Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

ergeben, an deren Busen es eratmen wollte. Der Hofmann und 
Hofling hatten schon in den vorhergehenden Jahrzehnten mit ihr 
Serũhrung gejucht, was zur Pflege der großen Schloßgärten führte. 
Damals hatie der schöpferische Geist des Landgrafen Karl die von 
der Fulda umflossene Aueinsel in einen Lustgarten verwandelt. 
Nun, die reichen Grundherren ahmten, was sie in der Kesidenz 
Jejehen, nach. Es liegt nicht zu ferne, daß die Wallensteins, die 
n Homberg Haus und Grundstücke besaßen. damals ihre Gärten 
anlegten. Der Stiftsgarten weist die Sahl 1750 auf. Das ist die 
erste Sahl, die uns auf den Türen begegnet. Diese gehören einem 
Typ an, den ich den Würfelthp nennen möchte. Auf schlanben, 
iettantigen, mit einfachem Sierat versehenen Säulen ruht ein 
neheflächiger Würfel. Wir begegnen ihm mehrfach, allein an der 
aßeler Straße fünfmal (Walther, ehemals Büttner, ehemals 
Schirmer, ehemals Köhler und gegenüber dem Felsenkeller), ein· 
mal am Molbereigarten, in den Gassen, die vom Obertor zum 
Schloßberg und Erleborn führen und auch sonst, vorzũglich in den 
Jahren 1750, 1755, 1751, 1765, 1112 und 374. Der jũngste Stein 
sleht an der „Sinde“ (Wisbemann). Er stimmt nur in dem Würfel 
böllig mit der älteren Art überein und weicht vor allem darin von 
ihr aͤb, daß er nicht nur eine Jahreszahl trägt, 1805, sondern auch 
noch die Anfangsbuchstaben des Besiters: C. R. Er ist aljo ein 
Nachläuser. Wir haben also eine erste datierbare Keihe von 
1750. I774. Sie lassen erbennen, daß die Freude am gesicherten 
Sesitz gestiegen war; man wagte es, ihn zu schmücken, da die Mög⸗ 
lichkeit vorhanden war, ihn den Nachkommen unversehrt zu vererben; 
man konnte es auch, da man wieder zur Wohlhäbigkeit gelangt 
war. So sind die ratsfähigen Geschlechter einander in der Herrichtung 
hrer Gärten gefolgt. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß damals 
zuch die bleinen Gartenhäuser erbaut wurden. Von den achtziger 
Jahren bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts begegnen wir 3 Typen: 
Kasinogarten 1786, in Verzierung gleich A, doch in eine flache 
Spihphramide auslaufend, 2. einen Kugeltyp und 8. einem, dem 
sch das Tor in Hunsieinsgäßchen, des Hardtschen Gartens (1185) 
in der Knippsgasse, das des Fischerschen am unteren Stellbergweg 
ind das eines Gartens am Erlebornsweg (1781) zurechne. Von 
dem Kupeltyp führe ich an Fleischhut und Most an der Siegenhainer 
Straße und Dithmar in der „vorderen Blanke“. Während jene, 
vie auch der vormals Buddesche, jetzt Braunsche Garten, der wohl 
quch in diese Zeit zu setzen ist. meist ohne Namen und Sahl sind. 
veisen sie außer der Sahl auch noch Namensanfänge auf, so der 
dithmarsche 5 Sie sind die sprechendsten Seugen des 
esteigerten Selbstgefühls. Sich sebst zur Freud und Augenwoeide 
alte man den Garten schön hergerichtet, doch auch zu der Nach- 
ebenden Nutzen und Lujst, warum sollten sie nicht immer den Namen 
es Ahns am Pjfortlein lesen! Alles verrãt einen gewissen Luxus. 
