Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

die Braut als solche anzuerbennen. Es dauert oft Stunden, bis 
es der Beredsjambeit des AUnterhändlers gelingt, durch Anpreisung 
der innern und äußern Vorzüge der Braut, die während dieser 
Zeit auf ihrem Wagen verharren muß, den Bräutigam zur Auf- 
nahme der Braut in sein Haus zu bewegen. Hat sich der künftige 
Gatte endlich erweichen lassen, so tritt er mit Weinkrug und Glas 
aus dem Haus und trinbt der Braut zu. Sie trinkt aus dem 
gleichen Glas und wirft es darauf über die Schulter zur Erde, 
damit dessen Scherben der Ehe Glück bringen. — Am Kirchgang 
beteiligen sich die Geladenen in ihrer bunten, malerischen Tracht, 
die Frauen in roten Wollröcken, die mit andersfarbigen Samtborten 
bejeßt sind, und mit in den abstechendsten Farben gefertigten wolle⸗ 
nen Brusttũüchern, unter denen aus dem dunklen Mieder die faltigen, 
teifgestärkten Hemdärmel hervorquellen. Den Kopf bedeckt eine 
hohe, schwarze Mütze, die durch Goldstickereien und breite, schwarze, 
bis fast zur Erde reichende Samt- und Atlasbänder geziert ist. 
Mãchtige Bandschleifen stehen zu beiden Seiten des Kopfes hervor. 
Dickperlige Bernsteinbeftten, große, in die Bindebänder der Mütze 
gesteckte Ohringe, silberne Miederschnallen und buntsjeidene Schũrzen 
⸗ervollständigen den Putz der Schaumburgerin. — Die Braut 
trägt an ihrem Ehrentag einen seltjamen Kopfputz. Es ist ein 
hohes, walzenförmiges Gebilde, ringsum dicht beseßt mit bunten, 
dicken Glasperlen und kbünstlichen Beeren. Der Boden ist mit 
rotem Stoff überzogen. Vom untern Rand dieser Brauftibrone 
hängen lange, farbige Seidenbänder über Schultern und Brust 
der Braut herab. — Auch die Tracht der Männer ist eigenartig, 
doch ist der bis ũber die Knie reichende weiße Rock mit roten 
Aufschlãgen neuerdings durch einen schwarzen verdrängt. Die 
ehemals als Besatz verwandten, fast handtellergroßen Knopfe sind 
nicht mehr „Mode“, wie denn auch Kniehosen, weiße Strũmpfe 
und niedrige Schuhe kaum noch zum Anzug des Mannes gehören. 
Die Kopfbedeckung bildete im Sommer wie im Winter eine Pelzmütze. 
— Das erste selbstgekochte Mittagessen, das die junge Ehefrau 
ihrem Mann der Sitte gemäß vorzusetzen hat, ist Esaus rotes 
Lieblingsgericht. — Wird ein Kind geboren, so bringen die Nach— 
barinnen der jungen Mutter Lebensmittel zum Geschenl. Während 
des Kindtaufsschmauses wird der Täufling bei den Gästen von der 
„weisen Frau“ des Dorfes herumgeréicht. Diese erhält dafür ein 
Geldgeschenk, das sie auch von zufällig dazukommenden Fremden 
erwartet. — Der Anzug der Patinnen läßt an Güte des Stoffes 
und an Farbenpracht nichts zu wünschen übrig, und bildet das 
Auf der He 
Der Fuldaer Geschichtsverein 
hielt unlängst seine 20. Jahreshauptversammlung ab. Der erste Vor— 
sißende, Oberbürgermeister Dr. Antoni, der die Versammlung 
