Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

And nun kbommt ein Haupttrick. Hannerch überläßt einem 
der Mädchen die Aufsicht auch über seine Ginsel und eilt an den 
Sach, um zu brebsjen. 
Jetzt wieft er sich längelang auf den Leib (die Armel hat er 
schon vorher aufgewickelt) und fährt mit der Rechten in eine 
Krebsröhre. 
Kichtig, schon hat er so einen gepanzerten Burschen ergriffen 
und wirft ihn lachend auf den Kasen. 
Aber jetzt: Kutzjemecke“! Der alte VDater Krebs hat den 
Spaß richtig verstanden und den Jungen in die Schere genommen. 
Hannerch hält mit Lammsgeduld still. Sachte, ganz sachte jucht 
er sich frei zu machen. Und jeßtzt ist's geglückt, das „Dieh“ hat 
osgelaßsen. Kache ist jũüß! Hannerch greift nun vorsichtig über 
d 8 hin und bald ist auch dieser „Kräwes“ seinem Elemente 
entrissen. 
Wie lang das so weiter geht? Bis 
die Mutter ruft: „Jüng, kLomm heem!“ 
Die Sonne ist am Hinuntersinken dort 
inter den Kellerwald, und den Himmel 
imschleiern leichte Wolben. Die Acker⸗ 
eute sind schon eine Weile zu Hause, 
uind aus den Kaminen steigt verheißungs- 
poller Rauch auf. 
Da zieht Haͤnnerch mit seiner Schar 
aach Hause. Etwas verstohlen. Er hat 
eine Hemdãrmel aufwärtsgeschlagen, denn 
die tragen die Spuren der Kreoebserei. 
Die Mutter schilt allemal: „Jung, laß 
die Gemachtser, ich muß mich rein zu 
Schanden reiben an deinen Hemdärmeln“. 
Hannerch läßt aber nun einmal das 
Krebsen nicht. Ich wette hundert gegen 
eins, wenn er heute seine Dresche bezogen 
hat, morgen sieht man ihn schon wieder 
am Bache auf dem Leibe liegen. Ihn 
hat eben die Leidenschaft erfaßt, von der 
das Sprichwort sagt: „Fischen, Jagen 
und Vogelstellen verdirbt so manchen 
guten Gesellen“. Ja, auch die beiden 
andren Leidenschaften, die Leiden schaffen, 
iijnd Hannerch nicht unbebannt. 
Jagen. Er bonnte, Gott weiß wo 
und wie, eine alte Flinte auftreiben. In 
peiser Voraussicht hat der Dater das 
Schloß entfernt. Und nun „treiben“ ihm 
die Freunde das „Wild“ zu und er 
„Ichießt's“ bum mausetot. 
Wären nur halb so viel Kehe und 
Hasen im Walde, als er „schießt“, sie 
fräßen sogar alle Waldbäume ratzebahl. 
Aber so ist das nur Jägerlatein, das 
Hannerch voerzapft. 
Und Vogelstellen. Er weiß alle 
Dogelnester darum und dadum. Und 
dazu führt er noch manchen Schabernack 
mit seinen Genossen und Genossinnen aus. 
Du, Leisewit, dort in der Hecke ist ein 
Heckesteßeschnääst (Heckenstõßersnest), 
villst du's mal sehen?“ Das arglose Ding sagt erfreut: „Ja, 
Hannerch“. Hannerch biegt die Hecke auscinander und faßt Leisewit 
hinten am Kopfe, und als das nun so recht neugierig in die Hecke 
schaut, da stößt er's, der Taugenichts, mit dem Freudengeheul: 
Hechestesseschnããst, Heckestesseschnääst!“ in die Hecke. daß ihm das 
Feuer aus den Augen sprüht. 
VDier Wochen hat nun Hannerch als Gänsehirte seines Amtes 
gewaltet, ist auch inzwijchen manches Mal nach Brennesseln aus- 
gewesen. Zuletzt hat er ganze „Trächte“ nach Hause getragen, 
und die sind alle durch die Gänsedärme gegangen. Aber nicht 
umsonst. Die Ginsel sind dabei ausgcinandergegangen wie frische 
Wecke. Da sagt die Mutter: „Sie sollen heute auf die Weide“. 
Hannerch „reibt mit aus“ und geht auch mit an den Tümbel, 
wo die große Herde versammelt ist. Anfangs geht's auch hier 
aicht ohne Gezänk ab zwischen den einzelnen Gänsefamilien. Aber 
Hannerch schafft Ruhe mit seiner Gerte, und wenn alle Riemen 
eeißen, dann springt sein Gääns dazwischen. Den hat er mit Brot⸗ 
orocken gepfropft, die in Branntwein getaucht waren, und so trainiert, 
ijt mit dem Gaäns nicht zu spaßen. Er erwoist sich allen seinen 
Befährten ũberlegen und wird von ihnen, wenn auch widerwillig, 
eejpebtiert, zur größten Freude für Hannerch. 
Der staͤchelt ihn oftmals sogar zum Sweibampfe an. Sobald 
sich nämlich ein andrer Gääns zeigt, schlägt er mit den Armen 
vie mit zwei Flügeln, bis sein alter Gääns in Wut gerät und 
lindlings auf den Gegner losstürzt. Es kommt dann zu blutigem 
RKingen. Das dauert, bis der Geschlagene, die Flügel hängend, 
ilig abzieht. 
Das ist Hannerchs größte Freude, und der Gääns der wird 
gefüttert, was hast du, was gibst du, daß er sie alle miteinander 
lattchen Lann. 
Endlich schlagen die Ginsel Kreuze, das will sagen, die Schwung- 
edern sind ihnen jo lang gewachsen, daß sie breuzweise ũbereinander 
ãngen. 
