Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Zeitjche. angeführt, Band 49 S. 188 veröffentlichte, darauf auf- 
nerbsam, daß magister fabricae nach dem Sprachgebrauch jener 
Zeit nicht den Werb(Bau)meister bezeichnet, jondern den Verwalter 
er Kirchenbaukbasse, der fabrica ecclesiae Kirchenfabrib, über deren 
Zusammenjsetzung und Befugnisse der Wißbegierige im Konversations- 
lexilon das Notwendige findet, z3. B. Brockhaus (18904) BSd. X 
5. 3582. Wie Küch am angeführten Orte mitteilt, ist Heinrich 
von Hejerode in dieser Seit auch als Mitglied des Homberger 
Schösffenkbollegs nachweisbar, und bringt als Beweis herbei eine 
Urkunde der Homberger Familie BSischof vom 21. Obtober 1319 
mit dem Siegel Heinrichs von Heserode. Küch ist der Meinung 
— und ihm als einem der besten Kenner hoessischer Geschichte dürfen 
wir getrost fjolgen —, daß Tile von Frankenberg die Steinmetz- 
arbeiten am Homberger Turme zuzusprechen sind. Dieser Tile ist 
der Hersteller der Steinmetzarbeiten der „berühmten“ Liebfrauen- 
kapelle an der Frankenberger Kirche, einem bleinen Werke, an 
dem der volle Glanz der Hochgotik entfaltet ist; eigentlich das 
einzige Mal in Hessen. Käüch stellte folgende Werbe zusammen, 
die Tile oder „wenigstens“ seiner Schule zuzuschreiben sind: Licb- 
rauenbapelle in Franbenberg, Homberger Turmportal, Pfarrkirche 
zu Warburg und die Burg Hermannstein vor den Toren Wetlars. 
Die über dem erwähnten Steine angebrachte Tafel stammt 
aus der Seit der Philippsfeiern des Jahres 1904. BSei ihr brauchen 
vir nicht zu verweilen; sie ist ohne weiteres verständlich und von 
Hesper S. 60 f. genau beschrieben, auf den ich verweise. 
Im Turm steigen wir auf einer steinernen Wendeitreppe zum 
Lãuteboden“, weiter zum „Glockenboden“ und schließlich auf den 
Altan, der von einer zopfigen Galerie umhegt ist. Die steinerne 
reppensjäule weist ein sich wiederholendes Steinmeßenzeichen auf, 
ut erbenntlich in den letzten Partien. Auf dem Altan erhebt 
ich ein achteckiger Aufbau, in dessen unterem Teile sich früher das 
tzt im „Läuteboden“ aufgestellte Uhrwerk befand. Eine Holztreppe 
ührt zur Turmwächterwohnung. Der Turm und seine Wächter, 
iber deren Rolle in der Homberger Sage VDesper S. 122 nach— 
ulejen ist, hatten es unserem Ludwig Mohr angetan. In, Kot-Weiß“ 
nd sie Träger einer Episode; um ihn ranbt sich aber auch die schöne 
⸗ʒoldatengeschichte „Kevanche für Speierbach“, die Liebesgeschichte 
es Kantorsohnes Fritz Hellwig und der Turmwächterstochter Agathe 
Nerbel, eine Erzählung, die die Mohrsche Sammlung „Altes Schrot 
ind Korn“ einleitet, die der Dichter 1884 zum Besten der Tũrme 
er St. Wartinskirche zu Cassel bei Ernst Kleimenhagen herausgab. 
deute steht die Wohnung, Küche und 3zwei Simmer, leer! Hoͤher 
inauf wird's lebensgefährlich, ich warne Neugierige; aber auf den 
Umgang, zu dem man von der „Merbelschen“ Wohnung gelangt, 
ann man sich getrost wagen. Das Turmdach bilden Schieferplatten. 
(Fortsetzung folgt.) 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Alte Lieder. 
VDon O. Stückrath. 
die Stadt wird zur Plünderung freigegeben. Von Charleville geht's 
weiter nach Mezieres, von dem es in der Schlußstrophe des Liedes 
heißt: AUnd als wir kamen vor Mezieres, 
Da gings ein wenig döller her, 
Da wurd gefeuert, daß 's blitzt und bracht, 
Ans Plündern ward garnicht mehr gedacht. 
Die Ausziehenden sind sich bewußt, für wen sie Lämpfen, und 
o heißt es in einem anderen Liede, das in seinem Eingang die 
armen Mädchen beblagt, die nun keinen Mann bekommen: 
Für Dater, Mutter, Weib und Kind 
Ziehen Jäger wir ins Feld, 
Seht, wie die tapfern Hessen stehn, 
Der Jäger Ruhm wird nie vergehn, 
Der Jäger bleibt geehrt. 
Frisch, Jäger, drauf und weichet nicht, 
Faßt euch einen frischen Mut, 
Wenn dann die Schlacht gewonnen soll sein, 
So marschieren wir wohl ũüber den Rhein 
Ins deutsche Daterland. 