fr mußte verschwinden, als unter den Weststürmen von Franbreich 
ser die alte Herrlichkeit zusammenbrach. Die westfälische Seit 
wang den Bürger in Hessen zu großer Sparsambeit. Die Gärten 
erraen es. Kein Tor aus diesen Jahren. Erst aus 1814 ver- 
nag ich wieder eins zu verzeichnen in der Knippsgasse: H. B. Danach 
bieder nichts bis 1824. Don da ab, besonders in den dreißiger 
ind vierziger Jahren, sind sie wieder zahlreicher. Die Seiten nach 
en Befreiungslriegen waren schlecht. Handel und Wandel lagen 
arnieder. Und wie sich das Bürgerhaus nach außen und innen 
nit der nüchternsten Ausstattung begnügen mußte, so erst recht die 
härkten. Um 1830 aber haͤtte sich die deutsche Wirtschaft wieder 
rholt und das gibt sich äußerlich auch bei uns Lund. Doch was 
eht ersteht, Lann einen Dergleich mit dem 18. Jahrhundert nicht 
shalten. Wie schrecklich einfach, nur hin und wieder ein bescheidenes 
Felief, aber niemals eine schöne Bekrönung wie vormals. 
Auffällig ist die geringe Sahl der Steine mit Namen und 
zahl nach 1880. Mir sind nur 6 bebannt, im großen und ganzen 
nit denen der vorhergehenden Jahre ũbereinstimmend. Das reichst ver- 
zierte Tor ist das mitf den Blumen im Topf auf der Sinde (W. F. 1855). 
Nach 1908 (unterer Stellbergweg) hört die Bezifferung auf. 
Heute, wo die Gärten insolge der Knappheit und Teuerung 
der Lebensmittel wieder sehr geschätzt werden, jollte man bei Neu— 
inlagen auf die alten schönen, stolzen Gartenpforten als Vorbild 
urũckgreifen. Das wäre eine der Anregungen, die diese aus Freude 
in der Heimat entsprungene Susammenstellung geben möchte. Ich 
denke noch an anderes. Die alte Stadt am Berge birgt sicher noch viel 
ius ihrer Vergangenheit, was Verfasser, der seit seinem 14. Lebens- 
ahr uur vorũübergehend in ihr weilen bonnte, unbekannt ist. Jetzt, 
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deimatkbunde eigene Seitschrift besitzen, sollten alle Wissenden das 
hnen Bebannte einem weiteren Kreise dienstbar machen. Gerade 
ins Hombergern in der Fremde würde dadurch das altvertraute 
heimatbild nähergebracht werden. 
—4 
Auf Heimatwegen. 
Plauderei über die Flurnamen 
der Gemarkung Kirchhain— 
VDon Aua. Knoch-Kirchhain. 
Sie dort unten im Wiesengrunde sehen. Sitt der nicht so recht 
— 
ja“, ergänzte er. „Im Riedstrauch, da rechts unten ist es auch 
recht naß.“ 
„An Wasser erinnern wohl auch die vielen Erlennamen. 
Da haben wir u. a. die Jabobserle und die Brießelseele.“ „Im 
veiten Wiesengrunde da unten weiß ich Bescheid“— sagte er. „Da 
abe ich jchon manche Fuhre Heu und Grummet herausgefahren. 
Ja, da isi's manchmal noch im Hochsommer sehr naß. Das jagen 
nir ja schon Namen wie: Teichwiesen, Furt und Bornwiesen, am 
fluß, in der Au, auf der Trift, an Brunkbelsborn, am Netßpfad.“ 
„Halt, da haben Sie zuletzt einige Namen angeschnitten, die 
varen mir immer sehr interesjant. Beim Brunbelborn denke ich 
mmer an Brink, d. h. Brunnen. Wier sagte auch einmal eine Frau 
n Langenstein bei Regenwetter: „Es ij' so brunbelig Werrer!“ 
Sie sehen, daß das Brunbeln immer auf Wasser hindeutet. VDiel⸗ 
eicht hören wir da auch so einen Unterton von quellen und 
nurmein aus dem schönen Worte heraus. „Möglich“, meinte er. 
