Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Handelsstraßen des Mittelalters bestehen noch heute. Von Cassel 
perlaufen die Nũrnberger, Leipziger, Hannoversche und Holländische 
Straße, eine nach Hagen und Düsseldorf, eine am Sudhang des 
Habichtswaldes nach Coln. 
Von Franbfurt führten zwei Straßen durch Hessen, die „durch 
die langen Hessen“* ũber Leimsfeld— Frielendorf ⸗Homberg. Sei 
Meljungen mündete sie in die Nürnberger Steaßeé, ein anderer 
Arm verlief über Kleinenglis — Fritzlar — Besse nach Cassel. Die 
Niederrheinische Straße fand in der direkien Verbindung von 
MDiera nach Siegenhain gegen heute eine Abbürzung. Die Steaße 
„durch die kurzen Hessen“ führte über Grünberg nach Thüringen 
ujw. Von Allendorf-Sooden führten alte Sälzerwege nach Koten. 
burg und Melsungen, die durch Kingwälle geschützt waren. 
AUber das Aussehen der mittelalterlichen Frachtwagen belehren 
uns die Bilder von Troßwagen der großen Keiegszüge. So sehen 
wir zunächst auf Abbildung 4 einen Troßwagen mit voreinander 
gespannten Pferden, wie er Mitte des 14. Jahrhunderts einen Sug 
ũber die Alpen nach Italien begleiten sollte. In der Konstruktion 
ähnelt er noch den alten Wagen der Völlerwanderung. Nur geht 
hier ein Pferd in der Schere, das andere ist vorgespannt, wie 
noch heute in unserem Rheingebiet üblich. Die Kader Zeigen noch 
die dem Scheibenrad naähebommende Speichung. Neben diejen 
zweirädrigen Gebirgswagen kommen auch vierrädrige Frachtwagen 
für Steinfuhren und schwere Lasten und, wie Abbildung 5 zeigt, 
auch für Personenbeförderung vor. Die gleiche Abbidung zeigl 
auch die Personenbeförderung zu Pferde, Hinter den Keilern 
folgen Fußgänger mit Lasten auf dem Kopfe und in Kotzen oder 
Kiepen. Weiter hinten traben zweiĩ Esel mit Gepäck. Die Keisenden 
sind fast durchweg bewaffnet. Die Troßwagen des 16. Jahrhunderts 
Abbildung 6) ahneln solchen und Frachtwagen der Neuzeit. Noch 
heute sieht man solche Faßwagen, Korb- und Kastenwagen unodͤ 
Wagen für Bretter und Langholz. Entsprechend der verschiedenen 
Ladung hatte man als Heer und Küstwagen, Troß und Bagage. 
vagen, Leiterwagen. Korbwagen, Kasten und Pritschenwagen fur 
Beschũtz⸗ Kugel· Pulver⸗, Gerãte·, Ponton⸗, Truhen⸗ und Fäser⸗ 
iransport. Die Lastwagen der Kaufleute unterschieden sich baum 
von ihnen. Als Bospannung tritt jeit dem 12. Jahrhundert für 
große Strecken nur noch das Pferd auf, das im Kummetgeschier 
ging. Entsprechend den Unebenheiten der Straße mußte man auf 
alle möglichen Unfälle gefaßt sein. Man führie deshalb Ersatz 
räder, Hebebäume, Winden, Bohlen und Kästenriemen mit, um 
teckengebliebene oder umgestürzte Fuhrwerbe wieder flott zu machen. 
Nicht beser erging es den Wagen für Personenbeförderung. 
Solange die Wegeé schlecht und holprig waren, ließen sich die 
Maänner von Pferden, die Frauen und Fürsten in von Pferden 
oder Maultieren getragenen Sänften tragen. Erst später wurde 
die in Riemen hängende Kulsche, der Personenpostwagen, die 
Diligence, der Omnibus, Landauer und das Kupé in Gebrauch 
genommen. Eine Keise im Mittelalter war ein hohes Wagnis, 
oft eine Keise auf Leben und Tod, für deren glückliches Gelingen 
man eifrig betete und sich dem Schutz des Himmels anvertraͤte. 