leitete, erstattete den Jahresbericht. Die Mitgliederzahl ist seit 
dem Vorjahr gewachsen. Der BVerein zählt mit Einschluß der 
auswärtigen Mitglieder und der Mitglieder der Ortsgruppé Flieden 
jetzt 490, das sind 83 mehr als im Vorjahre. Der Fuldaer Geschichts- 
perein steht mit 1060 Dereinen im Schriftentausch, was sich sehr zu 
Bunsten der Vereinsbibliothet, die in der Landesbibliotheb Auf- 
stellung gefunden hat, geltend macht. Swei Vorträge wurden 
gehalten. Ferner beteiligte sich der Verein an einem Ausflug der 
VDollbshochschule nach der Miljeburg. In nächster Seit sind weitere 
Derõöffentlichungen des Vereins zu erwarten: eine Pubiikation von 
Peof. Dr. Kichfer „Urbunden der Stadtpfarrei“ und Publibationen 
vpon Prof. Dr. Vonderau ũber die Ausgrabungen am Vom in Fulda 
und an der Stiftskirche in Hersfeld. Die Flurnamenforschung, die 
bor dem Krieg so tatkeäftig eingeleitet worden ist, wird jetzi von 
Prof. Dr. Haas mit Nachdruck fortgesetzt. Über die Kassenver— 
hältnisse berichtet Herr Ed. Schmitt. Ver Vorschlag, im neuen 
Dereinsjahr einen Beitrag von 2 MI. zu erheben, fand Annahme. 
Da von der Stadt Fulda sowie vom Beazirksausschuß wieder 
Suwendungen zu erwarten sind, ist vor allem Aussicht, daß die 
ODereinszeitschrift, die Fuldaer Geschichtsblätter, erhalien bleiben 
und wenigstens in 6 Heften im neuen Jahre werden erscheinen 
önnen. Der bisherige Vorstand wurde wiedergewählt. Im Anschluß 
an die Erledigung der Vereinsgeschäfte hielt Herr Hospitalspfarrer 
Kübsam einen fesselnden Vortrag über den Propst Odo von Kied— 
heim, der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts auf dem 
Petersberg lebte und wirkte. Die in fieißiger Forscherarbeit 
gewonnenen Anhaltspunkte über die Lebensgeschichte Riedheims 
gaben dem Kedner die Möoglichbeit, ein greifbares Bild nicht nur 
von dem MWanna, sondern auch von seiner Seit zu gestalten. Die 
von, Riedheim verfaßte und uns erhaltene Chronik aus den Jahren 
1664 -1619, die von Heren Pfarrer Rũbjam eingehend durchforscht 
worden ist, und Riedheims Briefwechsel mit Freunden aus dem 
Entzũchen der Maler. Der Kopfput einer Patin ist demjenigen 
riner Braut ähnlich. 
Der Gänsehirte aus dem Trusental. 
Von G. Wenzel, Wilhelmshöhe. 
In den 8oer Jahren lebte im Trusental, Kreis Herrschaft 
chmalbalden, ein Gänsehirte, der durch seine eigenartige Kleidung 
illen Besuchern des Trusentales auffiel. Er trug eine grüne 
dusarenjacke von den Husaren zur Seit des Königs Jérõôõme von 
Vestfalen, sowie auf dem Kopfe einen alten preußischen Postillons 
ylinder. Das Bild verdankt Schreiber dieser Seilen seinem ber⸗ 
torbenen Verwandten, der beim Landgrafen von Hessen-Philipps- 
al Leibjäger war. Das Bild war auf Veranlassung des Sand— 
jrafen, der jedes Jahr zur Kur nach Bad Liebenstein fuher. 
ingefertigt worden. 
Schnurrpfeifereien. 
In der Fremde. 
