Doch denkt man das nur und schweigt fein still,
WVenn einen Schatz man heben will. —
Da kbommt zum dritten ein Mann daher,
Als ob er nicht richtig im Kopfe wär'.
Der fährt in einer seltsamen Kutschen,
Er muß in einer Meße rutschen
Und ist so zappelig, pustet so viel,
Als sauje er los im Automobil,
Tut, als wollt er den Wagen erjagen
Und dem Ohnekbopf an den Kragen,
Und kommt doch, als wär's eine Schneckenhatß
Und kommt doch kaum vom alten Platz.
Wer sähe solche Varretei
And bliebe mäuschenstill dabei?
Da muß Hans Habenichts kräftig lachen,
Kuft: „Was sind das für tolle Sachen!
Ou dréeifacher Narr, laß dein Wettrennen sein
Du holst den Ersten dein Lebtag nit ein!“
Da hagelt's schon Hiebe auf ihre Rücken,
Hilft Lein Verbriechen und Lein Bücken.
Ob sie auch winseln um Pardon,
Jeder bekommt jeinen vollen Lohn. — — —
Seitdem gräbt Hans das Ackherfeld,
Und was er herausgräbt ist mehr als Geld:
Kraft im Arm und gesundes Blut,
Zufriedenen Sinn und frohen Mut.
Hans hat nun Wohlstand allerorten
Und ist ein rechter Schatzgräber worden.
Hans Habenichts und seine Familie.
VDon Otto Stückrath.
Hans Habenichts, der Liederjan, hat eine recht ehrwürdige
Dorfaͤhrenreihe; er stammt, so liederlich er immer sein mag, aus
einer guten Familie. Von ihr will ich erzählen, was ich bei dem
Altmeister deutscher Sagenkunde, Jabob Grimm, bei einer Keihe
anderer Sagenforscher und vor allem bei Bolte in der Seitschrift
des Dereins für Volksbunde (Berlin 1909) fand.
In der arabischen Märchensammlung der 1001 Nacht hört ein
Mann zu Bagdäd, der sich über den Verlust seines Keichtums
nicht wenig grämt, im Traume plötzlich eine Stimme: „Suche dein
Glück in Kairo!“ Er wandert hin, legt sich abends in die Moschee
schlafen und wird, als man in der Nähe einen Einbruch entdeckt,
als Dieb geprügeit und ins Gefängnis geworfen. Am dritten Tage
indet vor dem Wali das Verhör statt, der ihn ob seines Traumes
herlacht und sagt: „Auch ich träumte dreimal, in Bagdad sei im
Harten eines Hauses neben dem Springbrunnen eine Geldsumme
ergraben, aber ich hũtete mich hinzugehen?“. Da merbt der Mann,
daß sein eigenes Haus gemeint sei, behrt heim und findet den Schatz.
Venn nun auch die arabische Märchensammlung verschiedenen
Zeiten ihre Entstehung verdankt, so wissen wir für dieses Stück,
daß es der 995 verstorbene Araber Tanöühi schon berichtet, daß es
also im 10. Jahrhundert den Arabern wohl geläufig war.
