gottsfrühe auf. Sie gingen zunächst bis Treysa, anstatt gleich in
Ʒugsiehstillhaujen einzusseigen. So hatte es der alte Hannjabob
haben wollen. In Treysa hatte er dann noch nicht genug und
meinte zu seinem Reisegefährten: „Was meinst du, wir gehn bis
Neustadt“.
Weil nun Barwe Konn nichts dagegen reden wollte, so sausten
die beiden zu Fuß los und bamen gerade in Neustadt an, als der
Zug nach Marburg um die Ecke bog. „Schadet garnichts“, meinte
Hannjakob, „wir gehen bis
Kirchhain“.
Aber als sie so in Kirch⸗
hain nach ein paar Stunden
anlangten, mußten sie hören:
„Der nächste Sug nach Mar-
burg, der fährt erst in zwei
Stunden“.
„Schadet nichts“, sagte
Hannjakbob, dem nachgerade
doch die Beine stumpf geworden
waren, „wir ruhen uns so lange
aqus“.
Das besorgten die z3wei
denn so grũndlich, daß sie zur
Keije erst aufbrachen, als der
Zug nach Marburg eben abge⸗
fahren war.
„Schadet nichts“, bnurrte
Hannjakob, „wir gehen“.
Und so kbamen sie dann
gegen Abend in Warburg an
und bonnten da gerade noch
einsteigen, um nach Gießen
zu fahren.
Dort blieben sie über Nacht
und zwar in einem Gasthause,
„in dem die Tische nicht mit
Tijschtüchern gedeckt waren“.
Hannjakob mußte trotzdem am
anderen Morgen einen tiefen
Griff in seinen Siehbeutel tun.
Er war auch vom Gehen
auf ein paar Tage buriert und
wartete geduldig auf den Sug,
der ihn dann auch wirblich
mitnahm.
Auf der Herreise kLam aber
der alte Geist wieder über
Hannjakob, und als er in
Marburg erfuhr, der Sug nach
Kirchhain sei eben abgefahren,
jagte er wieder: „Schadet nichts.
wir gehen“.
Erst in Neustadt Lonnte er
mit Barwe Konn einsteigen.
Hannjabob tröstete sich über die
zwei verlorenen Tage, hatte
er doch einige Mark dadurch
gespart, doß er gegangen war.
Schw.
ebes (Kartoffelklöße). Hat man also ein Stückchen Sonntags-
leijch, so lautet die Frage: „Was wollen wir denn drankochen?“
Und diese Frage gilt auch von dem Jungen nach der Konfirmation:
Was bochen wir denn nun an ihn?“ und von dem Wädchen, das
oraussichtlich wenig Aussicht auf einen Mann hat: „Was wollen
vir nun an es bochen?“ Das heißt, welchem Beruf führen wir das
Kind zu, wo bringen wir es unter. — So nimmt der Bauersmann
die sprachliche Einkleidung seiner Überlegungen und Entschlüsse
oft aus seinem Arbeitsfeld
und aus seinem Erfahrungs-
breis und verleiht damit seinen
Ausdrücken etwas Boden⸗
ständiges und Treffendes.
