Adolf Maurer, Die stille Kevolution — Neuwerkb. Verlag
Schlũüchtern ·¶ Habertshof. Diese Erzählung fordert die Revolution
des Herzens, seine Umwandlung aus dem Sustand der Erstarrung
und der Gleichgültigkeit in den der brennenden Liebe und der
Opferbereitschaft. Tatchristentum — nicht Worfchristentum, wenn
auch das Tun des in Jesus verblörperten Gotteswillens schwerer
ist als das lippenmäßige Bebenntnis, auf das die Kirchen so großen
Wert legen. Ein sterbender Pfarrer bebennt seinem fruheren
Schũler, einem Arbeiter: „Arnold, ich hätte euch den Weg besser
ʒeigen sollen, hätte nicht nur reden, hätte selber in den Kampf
hineinstehen sollen, zuvorderst, und bin oft geflohen und habe mich
Der Grenzgang in Wetter.
Anfangs Juli begingen die Bewohner der alten Hessenstadt
Wetter ein althistorisches Fest, den jog. Grenzgang. Wenn nicht
angewöhnliche Seitereignisse ein Hindernis bieten, wie der Welt⸗
Lrieg, wird alle sieben Jahre ein solches Grenzgangfest gefeiert.
Diesmal waren es aus dem leßterwähnten Grunde 14 Jahre, daß
die Einwohnerschaft von Wetter daran denken bonnte, diesem alten
Brauch näher zu treten. Das letzte Grenzgangfest wurde im
Jahre 1910 abgehalten; damals dachte noch niemand daran, wie
sich die Verhältnijsse in unserem Daterlande ändern würden.
Nach alten AÄberlieferungen ist der Grenzgang in Wetter, der
eine Mahnung sein soll, der Heimat die Treue zu halten, die alten
Sitten und Gebräuche nicht zu vergessen und vor allen Dingen
die Grenze der eigenen Feldmark zu schüßzen, seit 250 Jahren nur
einmal ausgefallen. Es war dies, wie schon vorhin erwähnt,
wãhrend des Weltbriegs im Jahre 19117. Daß der Grenzgang
VOerhältnisje halber verschoben wurde, ist zweimal vorgebommen,
im Jahre 1155 und 1860. Wenn auch die Seiten immer noch nicht
dazu angetan sind, so froh und fröhlich zu sein, so darf dies doch
bein Hindernis bedeuten, solche Gedenken, wie den Grenzgang.
einfach unter den Tisch fallen zu lasjen. „Nur wer sich selbst auf-
gibt, ist verloren“, heißt ein altes Sprichwort, und so denkben auch
die Wetteraner und lajssen sich durch nichts hindern, treu an der
alten Sitte festzuhalten.
Der Grenzgang, ein Heimatfest in des Wortes vollstem Sinn,
wird die Liebe zur Heimat stärben, und Heimatliebe und Vater—
landsliebe sind wohl nicht gut von einander zu trennen. Am
Donnerstag, den 3. Juli, hat er begonnen, der Grenzgang in
Wetter, und am nächstfolgenden Montag ist das Fest begraben
worden. Wer Sinn und Freude an alten Aberlieferungen hat,
verfehle ũbrigens nicht, sich das mit vielen Abbildungen aus Wetter
ausgestattete Büchlein, das Ernst Sangmeister seiner Vater—
stadt zum diesmaligen Grenzgang gestiftet hat, zu verschaffen.
Der Taufstein an der Ohm.
Anfang Juni machte der Marburger Hejssische Geschichtsverein
bei schönem Wetter unter ziemlich zahlreicher Beteiligung einen
Ausflug ins Ohmtal. Von der Haltestelle Bürgeln aus besuchte
man die ũber der Ohm in einem Wäldchen hübsch gelegene Stelle,
wo seit 1911 der der Ohm entrisjene alte Taufstein aufgestellt ijst.
