Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

jprechen, ihm bei allen Vorfällen beizustehen, wobei sich der Land⸗ 
graf das Effnungsrecht auf der Weidelburg vorbehielt. Sollten 
die genannten Kitter den Landgrafen befehden, so sollten fie alle 
Lehensgüter verlieren. 
Gegen diesjes Derfahren erhob der Erzbischof von Mainz beĩnen 
Einspruch, da er mit dem hessischen Landgrafen in Frieden leben 
wollte, zumal der Streit seines Vorgängers mit dem Landgrafen 
mit einer schimpflichen Niederlage geendet hatte. Nuch der Graf 
bon Waldeck fand sich damit ab, da er sich dem Schutze des Land⸗ 
grafen unterworfen und ihm jseinen Erbanteil an der Grasschaft 
angetragen hatte. 
Keinhard von Dalwigk war 1411 Amtmann zu Homberg, 1431 
andgraäflicher Marschall und 14388 Amtmann zu Schartenberg. 
Anter ihm, einem der kühnsten Ritter seiner Seit, begann für die 
Weidelburg eine Seit höchster Machtentfaltung und Pracht. Er 
war es, der die Burg mit einer weiteren Ringmauer und den 
bielen Schalentũmen, der vorgeschrittenen Befestigungsweise Rech— 
nung tragend, umgab. Ständig hielt er mehrere Edeileute in 
seinen Diensten und hatte über WPferde auf der Burg. Wegen 
seines KReichtums und großen Aufwandes wurde er vielfach an⸗ 
gefeindet und geriet mit mainzischen und hessischen KRittern in 
Fehde, die Landgraf Ludwig 1442 vergeblich durch einen Vergleich 
beizulegen suchte. Die Fehde entbrannte danach heftiger denn je, 
bis man die RKitter auf der Weidelburg, spezieli KReinhard von 
Dalwigk und Friedrich von Hertingshausen des Landfriedensbruches 
beschuldigte. Daraufhin verband sich Landgraf Ludwig mit dem 
Erzbischof Dietrich von Mainz, um den dauernden Verheerungen 
ein Ende zu machen. Mainz jollte die Naumburg und eine Hälfte 
der Weidelburg erhalten. Als nun am 28. Juni 14483 hejsijche 
und mainzische Truppen vor der neubefestigten Weidelburg er 
chienen, ließ sich Reinhard von Dalwigb durch seine Freunde 
bereden, nach 10tägiger Belagerung die Burg unker gewissen Se— 
dingungen zu übergeben und sich selbst bis zu ausgemachter Sache 
in Amöneburg, in Höchst a. M. oder auf dem Konigstein i. . 
zu stellen. Danach wurde auch die Naumburg erobert. Trotzdem 
sich nun Landgraf Ludwig alle erdenbliche Mühe gab, die Streitig- 
deiten Reinhards mit Hermann von Grifte und Werner von Elben 
Azulegen, konnte vor dem Jahre 1454 beine Einiqkeit erzielt 
werden. 
Trotz eines 1444 durch die zu Schiedsrichtern gewählten Kitter 
Hermann Riedesel, Philipp von Kronenberg, Sittich von Berlepsch, 
Oberamtmann des Sahnstromes und Johann von Erlenbach, Vißze 
dom zu Aschaffenburg zustande gekommenen Vergleichs, tobte die 
Fehde, auch Bundessehde genannt, da sich Keinhards Gegner die 
Bundesherren nannten, weiter. 1448 ʒogen abermals hesssche und 
mainzische Truppen vor die Weidelburg und Naumburg und er— 
oberten beide. Nur die Vermittlung der Herzogin Agnes von 
Sraunschweig, der Schwester des Landgrafen, rettete die Friedens 
störer vor dem Sorn des Landgrafen. 