Ich höre und spreche das Wort auch immer so gern, es klingt so 
ief und voll wie Quellenrauschen.“ 
„Auch das Wort Trip kbommt hier viel vor. Wahrscheinlich 
jt damit der Auftrieb der Tiere gemeint. An anderen Orten 
pricht man ja vom Siegentrip. 
Netzpfad bedeutet wohl nasser Pfad. Bebanntlich ist dieser 
Rad sehr rasig und da benetzt man sich im Tau und bei Kegen- 
better leicht die Schuhe. Da links im Tale der große Einzelhoj 
eißt ja die „Netz“. Da waren früher große Fischteiche, die dem 
zunker Hans von Dörnberg gehörten. Da ist der Name leicht 
—A — 
SBei Namen wie: Watzelwiese. Keiterspfad, Hartmannsloch, 
Matheswiesen, Eimerswiesen und Frankort hören wir wohl meist 
»en Namen des fräheren Besitzers heraus. 
Wolfslappen könnte vielleicht auf die Wölfe hinweisen, die 
rũher wohl auch in unserer Gegend hausten. 
In Frankort weist die Nachsilbe Ort auf Ecke hin. Denn die 
Stfadt an allen Orten anzünden. hieß so viel. als sie an allen Ecken 
GSchluß.) 
„Doch damit Sie sich einigermaßen zurechtfinden, ich sehe ja, daß 
Sie sehr interessiert sind, will ich Ihnen noch allerlei von unseren 
Semarkungsnamen erzählen und ihre Bedeutung blar zu machen 
ersuchen“ „Das würde mich sehr freuen“, meinte der biedere 
Alie. „Ich sagte Ihnen ja schon eben, daß die Flurnamen oft ein 
hohes Alter aufweisen und sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt 
haben. Sie sind oft so ali, daß ihre Bedeutung ganz unblar ist, 
vbeil der Sprachgebrauch ähnliche Wörter gar nicht kennt. Was 
sagen Sie z3.B. zu Haderwiesen? An Hader denbkt dabei wohl 
mancher. Ich glaube aber, daß dieses von einem uralten Worte, 
rãmlich Harro, das ist Sumpf, herbommt; denn die Leute sagen 
och meht Harrowiesen. Die Mundart zeigt uns aber viel richtiger 
die Grundbedeutung an, als das so oft verunstaltete hochdeutsche 
Worfk. Zudem sind ja diese Wiesen bebanntlich sehr sumpfig. 
Viele Gewannebezeichnungen weisen auch auf Wald hin, denn 
ehemals war alles hier herum mit Wald bedeckt. Das sind nament- 
sich Susammensetzungen mit Hecke, Holz, Struth, Busch, Staude 
und Strauch. Da haben wir ja die heimliche Hecke, auf der langen 
Hecke, Oberstruth und Anterstruth. Struth bedeutet übrigens 
Niederwald oder Buschwald. Ferner denben Sie auch an Ried- 
strauch, Pfaffenstrauch, vor der Staude, im obern Hain, vor den 
Hainen und hinter den Hainen und an die Hainwiesen. Letztere sind 
Janz nahe bei unserer Stadt“. „Eichhänschen, Heppenstumpf, lichte 
Eichen, Hieschwinkel, das wird wohl auch so etwas andeuten“. warf 
er ein. „Ganz gewiß“, antwortete ich ihm. 
„Weitaus die meisten derartigen Namen in unserer großen, 
wasserreichen Ebene weisjen aber, und das ist wohl ganz natürlich, 
auf Sumpf und Wasser hin. Da haben wir 3. B. die alten, 
eßt nicht mehr gebräuchlichen Silben Ried, Käth und Rad. 
Denkben Sie nur an den HSof Radenhausen. also Sumpfhausen, den
	        
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