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„eimat· Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbkunst
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Die Königin 0 Von Georg Ploch. Son
Wieder war es Frühling. Wieder ließen die Jungen
die Kreisel tanzen, und die Mädchen spielten unermüdlich
BSall und sprangen Seil. Wie immer wurde im Reigen
gesungen, wie immer spielte der Türmer seine Lieder. Singende
Mädchen, schreiende Buben, bellende Hunde, zwitschernde
Vögel, gaukelnde Schmetterlinge, summende Käfer — alles
war fröhlich wie immer in der Frühlingszeit. Deutlicher als
sjonst stand Gertraude vor Augen, wie sie ihn an einem
Frühlingsabend zum ersten Wal gesehen, und schwerer wurde
es ihr in dieser Seit, keinen Schmerz aufkommen zu lassen
und den Glauben und die Hoffnung zu bewahren.
Ein Brief wurde ihr ins Haus gebracht, und einen
Augenblick schwebte sie in der größlken Hoffnung... Dann
sah sie, daß es nicht seine Handschrift war, und mit geringer
Teilnahme öffnete sie den Brief. And doch stieg beim Lesen
eine flammende Röte in ihr blaß gewordenes Gesicht. Dann
legte sie gerührt den Brief hin und schüttelte sinnend den
Kopf. Herr Weilandt hielt um ihre Hand an! So treu—
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lachen konnte wie früher. Es war alles so echt und auf-
eichtig, was er ihr sagte. Aber sie bonnte ihm nur eine
Antwort geben: sie liebte nur den einen, und wenn man
ihr sagte, daß er treulos sei ... ob man recht hatte oder
nicht, sie wollte ihm die Treue halten. Ihrem Vater verriet
sie von der Werbung nichts. Er hätte sie gegen ihren
Willen nicht zu der Heirat gedrängt, das wußte sie, aber
er hätte versucht, ihr die Liebe zu Hans auszureden. Er
mochte lieber denben, sie habe ihn vergessen, da sie niemals
mehr von ihm sprach. Gertraude antwortete Herrn Weilandt
freundlich und dankbar, aber ablehnend. Niemand im Städtchen
ahnte etwas von dem, was zwischen den beiden vorging;
Hertraude erzählte es auch ihrer Freundin nicht. und Herr
Weilandt hatte erst recht beine Ursache, davon zu reden.
Er merkte leicht, daß sie unaufgefordert das Geheimnis
bewahrt hatte, denn niemals machte man in seiner Gegenwart
die geringste Anspielung, und er achtete sie wegen ihres
Schweigens nur noch höher. J
In Gertraudes Wesen war ein Wandel eingetreten. Sie
chien nicht traurig, aber überschwengliche Freude war ihr
remd geworden. Selbst ihr Lächeln war ernst. Sie besuchte
richt mehr die Vergnügungen der Jugend, sie verbehrte nur
nit der Freundin, und sonst war sie die treue Begleiterin
hres Daters. Es hatte einmal eine Seit gegeben, wo er
Sonntags allein in den Garten und auf den Friedhof ging.
3wischen den Gräbern traf er stets einen anderen alten
Mann, der auch hier oben unter den hundertjährigen Linden
zwiesprache hielt mit den Toten. Dann unterhielten sie
ich von der alten Seit und kehrten traurig und nachdenklich
pieder nach Hause zurück... Jetzt heiterte Gertraudes
Hegenwart den alten Mann auf. Vergeblich bemühte er
ich in der ersten Seit, sie zu überreden, die Gesellschaft
unger Mädchen und Männer zu suchen, aber es tat ihm
iuch wieder wohl, sie stets bei sich zu sehen; und sie war
mmer so gleichmäßig heiter, daß er ihr nicht zuwider sein
vpollte. Mit so viel zärtlicher Aufmerbsamkeit umgab sie ihn,
)aß er die jahrelange Trauer und die zähe Wortbargheit
yon sich abschüttelte und sich selber wieder jung vorkam.
Aber als das Verhältnis zwischen Vater und Tochter am
chönsten war, warf ihn plötzlich eine Krankheit darnieder.
Vochenlang pflegte ihn Gertraude mit aufopfernder Sorgfalt.
Dann schien er sich wieder zu erholen, sodaß sie schon
Hoffnung schöpfte; er aber fühlte sein Ende und sorgte sich
um ihre Sukunft. Sie beruhiagate ihn und sagte. daß