Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

veimat · Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
nre. 4 1024 
Erscheint monatlich. Preis der Einzelnummer einschl. Porto 0,15 Me. Früũhere Jahr⸗ 
gäãnge können,. soweit noch vorrätig., vom Heimatschollen⸗Derlag nachbezogen werden. 4. Jahrgano 
AUm Haus und Hof 0 Von Joh. H. Schwalm. 
Erzählung aus dem Schwalmtal. 3. Fortsetzung. 
Jugend vollzählig versammelt. Das spielte und sang und 
ubelte durcheinander, daß einem das Herz aufging. Wie 
oft hatten auch Paul und Hans hier mitgetan! 
„So“, jagte Hans, indem er sich auf einen moos— 
»ewachsenen Aufwurf am Waldesrand niederließ, „nun 
zrzähl mir mal, was dich bedrückt, schütt dein Herz aus, 
ꝛs wird leichter dadurch.“ Aber er mußte diese Auffor- 
derung wiederholen. 
Endlich fand Paul Worte. Er erzählte, erst stockend, 
dann fließender, wie's ihm schier unmöglich sei, die Sinsen 
all aufzubringen, und wie er jüngst beim Juden Mausche 
50 Taler habe borgen wollen. „Ich gedacht, sie in vier 
his sechs Wochen wieder zurückzubezahlen, und ging darum 
ioch mal zum alten Mausche. „Gott der Gerechte“, sagte 
er, „ich weiß, daß de bist ein guter Sohn, aber wovon 
villst de mir bezahle zurück mein Geld?“ 
„Halb von Sinnen bin ich fortgegangen, es fiel mir 
schon schwer, die Bitt zu ktun, und da 's nun eine Fehlbitt 
geworden war, schämt ich mich erst recht. “ 
Er schwieg einen Augenblick, und auch Hans wußte 
nichts zu sagen. Was hätte er auch vorbringen bönnen, 
einen Freund zu trösten! Das einzige Trostmittel, bares 
Held, bejaß er eben so wenig als jener. Doch bam ihm 
ein Gedanke, wie Paul zu helfen sei. 
Inzwijchen fuhr Paul fort: „Als Lügner muß ich nun 
dem Wirt erscheinen, der mir ausdrücklich sagt, er Lönne 
»as Geld nur solang entbehren, bis der Schnapsbrenner 
äm. Aber wenn ich nun augenblichlich wirklich die fünfzig 
Taler anschaffen könnt, 's wär nur 'ne Galgenfrist. Uns 
st eben nicht mehr zu helfen!“ 
. 
Der Bergwald hallte wider von den fröhlichen Weijen 
der Mädchen und Burschen. Es war Sonnkagnachmittag, 
anfangs Juni, eine Seit, die von den jungen Schwälmerinnen 
dazu benutzt wird, die duftenden Kräuter des Waldes, 
„'s Gekräut“, in den weißen Leinenschürzen heimzutragen. 
Die Burschen halfen den Mädchen getreulich. Unter Ge— 
jang und Scherz verrann die Seit, bis schließlich der ganze 
Schwarm aufbrach, um das Heimatdörfchen aufzusuchen. 
Auf dem Heimwege bildeten die Mädchen eine lange Kekte, 
indem sie sich gegenseitig „einhenbelten“. und die Burschen 
folgten nach. 
Hans Kenner und Paul Waldmüller setzten sich vor 
dem Dorfe auf einen Balben, der dort am Wege zur Kast 
einlud. Sie fühlten sich beide krüb gestimmt, besonders 
Paul, und eine Anterhaltung wollte nicht recht in Fluß 
kommen. „Der alte AUnhold von Wurzelkrämer hat mit 
den 3000 Talern nicht genug?“ begann Hans. „Kann 
Euch denn der Mensch beine Ruhe gönnen!“ 
Paul seufzte, und das blieb seine einzige Antwort. 
„Was ist da zu tun?“ machte Hans nochmals einen 
VDerjuch, seinen Freund zum Keden zu bringen. 
Wieder erfolgte beine Antwort. so daß er Paul längere 
Zeit besorgt betrachtete. 
„Komm“, sagte Paul, dem das stille Beobachtet- 
werden nicht entgangen war, „laß uns wieder dem Walde 
zugehn, hier kann uns jeder belauern.“ IJ 
Sie schritten an einem buntbewegten Bilde vorüber. 
Auf dem Sambel vor dem Dorfe war gegen Abend die
	        
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