die Braut als solche anzuerbennen. Es dauert oft Stunden, bis
es der Beredsjambeit des AUnterhändlers gelingt, durch Anpreisung
der innern und äußern Vorzüge der Braut, die während dieser
Zeit auf ihrem Wagen verharren muß, den Bräutigam zur Auf-
nahme der Braut in sein Haus zu bewegen. Hat sich der künftige
Gatte endlich erweichen lassen, so tritt er mit Weinkrug und Glas
aus dem Haus und trinbt der Braut zu. Sie trinkt aus dem
gleichen Glas und wirft es darauf über die Schulter zur Erde,
damit dessen Scherben der Ehe Glück bringen. — Am Kirchgang
beteiligen sich die Geladenen in ihrer bunten, malerischen Tracht,
die Frauen in roten Wollröcken, die mit andersfarbigen Samtborten
bejeßt sind, und mit in den abstechendsten Farben gefertigten wolle⸗
nen Brusttũüchern, unter denen aus dem dunklen Mieder die faltigen,
teifgestärkten Hemdärmel hervorquellen. Den Kopf bedeckt eine
hohe, schwarze Mütze, die durch Goldstickereien und breite, schwarze,
bis fast zur Erde reichende Samt- und Atlasbänder geziert ist.
Mãchtige Bandschleifen stehen zu beiden Seiten des Kopfes hervor.
Dickperlige Bernsteinbeftten, große, in die Bindebänder der Mütze
gesteckte Ohringe, silberne Miederschnallen und buntsjeidene Schũrzen
⸗ervollständigen den Putz der Schaumburgerin. — Die Braut
trägt an ihrem Ehrentag einen seltjamen Kopfputz. Es ist ein
hohes, walzenförmiges Gebilde, ringsum dicht beseßt mit bunten,
dicken Glasperlen und kbünstlichen Beeren. Der Boden ist mit
rotem Stoff überzogen. Vom untern Rand dieser Brauftibrone
hängen lange, farbige Seidenbänder über Schultern und Brust
der Braut herab. — Auch die Tracht der Männer ist eigenartig,
doch ist der bis ũber die Knie reichende weiße Rock mit roten
Aufschlãgen neuerdings durch einen schwarzen verdrängt. Die
ehemals als Besatz verwandten, fast handtellergroßen Knopfe sind
nicht mehr „Mode“, wie denn auch Kniehosen, weiße Strũmpfe
und niedrige Schuhe kaum noch zum Anzug des Mannes gehören.
Die Kopfbedeckung bildete im Sommer wie im Winter eine Pelzmütze.
— Das erste selbstgekochte Mittagessen, das die junge Ehefrau
ihrem Mann der Sitte gemäß vorzusetzen hat, ist Esaus rotes
Lieblingsgericht. — Wird ein Kind geboren, so bringen die Nach—
barinnen der jungen Mutter Lebensmittel zum Geschenl. Während
des Kindtaufsschmauses wird der Täufling bei den Gästen von der
„weisen Frau“ des Dorfes herumgeréicht. Diese erhält dafür ein
Geldgeschenk, das sie auch von zufällig dazukommenden Fremden
erwartet. — Der Anzug der Patinnen läßt an Güte des Stoffes
und an Farbenpracht nichts zu wünschen übrig, und bildet das
Auf der He
Der Fuldaer Geschichtsverein
hielt unlängst seine 20. Jahreshauptversammlung ab. Der erste Vor—
sißende, Oberbürgermeister Dr. Antoni, der die Versammlung
leitete, erstattete den Jahresbericht. Die Mitgliederzahl ist seit
dem Vorjahr gewachsen. Der BVerein zählt mit Einschluß der
auswärtigen Mitglieder und der Mitglieder der Ortsgruppé Flieden
jetzt 490, das sind 83 mehr als im Vorjahre. Der Fuldaer Geschichts-
perein steht mit 1060 Dereinen im Schriftentausch, was sich sehr zu
Bunsten der Vereinsbibliothet, die in der Landesbibliotheb Auf-
stellung gefunden hat, geltend macht. Swei Vorträge wurden
gehalten. Ferner beteiligte sich der Verein an einem Ausflug der
VDollbshochschule nach der Miljeburg. In nächster Seit sind weitere
Derõöffentlichungen des Vereins zu erwarten: eine Pubiikation von
Peof. Dr. Kichfer „Urbunden der Stadtpfarrei“ und Publibationen
vpon Prof. Dr. Vonderau ũber die Ausgrabungen am Vom in Fulda
und an der Stiftskirche in Hersfeld. Die Flurnamenforschung, die
bor dem Krieg so tatkeäftig eingeleitet worden ist, wird jetzi von
Prof. Dr. Haas mit Nachdruck fortgesetzt. Über die Kassenver—
hältnisse berichtet Herr Ed. Schmitt. Ver Vorschlag, im neuen
Dereinsjahr einen Beitrag von 2 MI. zu erheben, fand Annahme.
Da von der Stadt Fulda sowie vom Beazirksausschuß wieder
Suwendungen zu erwarten sind, ist vor allem Aussicht, daß die
ODereinszeitschrift, die Fuldaer Geschichtsblätter, erhalien bleiben
und wenigstens in 6 Heften im neuen Jahre werden erscheinen
önnen. Der bisherige Vorstand wurde wiedergewählt. Im Anschluß
an die Erledigung der Vereinsgeschäfte hielt Herr Hospitalspfarrer
Kübsam einen fesselnden Vortrag über den Propst Odo von Kied—
heim, der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts auf dem
Petersberg lebte und wirkte. Die in fieißiger Forscherarbeit
gewonnenen Anhaltspunkte über die Lebensgeschichte Riedheims
gaben dem Kedner die Möoglichbeit, ein greifbares Bild nicht nur
von dem MWanna, sondern auch von seiner Seit zu gestalten. Die
von, Riedheim verfaßte und uns erhaltene Chronik aus den Jahren
1664 -1619, die von Heren Pfarrer Rũbjam eingehend durchforscht
worden ist, und Riedheims Briefwechsel mit Freunden aus dem
Entzũchen der Maler. Der Kopfput einer Patin ist demjenigen
riner Braut ähnlich.
