hatte es gewissermaßen befohlen. Auch das noch! Ihr
Hesicht fing leise an, sich mit einem Anflug von Vot zu
bedecken. Wollte er sie und Hans gar noch verhöhnen?
Erschiens ihm nicht als ausreichend, daß beide zum Tode
berwundet waren? Sie warf ihm einen verächtlichen. trotzigen
Slick zʒu.
Doch Hans begann und ließ die Saubertöne von den
Saiten perlen, daß die Suhörer gebannt und regungslos
verharrten. Die Geige schien ein Herz zu haben. ein
warmes, pulsierendes Herz.
... Heitere Frühlingstagel Die Blüten der Obstbäume
hauchen ihre balsamsüßen Düfte, ... die Bienen summen,
Schwalben schießen zwitschernd dahin ... die Finken schlagen,
und Drosselgesang kblingt melodisch aus der Ferne: so sang
die Geige.
AUnd nun jubelte sie auf in seliger Lust, wie ein heller
Quell von Tönen einem übervollen Herzen entquillt. Immer
höher schwoll der Jubel, immer heller jauchzte die Geige
— da — —.
Wie wenn ein Kaubvogel zwischen das friedliche Volb
der gefiederten Sänger stößt, so stöhnten mit einem Male die
Wollmelodien erschreckend darein. Die Geige schien zu
erschauern, und die Suhörer ergriff heimliches Grausen.
Nur der Spieler stand hochaufgerichtet und, wie's schien,
ungerührt da, seine Augen hingen in begeisterter Verzückung
an einem Punbte an der Stubendecke, von wo her ihm die
Fülle dieser Töne zuzuströmen schienen.
Nun ebneten sich die Wellen, das stöhnende Herz schien
Frieden gefunden zu haben, aber es war nicht der rechte
Friede, immer wieder flammte der alte Schmerz heiß auf.
Und was war das? Ein Gebet schien der Geige zu ent—
steigen, ein Gebet um Frieden und Trost ...
Nach und nach wacrs still im Saal geworden, man hätte
wohl eine Stecknadel zur Erde fallen hören Lönnen. —
Else schwebte in namenloser Oual. Sie war vielleicht
die einzige, die Hans vollständig verstand. Aber nur nicht
schwach werden, nur standhaft bleiben! Doch es ging über
Menschenbräfte. Als das hohe Lied der Liebe in die
Klage um die Geliebte überging, fing es plötzlich an, vor
ihren Ohren zu sausen und zu brausen, und als endlich der
ergreifende Schluß folgte, da bnickte sie auf einen Augen-
blick fast zusammen. Aber schon hatte sie sich wieder in
der Gewalt, sie lächelte matt nach der Stelle hin, wo Hans
stand: „Teöst dich mit mir, ich leid so wie du.“ Nur wenige
hatten ihre plötzliche Schwäche bemerkt, zu ihnen zählte
ihr Mann. Er wurde dadurch in helle Wut versetßzt, und
in seine Soeele senbte sich das Samenborn zu einer nie
ausrottbaren Eifersucht. Hans Kenner aber nahm das
Lächeln mit als einen Sonnenstrahl, der ihm auch in der
dunbelsten Nacht des Schmerzes beruhigend in das aufgeredte
Herz leuchtete.
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Wurzelbast hatte heute „seinen Tag“. Das merbkte
sogar seine gefiederte Schar, zwischen die er eben einen
Schlappschuh warf, um sie zum Stillschweigen zu bringen.
Kotbrũstchen saß traurig in der Ecke und hing grübelnden
Bedanken nach: „Sterben! ... Sterben! ...“
Der Alte war mit seiner Stutzflinte lange im Walde
wildern gewesen. Der Vollmond stand am Himmel und
gab gerade Licht genug, Korn und Kimme zu erbennen,
um dem äsenden Keh die Schrote aufs Blatt zu setzen.