Dann bommt endlich der Gänse schönste Seit, sie ziehen in die 
Stoppeln und füllen sich die Kröpfe, daß sie faustdick zur Seite stehen. 
Schon können sie fliegen. Als ob der Böse in sie gefahren 
ei, so führen sie auf einmal ein Gegack auf, und brel dort sind sie 
mit lautem gack⸗gack hin! Manch eine 
erliert dabei die Richtung und steuert 
acks gegen ein Haus oder gegen einen 
Baum, daß sie als Leiche zur Erde purzelt. 
So hat Martini (11. Nopember) die 
Herbstaugen aufgeschlagen. Die Gänse 
jaben in der Seit der jungen Saat auf 
dem „Strutfeld“ zugesprochen und das 
eden Tag. Wer die Gänsesprache ver⸗ 
teht, kann's deutlich von ihnen hören: 
„Auf 'm Strutfeld, da wächst das beste 
ür den Gänseschnabel“. 
Die Mutter meint: „Hannerch, heute 
joll eine dranglauben!“ und der Vater 
wetzt das Messer haarscharf und hebt 
eine „Stoppelgans“ nach der anderen 
auf, sie mit Kennermienen musternd. 
Endlich ist's die, die er für die schwerste 
hält. AUnd die haucht dann ihre Gänse—- 
eele aus. 
Das war am Sonnabend gewoesen. 
DAm Sonntagmittag nach der J. Kirche 
itzt die ganze Familie um den weißen 
Ahorntisch und ißt Gänsebraten nach 
herzensiust. Hannerch erhält „Paris mit 
Umgebung“ (ein Bein mit dem darum— 
zerumsihenden Fleisch) als besondere 
Belohnung. 
Ja, wärest du doch auch als Gast 
dabeil. 
Heimat und Volkbsgesundung 
ind unzertrennbare Begriffe, eng miteinander 
»erwachsene Angelegenheiten der ganzen Nation. 
Deutschland 
sst weiter nichts geblieben als Ding und Begrijf 
der Heimat, vielgestaltig zwischen den Alpen 
und dem Meere. Damit aber ist ihm doch auch 
das Beste 
zeblieben, die lebendige Grundlage seines Lebens. 
Am Born der Heimat 
rann und soll das deutsche Volk genesen, von 
—X—— 
vpinden. — Hierzu dient ihm vor allem anderen 
die heimatliche Dichtkunst, 
deren Pflege und Verbreitung eine Kulturaufgabe 
von hochabtueller Bedeutung ist. Darum wirke 
jeder 
nit, die Heimat-Literatur zu verbreiten und zu 
ördern. Für unser geliebtes Hessenland 
»at sie jetzt ein Sammelbecken gefunden in den 
— 
Heimatschollen⸗ 
Süchern 
ie geeignet sind, dauernde Freude und Erquickung 
n jedes hessische und deutsche Haus zu bringen. 
Darum: helft dem Volkbe, indem ihre es mit den 
geistigen Werten der Heimat vertraut macht, in⸗ 
dem ihr ihm die „Heimatschollen-Bücher“ in die 
hand gebt, aus denen es zweierlei vor allem lerne: 
Lebensmut und Lebensfreude! 
Höher hinauf! 
VDon Wilhelm Sunbel. 
Tief unter der Erde in einem dunklen 
veichen Moosbettchen lag ein kbleines 
Vesen. Still und ruhig träumte es dort, 
n ein schühendes Kittelchen gehũllt. Es 
räumte von der Seit, da es noch im 
leinen Ei gewohnt hatte. Da hatte eines 
Tages eine wunderbare Wärme das 
weiße Eichen durchzogen, es ward lebendig 
in dem zarten Gebilde, und ein kleines 
bewegliches Wesen kroch hervor. In 
er Nähe streckte eine Pflanze ihre Würzelchen ihm entgegen, 
ie es begierig benagte, da sie ihm eine willkommene Nahrung 
oten. Bald war es nicht mehr zufrieden mit den Wurzeln; hier 
agen schöne weiße Knollen, dort prächtige rote, diese mußte es 
ersuchen, und sie mundeten ihm vortrefflich. Es hatte gute Kost, 
iberall war eine reiche Tafel vor ihm und den Brüdern aus- 
ebreitet; denn ihm zur Seite lebten noch andere seines Ge— 
hlechtes. Aber es war so dunkel, so finster da unten, das gefiel 
ym nicht lange; denn ties im Herzen lebte ihm ein heißes Ver⸗ 
ingen nach freier Luft und sonnigem Licht. Die andern hatten 
s ausgelacht, wenn es davon sprach, daß es noch eine andere Luft 
ãbe, als hier unter der Erde. Sie hatten es einen Träumer 
senannt und ihm gesagt: „Laß dirs nur gut schmecken; was hoffft 
u auf eine bessere Welt? Hier sind Freuden für den Magen in 
»ülle und Fülle.“ Aber das bleine Wesen war ruhig und unbekümmert 
beiter gegangen; seine Brust war erfüllt von der jeligen Hoffnung 
uuf eine höhere Welt voller Licht und Leben und Wonne. 
VOon der langen Wanderung war es endlich müde geworden 
ind hatte sich ein Schlafkämmerlein von Lehm und Sandlügelchen 
ereitet und ein Moosbũschel unter seinen bleinen Kopf gelegt, da 
uhte es so sanft und sjüß wie ein Kind im Arm der lieben Mutter. 
Und in seinem besten Schlummer träumte es von der schönen 
zukbunft, die noch vor ihm lag mit ihren Wonnen und Freuden,
	        
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