Auf alie Fälle tat man gut, vorher sein Testament zu machen. 
Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien war für den 
deutschen Transithandel von verderblicher Wirbung. Der vom 
Orient über Italien nach und durch Deuischland führende Handels. 
weg verödete, und der Glanz der oberdeutschen Handelsstädte 
schwand dahin. Die Hansa vermochte auch ihre Stéellung gegen 
den hollandischen und englischen Handel nicht zu behaupien uünd 
geriet in Verfall. Seit der Entdeckung Ameribas waren es Eng— 
land, Holland und später Amerika jelbst, die den Handel über 
See an sich rissen. Der 80jährige Krieq vollends vernichtefe den 
deutschen Handel gänzlich. 
Lange dauerte es, bis Deutschland sich von den Schrecken und 
Drangsalen des 80jährigen Krieges erholte. Englands Macht stieg 
und mit ihr sein Aberseehandel. Da trat Franbeeich als Kipale 
auf, und Napoleon verhängte gegen englische Waren die Kontinen— 
talsperre. Dieser Amstand hatte wieder zur Folge, daß die eng— 
lischen Häfen und Läger mit Handelsware überfüllt wurden, die 
dann nach Napoleons Sturz- sich lawinenartig auf die deutschen 
Märbte wälzte. 
Die alten Lastfuhrwerbe waren viel zu blein, diese Waren⸗ 
mengen zu transportieren. Man konstruierte wahre Ungetüme von 
Wagen, die auf den seit dem 18. Jaͤhrhundert angelegten Kunst- 
straßen, den Land- und Heerstraßen, die Napoleon zur besseren 
Kenntlichmachung hatte mit Pappeln einfassen lassen, leicht dahin⸗ 
fuhren, zumal sie gewöhnlich vier Pferde als Bejpannung hatten. 
Sei Wegesteigungen wurde Vorspann angenommen, der in den bei 
der Steigung, gelegenen Dörfern ständig in Bereisschaft stand. 
Der auf Abbidung J wiedergegebene Wagen ist einem alten 
Oeiginal aus einer der früheren Ausspannwirtschaften bei Fulda 
nachgebildet. Das breuzförmige Plantuch überspannt Kisten un 
Zasten mit dem verschiedenartigsten Inhalt auf den vorderen, seit⸗ 
ichen und hinteren Auslegern des Korbwagens, seitlich hängen 
futtersieb, Decken, Körbe, Futterkübel und Saterne. In der 
Viege liegen Winden und allerlei Handwerkszeug, starke Brems— 
orrichtungen und Hemmschuhe fehlen nicht. Daͤs Pferdegeschirr 
st überaus reich. An den Kummetgeschirren hängen bunte gefranste 
kücher und blinkende Messingplatten sind reichlich verwendet. Nur 
in Beauerei- und Mobelfuhrwerken kann man heute noch solche 
iberaus malerisch wirkbenden Pferdegeschirre sehen. Diese Fuhr—⸗ 
derle hatten die Aufgabde, die Deutschland ũüberschwemmende eng- 
ijche Handelsware von den Endpunketen der schiffbaren Flüũsse und 
en dort eingerichteten Lagerhäusern in Gegenden zu schaffen, die 
u Schiff nicht zu erreichen waren. Von der Ausdehnung dieser 
Vagen bebommt man einen Begriff, wenn man bedenkt, daß die⸗ 
2lben durch die alten Stadttore und Tortüren nur schwer oder gar 
icht hindurchfahren bLonnten. Manches wertvolle Benemal alter 
Zefestigungsbunst wurde deshalb abgebrochen und so ein Opfer 
es englischen Handels, der auch manche alte hessische Industrie, 
pie 3. B. die Leinenindustrie durch billige Konburrenz vernichtete. 
Möchte es nicht noch einmal ausländischer Konburrenz gelingen, 
insere heutige Industrie auf deutschen und auch auslaͤndisen 
Märkten gam zu verdrängen. 