Im „Meinet“, einer sagenhaften Jugendgeschichte Karls des
Großen, die uns erst im ,Karlmeinet“, einer niederländischen Auf—
zeichnung des 14. Jahrhunderts vorliegt, aber sicher ins 12. Jahr⸗
hundert zurückgehi, begegnet uns dieselbe Geschichte in etwas
abgeãnderter Form. „In stiller Mitternacht trat einst an Hoderichs
(ein zu Baduch bei Paris ansässiger Bauer, Vormund Karls des
SBroßen) Bett ein Swerg, weckte ihn und sprach: „Hoderich, jobald
der Tag anbricht, geh nach Paris auf die Brücke; da sollst du Lieb
und Leid erfahren“. Der Bauer aber achtete die Rede gering
und schlief wieder ein. Erst als der Swerg in der folgenden und
dritten Nacht seine Mahnung wiederholte, machte er sich frühmorgens
auf den Weg nach Paris und rastete auf der Brücke. Da sah
ihn ein zu einer Wechselbank schreitender Wechsler und fragte,
woher er Lomme. Als Hoderich von dem Gebote des Swerges
erzählte, fuhr er ihn zornig an: „Es ist bein Jahr her, da trat
auch zu mir nachts ein Zwerg und hieß mich aufstehen und zu dem
Dorfe Baduch wandern, da würde ich bei einer Weide am Bach
einen gewaltigen Schatz finden. Wäre ich so einfältig gewesen,
dem Swerge zu gehorchen, so hätte ich Stockschläge verdient. Da
du Tor des Swerges Worften folgtest, nimm diesen Backenstreich
zum Lohne!“ So fand Hoderich zur, Stunde Leid, aber auch
Liebes; denn als er heimgekehrt mit seinem Bruder Hanfrat in
der nächsten Nacht unter der Bachweide nachgrub, fand er einen
oleĩernen Topf voll Gold, Silber und Edelsteinen.“
Vergleichen wir die arabische und die französischniederländische
Erzählung mit einander. so müssen wir in der leßtteren die geschickte
Ummodelung eines arabischen Vorbildes erbennen, das in der Seit
er Kreuzzüge nach Europa gelangte. Die Handlung ist auf einen
inzigen Tag zujammengedrängt und wirbungsvoller inszeniert; der
heid wird nicht als Dieb geprügelt und mehrere Tage eingeberbert,
ondern erhält den Backenstreich seines leichtgläubigen Vertrauens
vegen, das er zu einem Traume hegt, erfährt aber damit unmittelbar
den Ort, wo der Schatz liegt; auf beides aber ist der Hörer vor⸗
ereitet, denn der Swerg verbündet ihm Liebes und Leides, Die
Brücke zu Paris ist sehr passend gewählt; auf den Brücken spielte
ich der Hauͤptverkehr ab, auf ihnen waren häufig Derkaufsbuden
ufgeschlagen, ja sogar Gerichtssitzungen und Tänze wurden dort
gehalten. Der Ort, aus dem Hoderich stammt, Baduch, ist nichts
inderes als Baldach, das Bagdad der arabischen Erzählung.
Die Sage vom Schatz auf der Brücke wurde in Deutschland
hald lokalisiert und breitete sich in kurzer Seit über das ganze
deutsjche Sprachgebiet aus. Die berühmte Regensburger Brücke
st im 14. Jahrhundert der Schauplatz derselben Geschichte; 1529
erzählt sie Joh. Agricola zu Nr. 623 seiner Deutschen Sprichwörter
Trewme sind lũgen“. Allerdings läßt er sowohl den Namen des
Dorfes, wie auch den Backenstreich weg. Eucharius Eyring brachte
Agricolas Erzählung in VDerse (1604):
fins mals einem träumet bei Nacht, Hast du nicht ghöraet, wie man spricht:
Daß er sich also bald auffmacht Träum sind Lügen bnd andees nicht?
din auff die Regensbürger Brück, Dort steht ein Baum, den siehstu wol,
Ddo wied er reich werden durchs Glück. don dem mie gträumt zum öfftern mal—
ẽr macht sich auff vond bam dohin, Wie vnter jhm ein Schatz soll ligen,
Vartt etlich Tag da auff Gewinn, Ein Kessel groß voll Geldts ohn triegen,
sßieng all Tag auff der Brücken vmbher ẽEs muß mir lang träumen darvon,
kin eeicher Kauffman fragt ohn gfehr, Daß ich mich suchens vnterstahn;
Vas er all Tag hie suchen thet. Dann ich wenig von Träumen halt,
ẽr antwort jhm: „Mich recht versteht, Zie sind nichts dann eins Btrugs gestalt.
dor viertzehn Tagen träumt mir gwiß, Domit der Kauffman von jhm geht.