Die Büchse kbnallt, das Horn erschallt, 
Es leben die Jäger hoch; 
Mir wollen beine Jäger sein, 
Venn der Franzose soll über den Rhein, 
Frijch auf und feuert frisch. 
Die Schlußstrophe wendet sich noch einmal an die in der 
Eingangsstrophe bedauerten Mädchen: 
Ihr Mädchen, jaunzt und weinet nicht, 
Die Jäger leben noch. 
Der liebe Gott wird bei uns sein, 
Das steht euch armen Mädchen fein: 
Die Jäger leben noch. 
Seser als ein dickleibiges, wissenschaftliches Buch, besser als 
die gelehrteste Abhandlung geben Briefe, Tagebücher, Keime und 
Lieder einfacher Menschen ein Sild vergangener Seiten. Es erscheint 
nicht nur das äußere, tatsächliche Geschehen, sondern die Gemüts— 
hewegungen, die es hervorbrachte, werden blar, die nackten Ereig- 
nisse ziehen das Alltagskleid des Menschen an, der mit ihnen in 
dieser oder in jener Weise fertig werden mußte. Unser Volk hat 
von jeher geschichtlichen Sinn; eine schnellebige, neue Seit hat 
dielleicht hier und da Wandel geschaffen, aber es gibt auch noch 
unendlich DViele, die mit Treue und Bedachtjamkeit wenigstens das 
aufheben, was für die Geschichte der eigenen Familie und damit 
sür die Geschichte der engeren Heimat wertvoll ist. So hat der 
Landwirt Heinrich Arend J. in Körle einen sauberen Sammelband 
erschiedenartigster Notizen und Niederschriften zusammengebracht. 
Darunter befindet sich ein bleines Liederbuch aus dem Jahre 1815, 
das getreu die Stimmung der damaligen, wildbewegten Seit 
viderspiegelt. 
Das Hessenland hatte unter den Scharen Napolcons nicht 
venig gelitksen. Die Sehnsucht nach Befreiung von dem fremden 
Joche war in Hessen nicht weniger vorhanden als in anderen 
eutschen Landen. So nimmt es denn auch nicht Wunder, daß die 
Lieder eines Theodor Körner ihren Weg bis in die abgelegensten 
Dörfer nahmen. Dichtungen wie „Das Volb steht auf, der Sturm 
bricht los“, „Frisch auf, ihr Jäger frei und flink“, Schlacht, du 
drichst an“, „Du Schwert an meiner Linken“ waren so aus der 
Seele des gemeinen Mannes gesungen, daß sie überall erklangen 
iberall Wurzel faßten. Die Rückbehr Napolcons von der Inse 
Elba hatte zur Folge, daß sie so rasch nicht vergessen wurden 
An dem nun folgenden neuen Kriege waren die Hessen nicht 
merheblich beteiligt. Ein „Neues Lied aus Charleville“ gibt uns 
davon Kunde: 
Und als wir bamen vor Charleville, 
Hurra, hurra, hurra, 
Da hörten wir gleich das Glockenspiel, 
Hurra, hurra, hurra, 
Die Jäger mußten vor das Tor, 
Drauf blitzten auch Kanonen vor, 
Und Alles, und Alles, und Alles rief: Hurra! 
Da ging es an zum ersten Tanz, 
Die Hirschfänger wurden aufgepflanzt, 
Und wurde geblasen zum Chargieren, 
Da man sogleich den Feind tat spüren. 
Die Tore waren uns nicht zu fest. 
„Jagt die Franzosjen aus dem Nest!“ 
Da hieß es Mineurs und Simmerleute vor 
Mit dem Hejssischen Jägerkorps. 
Der Kommandant, in der Hand die weiße Fahne, übergibt 
die Stadt. Die Einwohner bebennen sich in ihrer Angst zu dem 
geflüchteten König Ludwig XVIII., aber all ihr Bitten hilft nichts. 
Auch Kolbes, während der Freiheitskriege voöllig umgedichtetes, 
und auch im Weltkriege noch gesungenes Lied „Mädchen meiner 
Seele, bald verlaß ich dich“— erscheint auf dem Plan. In enger An— 
lehnung an Theodor Körners Gedicht „Lützows wilde Jagd“ wird 
der Tod des Herzogs Wilhelm von Braunschweig besungen, und 
endlich erreicht die Sammlung ihren Höhepunkt in einem spöttischen 
Liede auf Napoleon: 
Die Furie, der Höllensohn, 
Der zweite Attilla, 
Der Menschenfeind Napoleon, 
Es war auf Elba ihm zu warm, 
Drum nahm er's alte Schwert in Arm, 
Stahl heimlich sich in Frankreich ein 
Und wollte wieder Kaiser sein. 
Meineidiger Franzosen Macht 
Half ihm auf Ludwigs Thron; 
Kaum war der Schurkenstreich vollbracht, 
So glaubte der Coujon
	        
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