Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Lüfte“. der morgens am Dorfrand sich ein Hinbel oder Ginsel 
holt, die den Jäger im Frühjahr erfreuende Waldschnepfe wie 
der Strauchdieb Reinecke Fuchs, der in zerklüpfteten Felswänden 
im einsamen Bergwald hausende Nachtherrscher Uhu wie die zarte 
Zangeskbönigin Nachtigall, die in dunklen, grünen Sweigen zwischen 
feuumsponnenen Grabsteinen auf dem stillen Friedhof singt, alle 
Vejen groß und blein! 
„Raum für alle hat die Erdel“ 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Hessijche Hochzeitsbräuche. 
Von Helene Brehm. 
Wohl bei allen Vollern sind gelegentlich eines Hochzeitsfestes 
besondere Bräuche zu beobachten, deren Bedeutung dem Unein- 
geweihten unverständlich ist. Aber allen liegt ein tieferer Sinn 
zugrunde, dessen Spur meist in die Oergangenheit, gewöhnlich bis 
zu den germanischen Vorfahren zurückführt, und im altheidnischen 
Götterglauben begründet ist. —, Die solgenden Seilen sollen von 
einigen Hochzeitsbräuchen erzählen, die im mittleren Hessen und 
in dem zu dieser Provinz gehörenden Kreis Grafjchaft Schaumburg 
noch heute in den Dörfern bebannt sind. 
In Abterode dauecrte eine richtige Hochzeit drei Tage und 
wurde in großem Stil gefeiert. (Das Verlöbnis, „der Weinkauf“ 
genannt, kam vielleicht durch einen „Freiersmann“ zustande.) Etwa 
acht Tage vor dem Fest ergingen die Ein— 
ladungen durch zwei eigens dazu bestellte 
Mädchen, die „Platzmãdchen“. Die Hochzeit 
wurde stets an einem Sonntag gefeiert. 
Wenn die Glocken zum Gottesdienst riefen, 
bewegte sich der Hochzeitszug zum Gotteshaus. 
Doran schritt das Brautpaar. Die Braut im 
schwarzen Tuchkleid, bestehend aus faltigem 
Rock und Taille, mit oben bauschigen, am 
Handgelenk eng anschließenden Armeln, 
weißen Strümpfen und ‚Kommoden“ (beque⸗ 
men, ausgeschnittenen Schuhen). Die Hände 
umschlossen Gesangbuch und Taschentuch, und 
den Kopf krönte ein „gebackener“, d. h. bünst- 
—E 
schwarzen langen „Nachtmahlsrock“ und Sylin⸗ 
der, geschmückt mit einem an der Brust 
befestigten „gebackenen“ Myrtenstrãußchen. 
Paarweise folgten die Geladenen, die 
Frauen ebenfalls in dunkeln Tuchkleidern und 
nit ihren charabteristijchen weißen, winzigen 
Mũtzchen, die der Form nach Ahnlichkeit 
mit einem Kapotthut hatten, aber baum 
groß genug waren, das auf der Mitte des 
Kopfes in Söpfen zu einem „Stuhz“ zusam- 
mengesteckte Haar zu bedecken. Durch 
schwarze, breite Seidenbänder wurde diese 
Miniakurausgabe einer weiblichen Kopf- 
bedeckung unter dem Kinn gehalten. — Beim 
Eintritt in die Kirche, und jschon auf dem ganzen 
Weg dahin, durfte das Brautpaar sich nicht 
umsehen, es wũrde dies unfehlbar den baldigen 
Tod des erwählten Lebensgefährten bedeutet 
haben, sowie auch, daß der sich umsehende Teil schon bald wieder 
Ausschau nach einem neuen Gefährten halten würde. 
Wenn der Brautzug im Gotteshaus angekommen war, wo 
sich inzwischen die Gemeinde versammelt hatte, jo nahm der Bräu- 
tigam Platz auf einer der hinter dem Altar stehenden Bänbe. 
Die Brauf dagegen setzte sich auf die vorderste Bank im Schiff, 
wo die ersten Sitßzreihen für die Hochzeitsgäste freigelassen waren. 
Wenn nach der Predigt der Geistliche vor den Altar trat, verließ 
das Brautpaar die Plätze und nahm vor dem Pfarrer Aufsstellung. 
Die Braut mußte während der Trauung besonders darauf bedacht 
jein, daß sie moͤglichst dicht an ihrem Erwählten stand. Der geringste 
Zwischenraum zwischen ihnen wäre ein Vorzeichen dafũr gewesen, 
daß es in der Ehe zu Swiespalt und Sank kommen würde. — 
Wenn nach der Trauung der Zug ins Hochzeitshaus zurückkehrte, 
jo hatte die junge Frau sich zu beeilen, damit sie unter, allen Um⸗ 
jständen vor ihrem Mann die Schwelle überschritt, um sich dadurch 
die Herrschaft im Haus und in der Ehe überhaupt von Anfang 
an zu sichern. — Das Mittagsmahl bestand aus Reissuppe, „dickem 
Keis“ mit Kindfleisch und Kartoffeln. Als Getränk gab's haupt 
jächlich Bier. Sum Kaßffec reichte man verschiedenerlei Kuchen, 
und abends wurde mit Braten und Salat bewirtet. Während 
der Mahlzeiten mußte das junge Paar gemeinsam von einem 
Teller esjen und aus einem Glase trinken. Am Nachmittag zog 
die ganze Festgesellichaft durchs Dorf und dann auf den Tanzboden. 
Gänjsehirte aus
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.