Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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„eimat· Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbkunst 
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Die Königin 0 Von Georg Ploch. Son 
Wieder war es Frühling. Wieder ließen die Jungen 
die Kreisel tanzen, und die Mädchen spielten unermüdlich 
BSall und sprangen Seil. Wie immer wurde im Reigen 
gesungen, wie immer spielte der Türmer seine Lieder. Singende 
Mädchen, schreiende Buben, bellende Hunde, zwitschernde 
Vögel, gaukelnde Schmetterlinge, summende Käfer — alles 
war fröhlich wie immer in der Frühlingszeit. Deutlicher als 
sjonst stand Gertraude vor Augen, wie sie ihn an einem 
Frühlingsabend zum ersten Wal gesehen, und schwerer wurde 
es ihr in dieser Seit, keinen Schmerz aufkommen zu lassen 
und den Glauben und die Hoffnung zu bewahren. 
Ein Brief wurde ihr ins Haus gebracht, und einen 
Augenblick schwebte sie in der größlken Hoffnung... Dann 
sah sie, daß es nicht seine Handschrift war, und mit geringer 
Teilnahme öffnete sie den Brief. And doch stieg beim Lesen 
eine flammende Röte in ihr blaß gewordenes Gesicht. Dann 
legte sie gerührt den Brief hin und schüttelte sinnend den 
Kopf. Herr Weilandt hielt um ihre Hand an! So treu— 
—— 
lachen konnte wie früher. Es war alles so echt und auf- 
eichtig, was er ihr sagte. Aber sie bonnte ihm nur eine 
Antwort geben: sie liebte nur den einen, und wenn man 
ihr sagte, daß er treulos sei ... ob man recht hatte oder 
nicht, sie wollte ihm die Treue halten. Ihrem Vater verriet 
sie von der Werbung nichts. Er hätte sie gegen ihren 
Willen nicht zu der Heirat gedrängt, das wußte sie, aber 
er hätte versucht, ihr die Liebe zu Hans auszureden. Er 
mochte lieber denben, sie habe ihn vergessen, da sie niemals 
mehr von ihm sprach. Gertraude antwortete Herrn Weilandt 
freundlich und dankbar, aber ablehnend. Niemand im Städtchen 
ahnte etwas von dem, was zwischen den beiden vorging; 
Hertraude erzählte es auch ihrer Freundin nicht. und Herr 
Weilandt hatte erst recht beine Ursache, davon zu reden. 
Er merkte leicht, daß sie unaufgefordert das Geheimnis 
bewahrt hatte, denn niemals machte man in seiner Gegenwart 
die geringste Anspielung, und er achtete sie wegen ihres 
Schweigens nur noch höher. J 
In Gertraudes Wesen war ein Wandel eingetreten. Sie 
chien nicht traurig, aber überschwengliche Freude war ihr 
remd geworden. Selbst ihr Lächeln war ernst. Sie besuchte 
richt mehr die Vergnügungen der Jugend, sie verbehrte nur 
nit der Freundin, und sonst war sie die treue Begleiterin 
hres Daters. Es hatte einmal eine Seit gegeben, wo er 
Sonntags allein in den Garten und auf den Friedhof ging. 
3wischen den Gräbern traf er stets einen anderen alten 
Mann, der auch hier oben unter den hundertjährigen Linden 
zwiesprache hielt mit den Toten. Dann unterhielten sie 
ich von der alten Seit und kehrten traurig und nachdenklich 
pieder nach Hause zurück... Jetzt heiterte Gertraudes 
Hegenwart den alten Mann auf. Vergeblich bemühte er 
ich in der ersten Seit, sie zu überreden, die Gesellschaft 
unger Mädchen und Männer zu suchen, aber es tat ihm 
iuch wieder wohl, sie stets bei sich zu sehen; und sie war 
mmer so gleichmäßig heiter, daß er ihr nicht zuwider sein 
vpollte. Mit so viel zärtlicher Aufmerbsamkeit umgab sie ihn, 
)aß er die jahrelange Trauer und die zähe Wortbargheit 
yon sich abschüttelte und sich selber wieder jung vorkam. 
Aber als das Verhältnis zwischen Vater und Tochter am 
chönsten war, warf ihn plötzlich eine Krankheit darnieder. 
Vochenlang pflegte ihn Gertraude mit aufopfernder Sorgfalt. 
Dann schien er sich wieder zu erholen, sodaß sie schon 
Hoffnung schöpfte; er aber fühlte sein Ende und sorgte sich 
um ihre Sukunft. Sie beruhiagate ihn und sagte. daß
	        
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