Zur Heimatkunde der Stadt 
Homberg a—.d. Ejze. 
Don Dr. Wilhelm Schmitt-BSlankbenese 
Fortsetzung.) 
Wie das alte Gebäude bietet auch das neue eine Tafel, zwischen 
den beiden Eingängen etwa in der Mitte. Sie hat 2 Wappenbilder, 
iberschrieben „von Wildungen“ und „Godik“, und folgenden Schriftsatz 
ànin)o Dom)ni 1575 die decimo nono mensis octohris 
tlans & Wildungen huius hospitalis patronus in Cristo 
obdormuit Annso Doimi)ni 1570 die decimo Sexto mensis 
Decembris Cordula uxor eĩus pie ex hac vita decessit. 
Ossa horum duorum conjugum 
Hisce duobus saxis teguntur. 
—. Im Jahre des Herrn 1515 am 19. Obtober ist Hans von 
Wildungen, dieses Hospitals Patron, in Christus entschlafen. Im 
jJahre des Herrn 1516 am 16. Dezember schied seine Gaktin Cordula 
romm aus diesem Leben. Die Gebeine diejer beiden Eheleute 
verden von diesjen beiden Steinen bedeckt. 
Es ist anzunehmen, daß diese Sierplatte von einem Grabe der 
8oh abgebrochenen Hospitalskirche stammt. Der zugehörige Grab⸗ 
chlußstein hat sich auch erhalten. Er ist eingemauert in ein Haus— 
intergeschoß gegenũber der Dönchischen Werbstätte am St. Nibolaus- 
latz. In den roten Sandstein sind die obenerwähnten Wappenbilder 
ingemeißelt; rechts ist der edle und gestrenge Herr Hans von 
Pildungen und links seine fromme Eheliebste Cordula in Stein 
jehauen. Beide Bilder sind gut ausgeführt und wohlerhalten. 
Nach Estors Marburger Beiträgen S. 250hat Hans von 
VBildungen 1531 Hochzeit gehalten, ward 1549 zum Schöffen gewählt 
S. 255) und war 1574 zusammen mit Daniel Wilbelm Sreitrüdk 
Bũrgermeister (S. 256). 
Daß bald nach dem 30 jährigen Kriege auch in der „Freiheit“ 
vieder gebaut wurde, beweist das Haus Ar. 20 in der Langen- 
traße. Auf dem Balben über der Haustür steht in garoßen 
ateinischen Buchstaben: 
Gottes Güt und Trew 
vcheinen allen Morꝗgen new 
10 56. 
Von den vielen Steinen der Terrassenbauten der Schul— 
höfe und gärten kann uns jetzt nur noch einer fesseln. 
In dem Stück des Aufgangs von der Lateinschule zum Schul⸗ 
ofe eingelassen, zeigt er auf einem Schilde zwei gebreuzte Schlũssel. 
dielleicht stammt er von einem Burgsitze derer von Falbenberg, 
ie in, unserer Stadt ein Haus besaßen, wie sich aus Landau 
Kitterburgen II 05 ergibt. Ihr Wappen eidte zwei schwarze 
Schlüssel in silbernem Felde. 
Hiermit verlassen wir das Stadtinnere. Sur Schloßruine 
rauchen wie nicht hinaufzusteigen. Sie hat weder Sapl noch 
Inscheift. Eine Kuͤpfertafel aus 1508, ehemals an dem Neubau, den 
on 1504 - 1508 Erzbischof Hermann von Coln, ein hessischer Land⸗ 
jraf, dem Homberg als Leibgedinge (Apanage) zugewiesen war, 
eranlaßte, befindet sich im Casseler Museum (Besper 6. 57). 
Dagegen geben uns die Steine und Eisenkreuze auf dem alten 
friedhofeh) vor dem Westheimer Tore diesen und jenen Namen, 
) Estor, Marburger Beiträge S. 256: 1580... haben die Hoerren die garten zum 
egräbnis vorm Westheimer thor bekommen: val. auch Vospers61
	        
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