehn“, rief
Helwig sehr starb.
Leise sagte er zZu Ann: „Du warst näächt im Wald?“
laut zur Großmutter: „Wißt ihr bein Mittel „für“ den
Schnupfen?“
Die Alte hielt ihm ihr Ohr hin: „Wa — was meinst
du? Mußt laut galbche 9.“
Helwig gaabte): „Ob Ihr bein Mittel für den Schnupfen
wißt?“
„Schnupfen wißt“, echote die Alte.
„Für was weiß die alte Annemarth nichts? Ja, ja.
die alte Annemarth, verguck dich nur net!“
Während so die Alte plauderte und mit dem Kopfe
nickte und mit ihren Gedanken wer weiß wo war, flüsterte
Helwig Ann zu, indem er unverwandt die Eller dabei
anguckte: „Ann, ich habe mit meinem Vater geschwätzt.“
„Weiß“ — entgegnete Ann trochen.
„Wovon, Ann?“
„Don einem Jemand, den ich im Wald traf.“
Helwig schwieg verlegen.
Weiß auch, was dein VDater gesagt hat“, fuhr Ann fort.
„Don wem?“ fragte Helwig wie vorhin.
‚Don demselben Jemand, der im Walde lag.“
„Gegen den Schnupfen“, schrie die Alte dazwischen,
„trinkt man fließend Wasser — wenn's Hellgabendd) läutet
und speicht dabei: — —.“
„Wann, Eller?“ brüllte ihr Helwig in das halbtaube Ohr.
Die Alte sah ihn verdutzt an und kam aus ihrem Vers.
Sie machte eine lange Pause.
„Ann, was soll ich denn nun anfangen?“
„Was hast du mir — tausendmal schickt nicht — ver—
heißen und geschworen, Helwig?“
„Ann! — — mein Vater will dann wieder freien — — —.“
„Dabei spericht man“, fuhr nun die Alte fort — —.
„Eller, muß man's Wasser am Freitag oder am Mittwoch
trinken?“
„Ist ganz egal, ganz einerlei. ija. ja“. antwortete die
Gefragte. —
„Laß ihn doch“, flüsterte Ann, „wir zwei schlagen uns
mit unsern eigenen vier Armen durchs Leben.“
Helwig schwieg, er wurde bald rot, bald blaß.
Die Großmutter sagte indes ihr Sprüchlein:
„Ich lecke dreimal wie ein Hund
Und lasse den Schnupfen fallen auf den Grund.
Im Namen Gottes des VDaters, des Sohnes
und des heiligen Geistes. Amen.“
Helwig war mit dem brutalen Vorsatz hierhergekommen,
mit Ann unter allen Umständen zu brechen und nun — —
er wußte nicht, wie er's anfangen sollte — bei so viel Liebe
und Trauer, die ihm aus Anns großen dunklen AMAugen
entgegenstrahlten.
„Ann“, sagte er ganz zaghaft, „es gibt so viele Burschen.“
Sie nickte zu seiner Weisheit.
„Wolltst du beinen?“
Nein — nur einen.“
.Warum aber nicht, Ann?“, fuhr er eindringlicher fort.
„Hast du mich auch richtig verstanden?“ fragte die
Alte dazwischen. „Sag's doch noch mal her.“
„Ja, ja“, rief Helwig, nun auch hier in Verlegenheit.
lecke dreimal — —.“
Wie ein Hund“, half die Alte.
„Wie ein Hund“ — lenbte Helwig ein. „und lasse den
Schnupfen — dem Hund.“
6) gellend schreien. M) schrie. 8 Heiligabend. „zu Macht“.
ich
„Fallen auf den Grund“, verbesserte die alte Annemarth
geduldig.
And ebenso treuherzig sprach Helwig nach: „auf den
Grund.“ — —
„Warum aber nicht, Ann?“ wiederholte er.
„Fragst du das? Weißt du net, warum?“
„Ja, ja*“ — nickte er — „aber — ich will dir viel
Geld — — —.“
Mit einem jähen Rucke stand Ann hochaufgerichtet vor
hm, so daß er mitten in seinem Gestotter abbrach. „Kein
Vort weiter!“ schrie sie, so daß die Alte aufhorchte und
die beiden jungen Wenschenkinder mit woitaufgerissenen
Augen anstierte, „du hast mich unglücklich gemacht — und
uun? — — Geh — — geh“, ihre Brust wogte auf und
ib. und ihre schwarzen Augen schossen Blitze.
„Mädchen, Kind!“ lärmte die Alte darein. „was ist
denn vor?“
„Geh — werd' reichl! Geh, geh, nimm dir 'ne andre!
Die Ann war dir bloß gut genug — —.“ Die Stimme
ersagte ihr, sie hatte wie eine Wahnsinnige gesprochen.
delwig wich entsetzt zurück.
Die Eller sagte bein Wort dazu, sie saß da und wackelte
nit dem Kopf und murmelte: „Doch wie seine Muttdre.
Ich wußt's — ich wußt's. And doch hab ich allen Morgen,
venn's noch schlief, das Kind, den Spruch über's gesprochen.
Hilft nicht — gegen die Liebe hilft nichtsl — Gerade
vie seine Mutter ....“
„Helwig, komm mal hierher. Willst du 's Kind frein
»der net? Du siehst doch, wie's mit ihm steht.“
„Kann net.“
„Du kannst net“, nickte die Alte, „bannst net.“ Sie
ichtete sich mühsam auf. „Wie heißen mich die Leut?“
„Die aale Annemarth“. antwortete Helwig wie ein
Schulknabe.
„Das meine ich net — sie heißen mich die Hex. Helwig,
jo wahr wie ich net gehexen kann — wenn du mir 's
Mädchen unglücklich machst — so wahr ein Gott hilft und
ieht und hört und richtet — du hast dann bein Glück mehr
vuf der Welt. Du wirst — — —.
„„Laßt mich in Kuhl!“ schrie nun Helwig erbost und
rotzig, „mit Eurem dummen Seug. Ich kbann Ann nicht
zefreien, weil Ihr seid. Die Leut weisen mit Finger hinter
nir her, Euretwegen.“
„Die Leut' — die Leut's‘s — jagte die Alte etwas
»egütigter — „weißt du, was die Leut' mit ihrer ganzen
ungen Brut an mir verdienen? Ich hab' mal von einem
Dropheten gelesen, der rief: „Wehe Euch! Da bamen z3wei
Bären aus dem Walde und zerrissen zweiundvierzig Kinder....
Ich hab' näächt auch: Wehe euch! gerufen — zu Gott
— aber die Bären blieben aus. Nun ja, ich bin ja auch
nur die kLeumme alte Annemarth.
Aber du wirst's gewahr werden! Einmal hab' ich zu—
jeguckt, wie mir ein Kind zu Schanden gemacht wurde,
diesmal — gibt's ein Unglück — ein Anglück. ...“
Sie murmelte etwas wie einen haarsträubenden Fluch in
ich hinein, stieg die elende Treppe empor und verschwand.
Auch Helwig verschwand rasch um die Ecke. Die wirren
Keden der Alten hatten ihn bis ins Innerste getroffen. Er
ronnte sie im ganzen Leben nicht mehr abschütteln. Sie
vanderten mit ihm wie Boten der Hölle. Ansinn, Aber—
laube nannte er's. Half bein bißchen. Bei allem, was
hm in der Folgezeit quer ging, hörte er die prophetischen
Vorte der alten Annemarth: „Du wirst dein Lebtaq bein
Hlück haben..*