Eine der vielen Sagen, die die Weidelburg umwehen, bnüpft 
an diese Begebenheit an. Danach soll der Landgraf auf BSitten 
den Frauen freien Abzug mit ihren Habseligkeiten, soviel sie auf 
dem Rücken schleppen bönnten, gewährt haben, worauf die Gemahlin 
Keinhards ihren Gatten als ihr bostbarstes Gut auf dem Kücken 
durch den King der Belagerer geschleppt hatte. Die Sage heißt 
deshalb: „Die hessische Weibertreue auf dein Weidelberge“. 
Von dem zweimaligen Sug gegen Reinhard von Dalwigk 
zeugen auch noch andere Orte in der Nähe der Burg. Im Dorfe 
Balhorn, das Reinhard von Dalwigk gehörte, unweit der Weidel— 
burg, befinden sich an dem Torhaus des befestigten Kirchhofes 
vier steinerne Geschützkugeln eingemauert, von 10 und 15 cn 
Kaliber, ein Beweis, daß Landgraf Ludwig, welcher in Casjel 
Büchsen schmieden ließ, auf diesen Sügen Belagerungsdeschüte 
nitführte. Es ist anzunehmen, daß die Mitwirkung dieses haupt- 
ächlich die Übergabe der Schlösser beschleunigt hat. 
In einem Vergleich zu Münden am 81. Marz 1442 mußten 
»on Dalwigk und von Hertingshausen auf die Weidelburg mit 
llen Subehörungen verzichten und sich mit einigen Sehnteu und 
)ofen zu Hertingshausen, Herbordshaͤusen und Holzhausen be— 
müũgen. Auch mußte Reinhard schwören, sein Gefängnis an Mainz 
»der Hessen nicht zu rächen. Dieser Vergleich wuürde nachdem 
»or dem Stadtrat zu Fritzlar am 19. April und nochmals münd— 
ich am 23. Juli bebräftigt. Am 20. Juni 1448 wurde auch mit 
Mainz ein Vergleich geschlossen, worin Keinhard mit seiner Gemahlin 
uuf alle Kechte und Briefe auf die Weidelburg verzichtete. Er 
og danach nach Naumburg und soll dort 1461 sein tatenreiches 
deben beschlossen haben. 
Auf den Weidelberg zog nun ein hessischer Amtmann, Fried⸗ 
ich von Pappenheim, bis 1488 Landgraf Wilhelm der Allere die 
Surg nebst der Wüstung Ippinghausen dem Kitter Philipp von 
Sicken als Pfandlehen übergab. Von diesem löste sie LEandgraf 
Vilhelm der Mittlere 1490 jür 600 Gulden ein und ver baufte 
ie wieder an die Ritter Wolf von Gudenberg als Lehen, 
n deren Besitz sie noch im 17. Jahrhundert war. Der letzte, 
der sie bewohnte. war Christoph Woif von Gudensberg. 
Interessant ist noch der Kechtsstreit zwischen Hessen und 
Waldeck, ais 1545 Waldeck seine Ansprüche auf die Burg vor 
den fürstlich hessischen Käten zu Wolfhagen geltend machte. Darauf 
3ab Hossen jolgenden Bescheid: 
Heßen, gestehe Waldeck an dem Hause Weidelberg nichts; 
denn Keinhard von Dalwigk habe dasseibe erbaut, er sei um 
einer Derwirbung willen durch Mainz und Hessen ũberzogen und 
durch die beiden Fürsten das Haus erobert, und seien von ihnen 
ange Seit hindurch Amtleute darauf verordnet worden. Nach der 
dand habe Wainz sein Teil an Hessen ũübergeben und Hessen den 
Berg lange Seit allein inne gehabt und Amtleute darauf ver- 
»rdnet usw., ohne der Grafen von Waldeck Einrede. Weil nun 
leine Anzeige noch Beweis vorhanden, daß Hessen und Waldeck 
er ersten Vereinigung von Ao. 1380 wirblich nachgekommen und 
as Haus miteinander erbaut haben, auch schwerlich bann dargetan 
verden, daß Waldeck jemals Possession daran bekommen, jondern 
ielmehr durch vorgemeldete Briefe und Handlungen eescheint, 
»aß Mainz und Hessen sich des Schlosses Weidelberg ohne Zutun 
der Grafen von Waldeck angemaßt und deshalb einbekommen, 
Valdeck auch solches mit Stillschweigen hat geschehen lassen, so ist 
ermutlich, daß die erste zwischen Hesjen und Waldeck aufgerichtete 
dereinigung niemals ins Werl gebrächt worden, und im Falle sie 
oirklich vollzogen, so hätte sich doch Waldeck mit so langem Still- 
hweigen und Nachlässigkeit seiner Gerechtigkeit entsetßt. Darum 
ei nicht ratsam, daß sich Waldeck und Hesen des Schlosses und 
Hauses Weidelburg halber in Rechtfertigung begebe, qui— prae- 
criptione excluditur. So blieb dann auch die Burg hessijch. 
