Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

nämlich in die der lateinijchen und die der deutschen Sprache zerfällt. 
Der Kebtor gibt Unterricht in Latein, Geoographie, Geschichte, 
Naturgeschichte und Musißk. Der Konrebtor lehrt Moral, Keligion, 
Lesen, Schreiben, Kechnen und besorgt außerdem den Unterricht 
der Mädchen allein. Ver dritte Lehrer erteilt denselben Unterricht 
wie der zweite, doch zugleich auch die Elementarlehre im Buchstabieren 
und Lesen. Die Kebktorsielle war zur Seit unbesetßzt. Konrektor 
war J. H. Schmidtmann und dritter Lehrer Johannes Heuser. — 
Die reformierte Knaben- und Mädchenschule wird durch zwei 
Lehrer besorgt. Der Konrebtor unterrichtet alle Kinder, sowohl 
Knaben wie Mädchen zugleich in Lesen, Keligion, Kalligraphie, 
Orthographie, Kopfrechnen, Stilũbungen, Erdbeschreibung und 
Natuͤrgeschichte. Der Rebtor erteilt den Anterricht in der lateinischen 
Sprache, in Geschichte, Geographie und Naturgeschichte. Lehrer 
waren: Kektor Valentin Witßell und Konreltor Adam Bender. 
4) Die Bedeutung der Aniversität in Marburg, die früher 
ʒeitweise außber den Professoren ũber 500 Studenten umfaßt hatte, 
war um die Mitte des 18. Jahrhunderts gesunken. 1764 zählte 
man nur 14 Professoren und 1744 etwa 150 Studenten. Or. Kämmer, 
Marburg, Finanzwirtschaft), Dann trat ein lebhafter Aufschwung 
ein; die Studentenzahl war 1181/92 auf ũber 800 gestiegen, (1823: 805) 
1794 waren 29 ordentliche und 4 außerordentliche Professoren 
vorhanden. 
Dr. Wilhelm Münscher war Prof. 
der Theologie in Marburg, wo ihm am 
21. Mai 1805 ein Sohn geboren wurde, 
der spätere Geheime Kegierungsraf 
Gymnasialdirebtor Dr. Friedrich Mün⸗ 
jcher, F 80. Maĩ 1803. Er hat seinem 
Namen durch seine 18904 erschienene 
„Geschichte von Hesjen“ ein bleibendes 
Andenben gesichert. 
Ferdinand Wurzer, geboren am 
22. Juni 1165 in Bruel im ehemaligen 
Kurfürstentum Köln als Sohn eines 
Hauptmanns, bezog 1116 das Gym- 
nasium in Bonn. Nach 2 jährigem 
Studium der Philosophie und Mathe 
matik dajselbst studierte er 1183 Medizin 
in Heidelberg, dann in Würzburg 
Medizin, Chirurgie und Chemie, 1786 
ging er nach Gõttingen, darauf nach 
WVien. 1788 erhielt er die Dobtorwüũrde, 
1789 wurde er als praltischer Arzt in 
Bonn angestellt. Bei Godesberg ent⸗ 
deckte er eine Mineralquelle, die er 
analysierte und! beschrieb. Auf Ver⸗ 
anlasjung des Kurfürsten von Köln, 
Maximilian Franz, bereiste er ein Jahr 
lang Gejsundbrunnen, Bäder, Hütten- 
und Bergwerbe, Fabriken und Manufab- 
turen. Dann ũbernahm er an der neu⸗ 
gegrũündeten Aniversität in Köln sein 
Anmt als ordentlicher Professor der Medizin und Chemie, bis er 
1794 die Leitung eines mit iyphösen Kranken überfüllten Hospitals 
ũbernehmen mußte. Die Vorlesungen nahmen zwar 17098 wieder 
ihren Anfang, allein 1191 wurde die Aniversität plotzlich aufgehoben. 
An der 1108 /99 errichteten sog. Sentralschule übertrug man Wurzer 
Experimental⸗Physik, Chemie, Naturgeschichte und Botanik, er legte 
aber nach einem halben Jahre die Stelle nieder. 1800 wurde 
eine neue Sentralschule organisiert und Wurzer dabei als Professor 
der Physik und Chemie angestellt, bis 1804 diese Lehranstalt auf- 
gehoben wurde. Mit Frau und Kindern wurde er ohne Pension 
zum drittenmale gewissermaßen auf die Straße geworfen, und doch 
war er es, der im Khein- und Mosel-Doepartement, in einem Teile 
des Roer-Departements und im oberen Teile des Herzogtums Berg 
die Kuhpockenimpfung zuerst einfũhrte. Schon entschlossen, ins Aus- 
land zu gehen, bekbam er 1805 einen Ruf als ordentlicher Professor 
der Medizin und Chemie nach Marburg, mit dem Titel eines 
Hofrats, und war seit 1814 zugleich Direktor der Deputation des 
Collégii medici. Wurzer war Mitglied der Kais. Abademie der 
Naturforscher, der Abademie der Wisenschaft zu Erfurt, der Sozietät 
der Medizin zu Paris, der medechir pharm. zu Brüssel, der 
Wetterauischen für die gesamte Naturkunde, der Batavischen Sozietät 
der Wihjenschaft in Harlem, der Sozietät der Wissenschaft und 
Künste zu Mainz, der phys.med. Sozietät zu Erlangen. Auch 
manche anderen Auszeichnungen wurden ihm zuteil. 