UÜber diesen Taufstein berichtete Archivrat Or. Knetsch an Ort
und Stelle, im wesentlichen nach den Forschungsergebnissen des
als Opfer des Kriegs 1916 verstorbenen Archivrats De. Rosenfeld.
In der gedruckten Literatur taucht der Taufstein in der Ohm,
in dem angeblich Bonifatius die heidnischen Chatten getauft habe,
zuerst in einer Schrift des Pfarrers, späteren Superintendenten
Kolbe 1882 auf. Am 12. Juni 1803 bei besonders niedrigem
Wasserstand hat der Geschichtsverein den Dersuch gemacht, mit
Stricken und Hebebäumen den Stein zu heben, aber ergebnislos.
Wieder in einem sehr heißen Jahr, am 24. August 1911, haben
dann einige Leute aus Colbe den etwa Sentner schweren Stein
aus dem Wasser geholt und an das Ufer geschafft. Regierungs—
und Forstrat Hermes ließ ihn an geeignetem Platze ũber der Stelle,
wo er viele Jahrhunderte im Wasser gelegen hat, befestigen. Bei
einem im September 1911 vom Marburger Geschichtsverein unter⸗
nommenen Ausflug zu diesem neugewonnenen Denkmal gab
Dr. Rosenfeld Erläuterungen, die erheblich ũber das hinausgingen,
was man 18 Jahre früher über den Stein zu sagen gewußt haätte.
Nach Kosenfelds Ausführungen wird der Taufstein in der
Ohm als Grenze eines herrschaftlichen (landgräflichen) Fischwassers
jeit dem Ende des 16. Jahrhunderts verhältnismäßig häufig ge—
nannt, so in dem Salbuch des Gerichts Schönstadt von 1592, in
Leihe⸗ und Verpachtungsbriefen (z. B. 1604), in den Steuerbatastern
von Bernsdorf und Bürgeln (beide aus der Mitte des 18. Jahr⸗
hunderts). Aber schon früher, im Jahre 1400, bommt offenbar
derselbe Stein als „steynen schale“ gleichfalls als Grenze einer
inter meinen Stubenwänden und hinter meinem Büchergostell
erkrochen. Gott muß tapfere Leute haben, das Himmelreich wird
ücht gebaut mit frommen Worten“. Arnold Necracher geht mit
iesem Dermächtnis des Toten ins Leben und will Ernst machen
nit Christus, damit alles besser werde auf der Welt. Er findet
sleichgesinnte, wirbkt mit ihnen revolutionierend und läßt bei plöß-
ich ausgebrochenen Streibunruhen sein Leben für die Brüder.
Sein Christentum ist nicht schwahen von Christus, sondern tun, wie
Lhristus getan hat. — Ein sehr ernstes Buch, das sich mit brennenden
zeitfragen mutig auseinandersetzt, ein Wegweiser zum wahren
deben. K.
—
imafwarte.
fijcherei auf der Ohm vor, und ebenso wird die „Steinschale“ im
sericht zu Schönstadt, bei der die Steinhuser Wiese 1369 genannt
vird, und die „Steinschale“ zu Ginseldorf von 13710 (auch hier
Fijchwassergrenze) auf den Taufstein zu beziehen sein. Sind diese
Annahmen nicht zu Lühn, so führen einige Urkunden von 1280
ind 1288 wieder um ein Jahrhundert weiter zurück; denn bereits
amals wird eine „Schale“ bei der Ginselau, bzw. bei Ginseldorf,
iuch in Verbindung mit der Fischerei in der Ohm erwähnt. Diese
etzten Erwähnungen sind fruͤher (1882) in reichlich phantastijcher
Veise von Kolbe auf die sogenannte Hunburg bei Bürgeln, nach
hm eine vorgeschichtliche Begräbnisstätte, bezogen worden; seine
krblärung ist schon bei dem völligen Mangel jedes sicheren Seug-
nisses ũüber die 1802 völlig abgetragene Hunburg zu verwerfen,
venn auch die Urkundenstellen von 1280 und 1288 noch Sweijeln
Kaum lasjen. Die Form des Steins spricht dabei eher für noch
oeit höheres Alter, da seine Grundform wohl als romanisch an⸗
usprechen ist; nur roh bearbeitet und nicht fertiggestellt, hat er nie
lirchlichen Swecken gedient. Wann und weshaälb er in die Ohm
geschafft worden ist, wird sich schwerlich je nachweijen lassen.