AÄber ihre späteren Schicksale ist wenig bekannt. Auf den 
leinen Abbildungen der Burg im Hintergrund der Stadt Wolf— 
agen, wie sie uns Dilich und Merian geben, ist die Surg bereits 
Ruine, von den Dächern ist nichts mehr zu sehen. Nach dem 
zeugnis der Hessischen Seitrechnung war das Burggelände im 
Jahre 16090 schon mit hohen Bäumen bewachsen. Nach der 
Inschrift am Sũdpallas dürfte man im Jahre 1842 den Versuch 
jemacht haben, die Burg notdürftig zu rkeparieren, eine Arbeit, 
ie stets Stũckwerl bleiben wird bei einem so großen Umfang der 
SBurg. Wenn auch die vor 11 Jahren etwa vom Kreije Wolf— 
agen veranlaßte Besteigbarmachung des Südpallas und die Her— 
tellung einer Plattform für die DAussicht als ein Fortschritt zu 
ezeichnen ist, dem man den guten Willen nicht absprechen möchie, 
o wäre es doch angebracht, auch den entschieden interessanteren 
Hoerdpallas mit Stockwerbsbalken und einem Dach zu versehen. 
Dom Pulsschlaqg der Heimat. 
Hänghans. 
VDon K. Wittich. 
Manch eine Stadt hat ihren Stadtheiligen. Von der Rathaus— 
mauer schaut er auf das geschäftige oder müßige Treiben der 
Nachkommen seiner Seitgenossen herab. Milunter sind auch 
Hohepunbte seiner frommen und nũtzlichen Taten oder Augenblicke 
seines gottseligen Lebenswandels auf großen bunten Kirchenfenstern 
festgehalten, als wollten die steifen Gestalten dem Beschauer ins 
Ohr raunen: „Hier lebte einmal einer, der besser war als jeine 
Mit und Nachwelt.“ Auf bindliche Gemüter verfehlen sie selten 
ihren Eindruck. Über den gegenwärtsfrohen Beschauer aber haben 
ie keinen Zauber mehr. — Auch in den Erinnerungen der Stadt- 
»ewohner ist er schon lange tot. Sein Leben liegt längst jenjseits 
er lebendigen Alltagsmeinung, die sich in einer dahingegangenen 
punderglaubigen Seit nicht einmal zu jeinen Schuhsohlen hinauf— 
pagte. Nur in der Welt der Geleheten befaßt man sich mit ihm. 
kr ist hundertmal gedruckt und Gegenstand geschichtlicher Forschungen 
eworden. Ein weißbärtiger Gelehrter mit einem gütigen Pastoren- 
jesicht und breiten Schultern kommt alle Jahre in den Sommer— 
nonaten und bramt in den verstaubten Ecken der alten Stadtlirche. 
Mit Atzstoffen und Lupe versucht er zerfetzte Stadtchronmiken zu 
entziffern. Jedesmal geht er mit einem zufriedeneren Gesicht, als 
zx gebommen ist; denn er hat durch ein paar Löcher mehr hinter
	        
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