Darin suchte der alte Bast seinesgleichen. Swar eine
Zeitlang hatte ihm das Auge nicht mehr so recht geholfen,
das war aber., nachdem er die Siebenzig überschritten hatte
vieder anders geworden. Diese Eigentümlichkeit hielt ihm
ie Förster besser vom Halse als das beste Leumundszeugnis.
Der alte Korl“, meinten sie verächtlich, „der kann ja kKaum
»ie Straße von einem Fluß unterscheiden und sollte wildern?
Unsinn!“
Als der alte Bast nun vorsichtig umherpürschte und
ben das Kohr hob — da vor ihm ein starber Sechserboch
tand — sah er plötzlich so einen verd ... Grünrock, wie
er die Forstleute zu benamsen pflegte, über die Waldwiese
chleichen. Er bam stark in Versuchung, dem tödlichen Geschoß
ꝛine leine Richtungsveränderung zu geben; denn zum Schuß
uuf den feisten Kehbock Lams nimmer. Der vorsichtige
Bewohner der Wälder hatte ein paarmal den Kopf gehoben
uind Witterung eingezogen, um dann laut bellend zu ver—
chwinden.
Auch seine Kicken zogen ihm eilend nach, und bald
ag die Waldwiese leer und verlassen da, nur ein Häslein
h»oppelte vertrauensselig seinen Weg, und eine Eule ließ
hren unheimlichen Schrei hören.
Wütend eilte der Alte davon. Mitten im Waldes—
ickicht Lannte er eine Stelle, da lag sein „Gewehrschrank“,
in sechs Fuß langer Kasten, in welchen er seine Flinte
chob. Sorgfältig deckte er Kasen und Laub darüber und
chlich weiter. Am Bache wusch er sich den Kuß von
Hesicht und Händen.
Deshalb war Wurzelbast verdrießlich heute. Ein paar
deute, die Kats von ihm erholten, fertigte er mehr als
inwirsch ab, indem er ihnen aus der ersten besten Büchse
etwas reichte, die ihm in die Hand bam, und dann schritt
er gedankenvoll auf und ab (Forfsetzung folat.)
Meißner 0 Von Emmyh Göcke—
Breit gelagert auf wuchtigen Schultern
Kaget gigantisch dein trußiger Nachen,
Mächtiger Meißner, du König der Berge!
Hochenthoben dem Erdengewühle —
Keckst du dein Haupt in den Azur des Himmels
Atmest den blarsten und sonnigsten Ather.
Schweigende Nächte den Schlummer dir hüten,
Mondenglanz schmeichelt die mũden Lider,
Sternengefunbel durchstrahlt deine. Trãume.
WVolken, die jagend das Haupt dir umziehen,
fächeln und Lühlen dir wohlig die Wangen; —
Stürme umbrausen die ruhige Stirne.
freundlich segnend du schaust in die Lande,
Brüßend die Nachbarn in blauender Ferne,
hũtend die Fluren und weiten Gefilde.
Tiefgrüner Mantel dir hället die Schultern,
fließet herab in den herrlichsten Falten
dangwärts, bis hin zu der Menschen Behausung
ʒilberne Sänder hell glißern und perlen,
Kieseln und hüpfen und fließen hernieder,
Bringen Erquickung den lechzenden Fluren.
Schwarz ist dein Herze, doch lässest du willig
Kauben dir deine verborgenen Schätze,
Feuer zu spenden dem häuslichen Herde.
Talmüde Wanderer zu dir sich erheben,
Steigen hinan durch romantische Schluchten,
Atmen den Frieden des schweigenden Waldes
Stehen erhaben auf ragender Höhe,
Weiten die Seele beim Schaun in die Fernen
In die gesegneten, blühenden Lande. —
Talwärts sie wandern, erquickt und erhoben,
Deiner gedenbend in bleibendem Freuen.
Meißner — des Schöpfers erhabner Gedankbe!
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