Hessen — die Heimat des Nibelungenliedes.
Lange haben die Gelehrten darüber gestritten, wie es mit
dem Arsprung jenes Werkes der Dichtkunst bestellt sei, das als
»as National Epos der Deutschen bezeichnet wird. Außerliche
Merbmale — Fundort und Mundart der Handschriften zumal —
chienen auf südostdeutschen Ursprung zu weisen, und umsomehr,
z blarer die Erkenntnis wurde, daß die Theorie vom historischen
dern der Sage — die angebliche Vernichtung eines am Rhein
zelegenen Burgundenreiches durch Attila — nicht aufrecht zu
rhalten jei. Nun ist es dem Darmstädter Archipdirelktor 9. R.
Ddieterich gelungen, in einer Veröffentlichung der Gesellschaft
dessijcher Bũcherfreunde den Nachweis zu führen, daß das Nibe-
ungenlied in der Form, wie es heute vorliegt, auf hessischem
Soden entstanden ist. An Hand untrüglicher Ergebnisse von
jeneadlogischen und lobalgeschichtlichen Forschungen zeigt er, daß
zie Gretlichleiten, die in dem Heldengedicht eine besonders hervor⸗
agende Rolle spielen, auf dem hessischen Gebiet zwischen Rhein
ind Odenwald gelegen sind. Seine Feststellungen ermöglichen es
ahezu, den Jagdzug, auf dem Siegfried meuchlings von Hagen
rmordet wurde, geographisch zu verfolgen. Die AUereinstimmung
er landichaftlichen Schilderungen des Gedichts mit den historisch
eographijschen Tatjachen in dem heute als Ried bezeichneten
Zaum ist jedenfalls unabweislich und läßt darauf schließen, daß der
dichter hier gelebt hat. Anders ist seine genaue Ortsbenntnis
ncht zu erklären. Dieterich geht aber noch weiter. Den so gewonnenen
ẽrbenntnissen folgend, bemüht er sich, auch die Person des Dichters
estzustellen und gelangt zu der Annahme, daß der Abt Sigehart
on Lorsch (an der Bergstraße) in erster Linie in Frage kommen
nüsse, wofür er jedenfalls eine ganze Reihe von beweisbräftigen
Imständen namhaft macht. Nach den äußerst sorgfältigen LUnter—
uchungen Dieterichs kann es beinen Sweifel daruber geben, daß
er Dichter des Nibelungenliedes, wie aus dessen Lünstlerijcher
formung und zeitgeschichtlicher Färbung hervorgeht, eine Persön⸗
ichleit vornehmer Herbunft und ausgesprochen geistiger Bildung
ewesen sein bann. Die Vereinigung dieser beiden Eigenschaften
ab es aber damals nur im geistlichen Stand. Da nun Lorsch
nmitten des oben bezeichneten Gebietes liegt und Sigehart zu der
zeit gelebt hat, in welcher das Nibelungenlied geschaffen worden
st, liegt es — von weiteren, gleich gerichketen Hinweisen abgesehen
— nahe genug, zum wenigsten die Anwartschaft jenes Abtes von
dorsch geltend zu machen, und dadurch den, durch die damaligen
erworrenen Territorialverhältnisse nicht abzujchwãchenden Anspruch
I auf den Ursprung des deutschen Nibelungenliedes zu ver—
iefen.
Nachdruck nur nach AÄbereinkunft mit dem Herausgeber gestattet.
Herausgeber: Konrad Bernecker. Druch und Verlag: M. Bernecker in Melsungen.