Der alte Stoppelhans aus Homberg ging als junger Schuh⸗ 
nachergeselle in die Fremde. Er bam bis nach Meljungen und 
neinte, nun wäre er schon Gott weiß wie weit ũber das Hessenland 
inaus. In Meljungen fand er Arbeit. Bis zum Mittag des 
esten Arbeitstages besohlte er ein Paar rindslederne Schuhe mit 
Absãtzen. Bei solchem Fleiß erwartete er auch ein gutes Mittag- 
sen. Aber die Meisterin setzte ihm nur Grießmehlsuppe vor, die 
him schlecht behagte. Da sagte er die Arbeit auf und fragte den 
Meister, was er zu bekommen habe. Der Meister antwortete, 
penn er aufhöre, habe er nichts zu erhalten. Nun marschierle unjer 
Stoppelhans seelenvergnũgt wieder nach Homberg zurück. Als er 
on der Höhe des Werrbergs das alte Heimatstädtchen wiedersah. 
ief er hochbeglũckt: „Segne Gott das Hessenlandi 
* 
Der alte Gomperjoörrje aus Mardorf, der bis dahin noch nie 
n der Eisenbahn gefahren war, besuchte jeine verheiratete Tochter 
n Cassel. Als er bei der Rückfahrt in Wabern ausstieg und den 
homberger Schloßbdẽeg, der auf Mardorf herniederblickt, in der Ferne 
ah, warf er seine Mühßze in die Luft und rief aus; „Hurra, Mardorf! 
Es geht doch nichts über den deutschen Bodeni“ 
imafwarte. 
Senedibtinerorden bildeten die Unterlage der Darstellung. Eine 
igrerische Auswoertund des Materials wird hoffentlich bald mög · 
ich sein. 
Der Nachlaß Karl Engelhards, 
es allzufrüh verstorbenen, hochbegabten hessischen Dichters, wird 
emnächst der Gffentlichkeit zugänglich gemacht und damit wieder 
iuf die hohe Bedeutung eines in vielfältiger Weije wirksam 
ewordenen Geistes hingewiesen werden bönnen. Engelhard hat 
erade heute, wo manche Welle der Selbstbesinnung durch das 
eutsche Volb geht, Anspruch darauf, im besonderen Maße beachtet 
u werden. Wie wenig andre hat er sich mit starker Inbrunst in 
as mythisch· religiösse Germanentum versenkt und aus ihm braft⸗ 
olle Silder für sein eigenes tief deutsches Fühlen und Wollen 
Jewonnen. Jene gestaltenstarke Urweli, deren stolze Siegfried 
ind GudrunFiguren in ihrer Heißblütigkeit der heutigen Kultur 
bermenschlich erscheinen, hat auch dem ersten aus Engelharde 
dachlaß erscheinenden Gedichtband „Sonnensohn“ eigentümliche 
züge verliehen. Er läßt eine leidenschaftliche Vernefung des 
dichters in das geheime Werden und Wejen der deutjschen Volls⸗ 
alur erbennen, eine Vertiefung, die sich in flammenden Forderungen, 
nit ehythmischer Vollkraft geformt, dahin ausspricht, daß das deutsche 
dolk, nũchtern gesagt, sich eñtschließen müsse, den in ihm zur Entfaltung 
rãngenden Kräften zu vertrauen und von eben diejen Kräften sich 
»er Zubunft, für die es bestimmt sei, entgegenführen lassen solle. 
zin beinahe titanenhafter Troß gegen die Widerstände, mit denen 
as Schickjal jenen Kräften etwa sich in den Weg legt, bommt in 
en Gedichten Engelhards zum Ausdruck, die darum bejonders 
eeignet sind, in eine Seit, wo mancher am deutjchen Volkstum 
erzweifeln möchte, die natürliche Lebenskraft dieses Volbstums 
estlich zu erweijen. Deshalb dürften Alle, denen urdeutsches Wesen 
im Herzen liegt, dem (vom HeimatschollenVerlag A. Bernecker, 
Meljungen, vorbereiteten) Erscheinen des ersten Nachlaß· Bandes 
won Karl Engelhard mit begreiflicher Ungeduld entgegensehen. 
herausqeber: Konrad Bernecher, Druck und VOerlaq: MA. Bernecher in Melsunge;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.