Der Gänsehirte aus dem Trusental.
Von G. Wenzel, Wilhelmshöhe.
In den 8oer Jahren lebte im Trusental, Kreis Herrschaft
chmalbalden, ein Gänsehirte, der durch seine eigenartige Kleidung
illen Besuchern des Trusentales auffiel. Er trug eine grüne
dusarenjacke von den Husaren zur Seit des Königs Jérõôõme von
Vestfalen, sowie auf dem Kopfe einen alten preußischen Postillons
ylinder. Das Bild verdankt Schreiber dieser Seilen seinem ber⸗
torbenen Verwandten, der beim Landgrafen von Hessen-Philipps-
al Leibjäger war. Das Bild war auf Veranlassung des Sand—
jrafen, der jedes Jahr zur Kur nach Bad Liebenstein fuher.
ingefertigt worden.
Schnurrpfeifereien.
In der Fremde.
Der alte Stoppelhans aus Homberg ging als junger Schuh⸗
nachergeselle in die Fremde. Er bam bis nach Meljungen und
neinte, nun wäre er schon Gott weiß wie weit ũber das Hessenland
inaus. In Meljungen fand er Arbeit. Bis zum Mittag des
esten Arbeitstages besohlte er ein Paar rindslederne Schuhe mit
Absãtzen. Bei solchem Fleiß erwartete er auch ein gutes Mittag-
sen. Aber die Meisterin setzte ihm nur Grießmehlsuppe vor, die
him schlecht behagte. Da sagte er die Arbeit auf und fragte den
Meister, was er zu bekommen habe. Der Meister antwortete,
penn er aufhöre, habe er nichts zu erhalten. Nun marschierle unjer
Stoppelhans seelenvergnũgt wieder nach Homberg zurück. Als er
on der Höhe des Werrbergs das alte Heimatstädtchen wiedersah.
ief er hochbeglũckt: „Segne Gott das Hessenlandi
*
Der alte Gomperjoörrje aus Mardorf, der bis dahin noch nie
n der Eisenbahn gefahren war, besuchte jeine verheiratete Tochter
n Cassel. Als er bei der Rückfahrt in Wabern ausstieg und den
homberger Schloßbdẽeg, der auf Mardorf herniederblickt, in der Ferne
ah, warf er seine Mühßze in die Luft und rief aus; „Hurra, Mardorf!
Es geht doch nichts über den deutschen Bodeni“
imafwarte.
Senedibtinerorden bildeten die Unterlage der Darstellung. Eine
igrerische Auswoertund des Materials wird hoffentlich bald mög ·
ich sein.
Der Nachlaß Karl Engelhards,
es allzufrüh verstorbenen, hochbegabten hessischen Dichters, wird
emnächst der Gffentlichkeit zugänglich gemacht und damit wieder
iuf die hohe Bedeutung eines in vielfältiger Weije wirksam
ewordenen Geistes hingewiesen werden bönnen. Engelhard hat
erade heute, wo manche Welle der Selbstbesinnung durch das
eutsche Volb geht, Anspruch darauf, im besonderen Maße beachtet
u werden. Wie wenig andre hat er sich mit starker Inbrunst in
as mythisch· religiösse Germanentum versenkt und aus ihm braft⸗
olle Silder für sein eigenes tief deutsches Fühlen und Wollen
Jewonnen. Jene gestaltenstarke Urweli, deren stolze Siegfried
ind GudrunFiguren in ihrer Heißblütigkeit der heutigen Kultur
bermenschlich erscheinen, hat auch dem ersten aus Engelharde
dachlaß erscheinenden Gedichtband „Sonnensohn“ eigentümliche
züge verliehen. Er läßt eine leidenschaftliche Vernefung des
dichters in das geheime Werden und Wejen der deutjschen Volls⸗
alur erbennen, eine Vertiefung, die sich in flammenden Forderungen,
nit ehythmischer Vollkraft geformt, dahin ausspricht, daß das deutsche
dolk, nũchtern gesagt, sich eñtschließen müsse, den in ihm zur Entfaltung
rãngenden Kräften zu vertrauen und von eben diejen Kräften sich
»er Zubunft, für die es bestimmt sei, entgegenführen lassen solle.
zin beinahe titanenhafter Troß gegen die Widerstände, mit denen
as Schickjal jenen Kräften etwa sich in den Weg legt, bommt in
en Gedichten Engelhards zum Ausdruck, die darum bejonders
eeignet sind, in eine Seit, wo mancher am deutjchen Volkstum
erzweifeln möchte, die natürliche Lebenskraft dieses Volbstums
estlich zu erweijen. Deshalb dürften Alle, denen urdeutsches Wesen
im Herzen liegt, dem (vom HeimatschollenVerlag A. Bernecker,
Meljungen, vorbereiteten) Erscheinen des ersten Nachlaß· Bandes
won Karl Engelhard mit begreiflicher Ungeduld entgegensehen.
herausqeber: Konrad Bernecher, Druck und VOerlaq: MA. Bernecher in Melsunge;