Vie mich einer hergehen hieß Der Gsell sich eines vntersteht,
Auff dieje Brückn ohn all beschwert, Heht hin zum Baum vnd grebt darunt
hier solt mir sein ein Glück beschert.“ Ond thut ein trefflich reicher Fund
der Kauffman sprach zu ihm gar bald: Ond findt den Kessel voller Geldt,
Mein Gsell. ich nichts pon Träumen halt. Wird reich vnd viel von Träumen helt.
Spätere Autoren berichten die Erzählung genauer und geben
ils Ort, aus dem der Bauer stammt, und an dem der Schaß liegt,
ztethen im Voigtland an; 1601 zeichnet ein Niederländer eine
krzählung auf, die von einem verschwenderischen Jüngling handelt,
en sein Traum von Dortrecht auf die Brücke nach Kempen und
urũck an einen Dornstrauch nach Dortrecht führt. Die Lübecker
Zrũcke, die Bremer Weserbrücke, die Papenbrücke in Amsterdam,
ie Kheinbrücke in Coblenz, die Nahebrücke in BSingerbrück, die
Rheinbrücke in Mainz, die Mainbrücke in Frankfurt d. M., die
stannheimer, Heidelberger, Sittener, Thuner, Sirler, Innsbrucker,
Zozener Brücke, die zu Stall im Wölltal, zu Villach, Prag,
Ddresden, München, Münden, Hameln, Triptis, Gera, Erfurt,
dauterberg, Magdeburg, Berlin, Hamburg, Flensburg, die Süd⸗
rücken zu Deile und Randers in Dänemarb, die Heu- oder
znüppelbrũcke zu Kopenhagen, die Themsebrũcke in London, die
chomonsbrũcke zu Limerick in Irland, der Rialto zu Denedig, die
Zrücke der Köpfe zu Palermo und zuguterletzt auch die Casseler
ßrũcke sind die Orte, an denen sich die Sage lobalisiert hat.
Nun ist es ja ohne weiteres klar, daß die mündliche Ueber-
ieferung und die Lobalisierung an so weit auseinanderliegenden
Heten die Sage umgestaitet und nicht unwejentlich umgestaltet hat.
Das sahen wir schon bei der Vergleichung der arabischen Sage
nit der niederländisch französischen; eines bleibt allen Erzählungen
semeinsam: das Motiv des im Traume geschauten Schatzes, das
iuf eine ganz eigentümliche Art weitergebildet ist. Die Verheißung
eht nicht unmittelbar in Erfüllung, sondern erst im Umweg und
leichjam Rüũckschlag auf den Handelnden, der „was sich anfangs
n die Ferne zu schieben scheint, zuletzt in seiner Nähe eintreffen
ieht“. Im Karlmeinet ist sogar etwas wie poetische Gerechtigkeit
u verspũüren; zwei träumen von demselben Schatze, aber nicht dem
ũnkelhaften Keichen wird er zuteil, sondern dem Bedürftigen. der
infach gläubig der Geistermahnung gehorcht.
Kuppels Bearbeitung der Sage steht noch unter dem Einflusse
ines anderen Sagenbreijes; unser Hans Habenichts hat es mit
einer Hoheit, dem Teufel, zu fun und erhält, weil er vorzeitig
edet, eine Tracht Prügel, und der Schatz versinkt, dafür gewinnt
r aber die Freude an der ehrlichen Arbeit, und damit nähert sich
ie Sage einer Walliser Fasung, in der ein Schatzgräber auf der
Srücke zu Brig die Weijung erhält, heimzugehen und sparsam
ind fleißig zu werden.
Aljo: unser Hans Habenichts stammt aus dem Orient, er hat
sich die Keise nach Franbreich nicht verdrießen lassen, hat aber
diesem Lande inzwischen den Rücken gebehrt und sich in den Nieder—