Der Hofrat und ordentliche Professor der Philosophie und 
Naturkunde M. Blasius Merrem nahm 1804 den Ruf nach Mar— 
hurg an. 1805 wurde ihm die Professur der Botanik und Direbtion 
Slick auf Neubkirchen von 
»es Botanischen Gartens ũübertragen. Mehrere gelehrte Gesell- 
chaften haben ihm ihre Achtung durch Aufnahme unter ihre 
Mitglieder bewiesen. Er starb am 28. Februar 1824. 
Joh. Christoph Ullmann vollendete seine alademische Laufbahn 
n Marburg, ging dann noch nach Freiburg, wo er sich unter 
Anleitung des großen Mineralogen Werner noch mehr zu ver— 
olllommnen suchte. Er erhielt 1192 die philosophische Dobtorwũrde 
ind 1816 den Charabter eines Oberbergrats. 1814 erschien seine 
Systematijch · tabellarijche Abersicht der mineralogisch- einfachen 
rossilien ...“. Er starb als ordentlicher Professor der Philosophie, 
Nineralogie und Bergwerbsunde und Oberbergrat am 6. Aug. 1821. 
Joh. Friedr. Ludw. Wachler wurde 1801 von Kinteln nach Mar-⸗ 
urg als Professor der Philosophie versetzt und 1802 zum ordentlichen 
)rofessor der Theologie, 1805 zum wirkblichen Konsistorialrat ernannt. 
Georg Wilh. Franz Wenderoth war Professor der Medizin 
ind Botaänik, Direbtor des botanischen Gartens, Mitglied der 
Hejellschaft für die gesamten Naturwissenschaften zu Marburg. 
Eduͤard Platner, 1811 nach Marburg berufen, wurde 1814 
rdentl. Professor und 1821 mit dem Ritterbreuz des Kurhessischen 
?pᷣwenordens geschmũckt. Als er 1829 das Porebtorat niederlegte, 
erehrten ihm die Studenten einen silbernen Becher. (Strieder, 
dessische Gelehrten⸗ und Schriftstellergeschichte.) 
der Steinwaldswiese aus. Aufnahme von E. Korell, Schrecksbach. 
zum Aufsatz: Heimatkunde der Stadt Neubirchen.) 
Heiteres aus der Kevolution unserer 
Großväter. 
Wenn man heute so liest, wie unsere Vorfahren in den soge⸗ 
annten Verfassungskämpfen sich und ihren Landesfürsten gegen- 
eitig das Leben schwer gemacht haben, so muß man den Kopf 
chükteln über diese SZeiten. Und doch glaubten sie, große Seiten 
u durchleben. Sie gingen ganz auf in ihren politischen Pflichten. 
Mein Großvater mülterlicherseits, der alte Philipp Steinbach, ein 
tadt- und landbekannter Mann, war selbstverständlich auch bei der 
Bũrgergarde. Jedenfalls hat er es mit seinem Dienst auch sehr 
treng genommen. Nur einmal hat meine Großmutter verhindert, 
zaß er seinen Bürgerwehrpflichten nachkommen konnte. Es war 
njener Nacht,“) da der Ruf durch die Straßen Cassels erschallte: 
Bürger raus! Die Garde du Corps hat eingehauenl“ Was 
amals für eine Aufregung in Cassel gewesen sein mag, davon 
önnen wir uns heute schwerlich eine Vorstellung machen. Der 
*Ppebtabel auf der Straße schreckte jselbstverständlich auch meine 
ßroßeltern aus dem Schlafe. Und für meinen Großvater, der am 
fFenster von der Straße her erfuhr, was los war, gab es nichts 
inderes, als sich jofort in seine Bürgergardeuniform zu werfen 
ind zum Sammelplatz zu eilen. Meine Großmutter aber, die an 
einer Aufregung erbannte, daß diesmal etwas Besonderes los sei, 
»angte um ihren Philipp und versteckte ihm, während er noch 
) Die sogenannte zweite Gardedukorpsnacht vom o. auf, den 10. April 1848, 
Philipp Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen. S. 248 ff
	        
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