Die alte Brücke schwingt
sich in zwei Bogen über das
nordwärts rinnende Rhönflüß⸗
chen. Am Gänsrasen hüten
die Kinder die jungen Gänse,
die schon Kiele briegen. Unter⸗
halb der Brücke ist die breite,
nuldenförmige Einfahrt, wo die
Bauern das Spannvieh trän—
en, wenn sie ins Feld fahren
»der zurückkommen. Auch das
Veidevieh löscht da jeinen
Durst, wenn es im Herbst von
den Jungen hinaus- oder heim⸗
getrieben wird. Das hoch⸗
gelegene Dorf leidet oft an
Wassermangel. Darum fahren
ie Bauern sjamt Wagen oder
Pflug in den Fluß, der an
dieser Stelle ziemlich breit und
venig tief ist. Sum Seitver-
treib lesen die Gänsehirten
flache, glattgeschliffene Stein-
hen aus dem Wasser. Einer
will immer schönere „Broun—
delsteinche“ haben als der
andere. Die werfen sie dann
so geschickt, daß die Steinchen
über den Wasserspiegel hũpfen
wie flinke Bachstelzchen. Oft
zehn- und mehrmal berühren
sie die blanke Fläche, um in
flachen Bogen, die immer
bleiner werden, weiterzuhüpfen
und endlich zu versinken. Das
nennen die Kinder „Brounkeln
werfen“. Wie oft haben wir
Srunkbeln geworfen. Blitz-
schnelles Zählen erwies, wessen
Brunbelsteinchen am meisten-
mal aufhüpfte. Der war Mei⸗
ster in der Kunst des Brunbel⸗
werfens und nicht wenig stolz
darauf. An der tiefsten Stelle,
der „Krengelkutt“ (Kringel⸗
Laute), warfen wir dicke Feld⸗
steine hinein, die mit dumpj
dluckjendem Laut „Plumps“
jagten und feine Kringel war⸗
fen. Auch Gänselöffel (Schalen
der Flußmuschel) fischten wir
zuweilen aus dem Wasser;
häufiger noch fanden wir sie
nach UÜberschwemmungen auf
den Wiesen. Wenn man dann am Mittag in der Ferienzeit nach
hause kam, stellte die Mutter gar oft eine feine Brunkeljuppe aus
»en Tisch. Das war eine Erbsen-, Bohnen- oder Linsensuppe
nit Mehlriwweln darin. Die Mehlriwweln hießen Brunbel. Je
icker die Brunkeln, desto besser schmeckte uns Kindern die Suppe.
Venn einem die Mutter „aufschöpfte“, achtete man darauf, daß
ie mit dem großen Suppenlöffel die dicksten Brunkeln fischte. Der
Kartoffelsuppe brachten wir wenig Vorliebe entgegen. weil darin
die Brunbeln fehlten.
Aufnahme von Hofphotograph Eberth, Cassel.
Abendläuten.
Es ragt des Dörfleins Gotteshaus
Auf abendrotem Himmelsgrund.
Und in den Frieden ruft hinaus
Sein weihevoller Glockenmund:
Aus dem
VDolksmund.“
Von H. Ruppel.
Hast du dein Tagwerk wohl bedacht?
Dann blick empor und geh zur Kuhl
Gott geb dir eine gute Nacht
Und einen frohen Traum dazul 8. Kuppel.
Ostern ist gewesen. Man⸗
cher Bauersmann im Haun—
gzrund, der mehr als einen
Jungen hat und vor die Berufs-
wahl gestellt ist, jagt zu seiner Frau: „No eß e us d'r Schol. Bas
koche me no on en?“ (Mun ist er aus der Schule. Was bochen
wir nun an ihn?) Sum Verständnis dieser häufig zu hörenden
Kedensart sei darauf verwiesen, daß der Bauersmann zu bestimmten
Stücken Fleisch aus dem Solper oder aus der Fleischkammer gern
ein bestimmtes Gericht auf dem Tisch hat. On Soubacke bocht
me Krut on Brej**) (an Schweinbacken bocht man Kraut und
Brei), on Soublaewerche odder Stuche Aerwes odder Kohlrawe
(an Schweinefũüßchen ISaublauen] oder Stauchen sEisbeine] Erbser
odor Kohlrüben ISteckrüben])), 30 Gaensbrate gehörn Kaduffel—
4
*) Mundartliche Ausdrücke ohne Ortsangabe entstammen dem Haungrund.
*ei — af
Bei „Murepetersch“— (Peters an der Mauer) ist „bös Wetter“,
ein Lritischer Tag erster Ordnung“. D'r Ahl spoolt (spult — queru-